Kredit

Dialog zum Thema Geld

von  Dart

Einen wunderschönen guten Tag, wie kann Ihnen denn unser wunderbares Finanzinstitut Zins fressen Seele auf behilflich sein?

Guten Tag, ich wollte Ihnen ein Darlehen gewähren.

…Wie meinen?

Ich möchte Ihnen ein Darlehen gewähren.

Sie sind sich schon bewusst, dass wir eine Bank sind, oder?

Ja.

Okay, was genau meinen Sie mit Darlehen?

Ich will bei Ihnen ein Girokonto eröffnen.

Und…?

Naja, ich gebe Ihnen mein Geld für ein Konto.

Ja…wo wir es dann gegen einen kleinen Obolus verwalten.

Verwalten? Was erzählen Sie denn da? Sie legen mein Geld doch nicht in ein Schließfach und lassen es von schwer bewaffneten Gorillas bewachen. Stattdessen digitalisieren Sie es zu Giralgeld und vergeben es gegen Gebühr an andere, in der Hoffnung, dass für sie daraus ein Gewinn entspringt.

Ja…und?

Das nennt man doch einen Kredit. Ein Darlehen!

Naja…also…in gewissen Teilen…ja!

Aha! Also, ich möchte Ihnen gerne ein Darlehen gewähren.

…Ich verstehe. Sie möchten einer unserer Gläubiger werden?

Wie bitte?

Naja, wenn wir uns von Ihnen einen Kredit geben lassen, werden wir doch zu Ihrem Schuldner, oder?

Ja…

Und wenn wir bei Ihnen verschuldet sind, sind Sie unser Gläubiger?

Ja…

Also einer von diesen Menschen, die – nur für den unwahrscheinlichen Fall, dass unser ehrenwertes Geldhaus einmal in Schieflage geraten sollte – bei diesen Verlusten beteiligt werden müssten, wie es der Herr Finanzminister zukünftig vorsieht?

Wie bitte?

Wie in Zypern.

Zypern?

Die kleine Mittelmeerinsel, wo die Einwohner teilweise die Hälfte ihres Vermögens abzugeben hatten, nachdem wir die Millionäre vorwarnten.

Die Hälfte?!?

…das war Ihnen bisher gar nicht klar?

Nein!

Ach Gott sei Dank, ich dachte schon, Sie seien nur ein weiterer von diesen verrückten Linken, die die Dinge hinterfragen und tatsächlich danach handeln.

Wie bitte?

Ach, nichts. Alles ist in bester Ordnung. Es ist kein Problem, dass die Deutsche Bank mittlerweile Konkurs anmelden müsste, wenn sie nur ein einziges Prozent ihres gesamten Kredit- und Wertpapierportfolio abschreiben müsste. Und die Italiener sind weit weg. Wie gesagt: Alles ist gut! Alles ist zum Besten bestellt. Kann ich noch etwas für Sie tun?

Also…Ja, ich würde selbst gerne einen Kredit aufnehmen.

Uh, Zinsen - ich bin ganz Ohr!

Ich würde gerne ein Restaurant aufmachen und bräuchte dafür einen Kredit. Hier sind die entsprechenden Unterlagen.

Vorbereitet sind Sie auch, sehr lobenswert. Dann schauen wir mal…Aha…sehr gute Lage…gute Verkehrsanbindung…keine vergleichbare Konkurrenz…Sie werden vorläufig ein Dutzend Leute anstellen mit der Aussicht auf einen Ausbau…regionale Anlieferung und damit lokale Wirtschaftsunterstützung sind möglich…Also ich muss schon sagen, ein sehr gut durchdachtes, sehr sicheres und realistisches Konzept.

Danke schön.

Abgelehnt!

Wie bitte?

Der Kredit ist abgelehnt.

Wieso das denn?

Okay, ich erkläre Ihnen das mal kurz: Wir geben Ihnen diesen Kredit, Ihr Geschäft läuft wie geplant und in zehn, fünfzehn Jahren haben Sie ziemlich sicher alles abbezahlt, oder?

Ja, das steht im Finanzkonzept.

Genau. Das bringt uns dann ca. 5-8 % Rendite.

Und?

Das ist zu wenig. Sehen Sie, kürzlich war ein Mann bei mir, der uns für einen Kredit zusätzlich eine Gewinnbeteiligung an seinem Geschäftsmodell angeboten hat. Und aktuell sind wir bei – na, was schätzen Sie? – fabelhaften 32% Rendite!

32%? Was soll denn das für ein Geschäftsmodell sein? Nach Schuhe und Schlüssel nun Konkubinen und Koks?

Nein, der Mann hat einen neuen Titanstahl-Bohrkopf entwickelt, um die Löcher in Makkaroni machen zu können.

…Das muss die dämlichste Maschine sein, von der ich je gehört habe! Man kann doch unmöglich so viele davon verkaufen, dass man auf 32% kommt!

Sie haben mich missverstanden. Es geht nicht darum, den Bohrkopf zu verkaufen, sondern ihn anzubieten. Unser Kunde besucht damit italienische Gastronomien und versucht dort - im Auftrag des Besitzers -  seinen Bohrkopf feil zu bieten. Da die Mitarbeiter nun die Angst bekommen, durch eine Maschine ersetzt zu werden, ist es für den Geschäftsführer erheblich leichter, die Löhne zu kürzen oder Arbeitnehmerrechte zu missachten. Das bedeutet mehr Marge für den Inhaber, einen Gewinn für unseren Kunden und eine satte Rendite für uns. 32%!

Und wenn diese Arbeitnehmer Kredite bei Ihnen haben oder bei Banken, von denen Sie Kredite kauften und die wegen der Gehaltkürzungen nun nicht mehr bedient werden können?

…Wie ich schon sagte – 32%! Und bald werden es 40 sein! 50!!

Aber es ist unmöglich, solche Renditen mit normalem Restaurantbetrieb zu erwirtschaften.

Nicht mein Problem.

Aber dann kriege ich ja nie genug Geld für ein Restaurant zusammen.

Auch das wäre nicht mein Problem, denn wie lautet doch das alte Bänkermotto:
If you don’t have money – print it.
If you have imagination – paint it.

Was ist denn aus dem guten alten „Just steal it!“ geworden?

Oh, seien Sie unbesorgt, das gibt es immer noch. Aber wir gehen mit der Zeit. Es lautet nun: „Legalize it“.

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Kommentare zu diesem Text

Sätzer (77)
(27.08.16)
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 BrigitteG (27.08.16)
Immer wieder ein Genuss, Dart-Texte zu lesen, gleichzeitig so abgedreht-spielerisch und genau-auf-den-Punkt!

 Dart meinte dazu am 28.08.16:
Das ist sehr nett, Danke. Aber ich wünschte schon, ich würde wieder häufiger zum Schreiben kommen :(
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