sie konnte schon nicht mehr

Sonett zum Thema Ausweglosigkeit/ Dilemma

von  monalisa

und flocht sich dennoch tag für tag
aufs sonnenrad verhängter pflichten,
bestrebt das dunkel aufzulichten,
das stumm auf ihrer seele lag,

ihr keine ruhe gab, sich nacht für nacht
in immer noch mehr dichtgepressten schichten
zusammenzog und unter bleigewichten
den lebensmut begrub mit übermacht.

wie hat sie früher gern mit uns gelacht
und uns bekocht mit köstlichen gerichten.
doch was sich dann  ereignet haben mag,

wann sie begann, an welchem tag,
sich selbst in trübsal zu vernichten,
bleibt unklar. sie erlag der tiefsten nacht.

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Kommentare zu diesem Text


 Irma (31.10.16)
Auch die reine Pflichterfüllung kann für manch einen lange Zeit Erfüllung sein. Man schafft, was man eben schaffen muss. Weil es einem der Tag abverlangt. Doch bleiben die diese Forderungen irgendwann aus, fällt man in ein tiefes Loch. Das kann der Mann sein, der sein Leben lang geschafft hat und sich nun als Rentner unerfüllt fühlt. Oder eben die Frau, die immer nur für Kinder und Enkelkinder da war, sie bespaßt und bekocht hat. Und dabei sicher oft über ihre eigenen Grenzen hinaus gewirtschaftet hat.

Das Dunkel kommt plötzlich und mit aller Macht. Da wird eine Leere spürbar, die einen ins Nichts fallen lässt. Der erste Vers gefällt mir insofern besonders gut. Zusammen mit den Tagesaufgaben fällt man ins Geschehen. Es gibt kein ‚heute mal im Bett liegenbleiben‘. Die Pflicht ruft! Das „Sonnenrad“ strahlt zunächst so etwas Positives aus. Doch wenn man sich tagtäglich in die (selbst-)verhängten Aufgaben einspannen lässt, blutet man irgendwann aus und fühlt sich einfach nur noch erschöpft und ‚gerädert‘. Die furchtbare Foltermethode des Mittelalters, selbstangewandt. Selbstfolter bis zur völligen Selbstaufgabe. Warum nur hat niemand erkannt, dass hier jemand selber Hilfe bedarf, der anderen ständig die seine anbietet? Ein Frauenschicksal, nicht untypisch für eine Frau, die sich ihr Leben lang immer nur als fürsorgliche Mutter sah und für ihre Lieben aufgeopfert hat.

Der wiederkehrende "Tag" und "Nacht" - Reim der Quartette wiederholt sich in den Terzetten, lässt einfach nicht zur Ruhe kommen. Und die kürzeren, nur vierhebigen Verse in der ersten und vierten Strophe kehren in meinen Augen sehr gut heraus, dass diese Frau ihr Leben lang selbst zu kurz kam.

Beklemmend und berührend! LG Irma
(Kommentar korrigiert am 31.10.2016)
MeiOmma (60) meinte dazu am 31.10.16:
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 monalisa antwortete darauf am 01.11.16:
Vielen Dank, liebe Irma, für deinen einfühlsamen Kommi. Ich möchte ergänzen, dass ich versucht habe, aus der Sicht naher Angehöriger zu schreiben, was sie wahrgenommen haben, welchen Fragen sie sich stellen, welche Erklärungsversuche sich bieten, um mit dem Furchtbaren umgehen, ein wenig Trost schöpfen zu können.
Auch dir, liebe Anne , ein herzliches Danke, find ich ja auch - und nicht nur hier an dieser Stelle, dass man Irma für ihre Kommentare dringend mal auszeichnen müsste :).

Liebe Grüße an euch beide
mona
unfrankiert (52)
(31.10.16)
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 monalisa schrieb daraufhin am 01.11.16:
Danke für dein Einfühlen :),
liebe Grüße
mona

 EkkehartMittelberg (31.10.16)
Liebe Mona,
wahrscheinlich kann nur ein Mensch den Leidensdruck von Depression wirklich ermessen, der ihm unterliegt.
Mir scheint aber, dass dein bildmächtiges Sonett der Realität dieser Krankheit sehr nahe kommt. Das ist das Wunderbare an Kunst, dass sie nahezu alles, was sich zwischen Himmel und Erde ereignet, in Worten erfassen kann, wenn es Kunst ist.
Liebe Grüßße
Ekki

 monalisa äußerte darauf am 01.11.16:
Ach, lieber Ekki, ob das hier wirklich gelungen ist? Ich würde es als Versuch werten, ein wenig zu begreifen ... Bleibt die Unsicherheit, ob man sich - mehr oder weniger außenstehend - überhaupt an so ein Thema wagen soll/darf?
Herzlichen Dank für deine diesbezüglich ermutigenden Worte.

Liebe Grüße
mona

 Dieter Wal (31.10.16)
und flocht sich dennoch tag für tag
aufs sonnenrad verhängter pflichten

Sprachlich gestelzt. Inhaltlich gelungen. Das Sonett deprimiert wie die darin geschilderte Krankheit.
Janna (66) ergänzte dazu am 31.10.16:
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 monalisa meinte dazu am 01.11.16:
Es ist halt alles auch ein Geschmacksfrage, liebe Janna, lieber Dieter, da scheiden sich die Geister! Die Autorin muss sich halt ihren eigenen Weg suchen und mal hier mal da anecken :).

Danke für eure Rückmeldungen,
liebe Grüße
mona
Janna (66) meinte dazu am 01.11.16:
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