Die Ohnmacht des Schreibers ist die Macht des Tagebuchs

Erzählung zum Thema Arbeit und Beruf

von  pentz

Mein kleines, liebes Tagebuch, Dir habe ich es letztlich zu verdanken, dass ich meine Arbeit, meinen Job, meine „bezahlte“ Beschäftigung verloren habe, innerhalb weniger Tage, in nur drei Tagen habe ich eine Kündigung erhalten, „damit endet Ihre Tätigkeit“ bei uns, beim Staat, beim gelobten, demokratischen, leistungsorientierten, rationellen, über alles gelobten Staat und liebes Tagebuch, damit Du Bescheid weißt und damit es alle erfahren, was Du angerichtet hast, das kam so...
Ich hatte eine wirklich nette Chefin, bei der ich brav wie ein Schüler vor ihr saß, Hände in dem Schoß gelegt und auf ihre Anweisungen wartete, unterdessen sie ihrem Sohn, mit einer Kollegin und mit der ganzen Welt telefonierte, bis sie sich mir zuzuwenden beliebte. So viel Vertrauen herrschte zwischen uns, bis zu dem Moment, als ich bei einer ihrer Telefonate Dich, mein Tagebuch, herausholte und darin zu schreiben begann. „Daß sie mir nur Gutes über mich schreiben!“ Wandte sich diese mein Gegenüber mir plötzlich zu.
„Ich schreibe nur auf die Zeit, das Datum, den Ort, wie geschlafen, was noch zu tun wäre, wie sich meine derzeitigen persönlichen Beziehungen gestalteten...“ Über sie zu schreiben!? – sie war keine persönliche Bekanntschaft, also warum?
„Sie schreiben bestimmt Schreckliches über mich.“ Horrorgeschichten über einen Vorgesetzten? Gibt es viele. Über eine weibliche könnte ich auch dazu beitragen, aber über diese konnte ich bislang keinen Mosaikstein in dieses Bild fügen – noch.
„Nein, ich habe keinen Anlass dazu. Ich schreibe einfach, was mir in den Sinn kommt...“ Zunächst schrieb ich meist die formalen Daten auf, dann die persönlichen, wenn mir nichts mehr einfiel, wenn ich mich bedroht fühlte auch, das stimmt, dann schrieb ich einfach das auf, was ich wahrnahm, was auf mich einströmte und mir gerade in den Sinn kam. Aber diese sanfte Stimme, feminine Art meiner Vorgesetzten empfand ich zu keinen Zeiten bislang als einschüchternd.
Dieses „noch“ – ich hatte es nur gedacht, es war nur ein Einsprengsel innerhalb eines Satzes, er war mir nicht über die Lippen gekommen – noch.
Angst ist leider eine hoch ansteckende Krankheit, die sich nun von ihr auf mich übertrug.
„Aber Sie schreiben über mich!“ Augen, große Augen sah ich. Aus diesem drang ein Blick von oben herab auf mich, auf mein kleines Tagebuch, meinen Stift und meiner Geste des Schreibens, bei dem man sich ja mit sämtlichen Fasern des Körpers nach unten richtete, auf das Stück Papier, den kleinen, geraden Stift und die gekrümmten Hände.
Ich sagte daraufhin: „Noch kann ich doch nichts Schlechtes über sie schreiben...“
Ich hätte lieber den Satz umdrehen sollen: „Ich kann nur Gutes über sie schreiben.“
Mit einem kleinen Wort verändert sich oftmals eine Beziehung. Wahrscheinlich war die Veränderung schon da, ab dem Moment, als ich den Stift, ab der Handlung, wo ich etwas Belangloses in mein Tagebuch auf- und niederschrieb.
Danach verwandelte sich die nette, liebevolle „Vorgesetzte“, nenne man sie, wie auch immer, in eine Diktatorin, kurzum sie trug mir im Kommenden Dinge auf zu tun, die um ihrer selbst willen zu tun waren, nur nicht im Dienste der Sache der Beschäftigung, des Jobs, des Auftrages, nenne man/frau es, wie auch immer.
(Jetzt kommt der Moment der Geschichte, in der ich die Reihenfolge, die Chronologie nicht mehr einhalten kann. Ich weiß nicht zu sagen, geschah dies vor der Moment, vor der Sitzung, in dem sie Panik vor meinem Tagebuch bekam?)
Sie war lässlich gewesen in der Bezahlung, Vergütung, Entlohnung meiner Dienstleistungen, die, als ich sie drängend einfordern wollte, mit „Sie nerven!“ quittierte, nachdem sie sich nach etlichen Monaten Hin- und Herfrischens im Trüben, sprich Briefeschreiben, Antelefonieren der zuständigen Sachbearbeiterin, dazu herabließ,  mir gnädigerweise untertänigst Audienz zu gewähren. Sogar des Zimmers hatte sie mich verwiesen, nicht feine Art einer Dame, wie sie sich gerierte, schon gleich gar nicht eine effektive Personalführung, da ich vergebens herumsaß und –wartete, während die Pause der Teilnehmer längst verstrichen war, aber ich war naiv in dem Glauben, dass sie mich nach dem nächsten Besucher würden schon hereinbitten.
„Sie-Nerven!“ was hieß, sie nerven mich, indem sie sich dazu erkühnen, ihren ihnen zustehende gerechte Entlohnung einfordern zu wollen.
(Jetzt schreibe ich nicht mehr nur Fakten auf, sondern erkläre...)
Natürlich, sie hatte Angst, in einer hintersten Ecke ihres Gehirns war sie sich über ihre nicht gerechte Handlung, mir meine Vergütung zuzugestehen, bewusst: sie glaubte mir nicht, dass ich Tagebuch schrieb, sie befürchtete, ich führte nun über unser Gespräch Protokoll, das ich gegen sie verwenden konnte. Da halfen keine Beteuerungen mehr...)
Die Hierarchie einer Behörde erlaubt die Konsultation oberer Chargen oder solcher, die politisch gewählt worden sind und zudem verantwortlich sind. Die Konsultierten lobhudelten mich von dem, was ich einforderte, weil tatsächlich erarbeitet, sprich von meinem Anspruch hinweg: „Ihre Arbeit wird sehr geschätzt, aber ich bin dafür leider nicht mehr zuständig, weil ihr Aufgabenbereich einer andren Stelle übertragen worden ist.“
Leider schützte diese Wertschätzung meines Einsatzes, Engagements und Mehr-Tuns, als pro forma vorgeschrieben ist, wobei sich herausstellte, dass selbst vorgeschriebene Arbeitstätigkeiten versäumt worden waren, bezahlt zu werden, mich nicht davor, diese Arbeit als Grund herzunehmen, um mich innerhalb von drei Tagen zu feuern – arbeitsrechtlichen Schutz in einer Behörde eines bundesrepublikanischen Staates mit einer Verfassung, die Artikel hat wie der Nummer 20 oder X, wonach... aber Papier ist geduldig.
Der zuständige Bürgermeister, christlich-sozial dachte wohl: „Jesus hat mehr gelitten...“ und rieb sich wie Paulus die Hände in Unschuld. Was das soziale Attribut anbelangte, das seine Partei zierte, der er angehörte, war er nicht anders als der zweite Politiker, der sozialdemokratische Landrat, der mich nicht einmal mit warmherzigen Worten bedienen musste oder wollte, da nicht erreichbar war, um mich abzuwimmeln, abzuspeisen und wegzuloben, „einzulullen“, sagt man hierorts: er lullt dich ein, indem er dich abschnullt, lutscht, bis er dich satt hat, um dich dann, ausgelutscht, auszuflutschen aus seinem Mund, um es einmal vornehm auszudrücken, zu um- und beschreiben...
(Ja, Tagebuch, Dich klage ich an: Du hast meine Arbeitslosigkeit verursacht, herbeigeführt, herangeschrieben. (Was bleibt mir auch übrig, es anzuklagen. Gegen die Herren und Damen habe ich keine Chance, sie zur Rechenschaft, zum Bekenntnis zu ziehen, geschweige denn mir zu helfen, mit dazu beizutragen, das zu geben, was mir zusteht per... Aber Papier ist geduldig. Nicht wahr, Mein liebes Tagebuch?)
22. November Bamberg 15 Uhr 22 MEZ
Ich erinnere mich jetzt, dass mich auch hier der Staat als Körperschaft öffentlichen Rechtes namens Universität Bamberg, insbesondere der Lehrstuhl für Personalführung der Fakultät Wirtschaftswissenschaften in der Ägide eines Herrn Schönfelder mit besonderer Hilfestellung eines vermeintlich Grünen Rechtsanwaltes namens Schott und eines Amtsrichters um mein Salär gebracht hat.
copyright @ werner pentz

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Kommentare zu diesem Text


 Dieter_Rotmund (28.11.16)
"sie war keiner persönliche Bekanntschaft"?
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