Die Katze im heißen Sand III

Text zum Thema Fiktion

von  Ana Riba

Der Mann stand unschlüssig im Hof vor meinem Haus. Er wirkte nicht wie ein Anwalt, eher wie ein schottischer Naturbursche, den man gezwungen hatte, seinen Kilt gegen einen Anzug zu tauschen.  Zwar zog er nicht ständig an seinem Hemdkragen, doch wie er dort stand, sich dann in Bewegung setzte, um kurz darauf wieder stehen zu bleiben, sprach Bände. Er zückte ein Telefon aus seinem Jackett, stellte eine dunkelbraune Lederumhängetasche auf den Boden. Zaudernd sah er auf das Display. Wartete er auf einen Anruf oder konnte er sich nicht dazu entschließen jemanden anzurufen.
Etwas raschelte neben mir. Roter hatte sich dazu entschlossen, ein wenig Neugier an den Tag zu legen und war von seinem Platz am Kamin zu mir herübergeschlichen. Nun saß er auf dem Sideboard vor dem Fenster, reckte sich ein wenig und schien darüber nachzudenken, was er von dem Besucher halten sollte. Fragend sah er zu mir hoch. «Ich weiß es auch nicht», sagte ich leise. Mir war nicht wohl bei dem Gedanken, dass ich den Fremden in meine vier Wände lassen sollte. Auch wenn Hector hundertmal bestätigte, dass dieser Mann dort draußen vertrauenswürdig war. In den letzten Jahren hatte ich gelernt skeptisch neuen Bekanntschaften gegenüber zu sein.
Plötzlich erklang laute Dudelsackmusik. Die schottische Nationalhymne. Also lag ich mit dem schottischen Naturburschen gar nicht so verkehrt, dachte ich schmunzelnd. Roter fand den Lärm aus dem Handy weniger amüsant, fauchte kurz und verzog sich mit aufgestelltem Fell. «Dann werde ich mal Wasser für einen ordentlichen Tee aufsetzen», sagte ich leise zu mir selbst. Der Fremde im Hof nahm derweil sein Gespräch an und sah immer wieder zu meinem Fenster. Er nickte in dem Moment, als ich den Gasherd anstellte. Kurz darauf stand er auf der Matte. Noch bevor er klopfen konnte, öffnete ich.
Er stand mit erhobener Faust vor mir. «Ms Linnette Corey?», fragte er überrascht. Ich verzog nur amüsiert das Gesicht, dann öffnete ich die Tür ein Stückchen mehr und trat zur Seite. «Sie wollen meinen Ausweis nicht sehen?», fragte er nicht weniger überrascht. Ich schüttelte sachte den Kopf. «Hector neigt zu Übertreibungen», gab ich zur Antwort. «Tee?» Er hatte sich noch keinen Schritt hereingewagt. Jetzt schien er aus seiner Schockstarre aufzuwachen, nickte und während er den Kopf einzog, um ihn sich nicht am niedrigen Türrahmen zu stoßen, trat er ein. «Gerne», sagte er und sah sich um. Ich ging an ihm vorbei in die Küche und er folgte mir langsam. «Schön haben Sie es hier.» Mittlerweile war ich am Herd angekommen und weil ich ihm den Rücken zugewandt hatte, musste ich mich nun umdrehen. «Sind Sie Innenarchitekt?», fragte ich ihn. Irgendwie war seine Hilflosigkeit niedlich. «Nein», gab er unumwunden zu, «nur nicht besonders gut im Smalltalk.» Die Teeblätter rieselten leise in die Kanne. Ich konnte das Geräusch gut hören, so still war es in meiner Küche. Das leichte Unwohlsein kam wieder hoch. Da gab es doch noch etwas, weswegen er hier war. «Mr Arthur…», begann ich, während ich das Wasser einschenkte, aber er unterbrach mich. «Dylan, nennen Sie mich Dylan.» Ich nickte, sah mich kurz zu ihm um und lächelte. «Also gut: Dylan.» Ich schwenkte die Teekanne sachte und sah dabei zu, wie sich das heiße Wasser dunkler färbte. Wenn man alleine lebt, lernt man den Moment der Bewegung und der Veränderung zu schätzen. «Hector sagte mir, Sie hätte ein paar wichtige Dokumente?»
Er atmete heftig aus. «Wissen Sie, warum ich hier bin? Es klingt nicht so, als wüssten Sie worum es geht.» Ich stellte die Kanne etwas heftiger auf der Anrichte ab, als ich es beabsichtigte. Der Laut ließ uns beide zusammenzucken. Jetzt ist wohl der Moment gekommen, ein wenig nervös zu werden. Ich schüttel sacht den Kopf. «Nicht genau», gebe ich ehrlich zur Antwort. «Nur, dass es mal wieder um Geld geht.»
Dylan schmunzelt. «Ja, irgendwie geht es auch um Geld, aber hauptsächlich erst einmal um jemanden, den Sie gut kennen.» Er stellt seine Tasche auf meinem Küchentisch ab. «Passt farblich ganz gut», denke ich und wundere mich über mich selbst. Peinlich berührt stelle ich zwei Tassen auf den Tisch. Peinlich, weil ich merke, dass ich wie paralysiert auf den Tisch gestarrt habe. Mit zwei Schritten bin ich am Kühlschrank. «Habe ich überhaupt noch Sahne», frage ich mich in Gedanken, «was für eine Gastgeberin bist du, wenn du keine Sahne für den Tee hast?» Der Inhalt des Kühlschranks erfordert meine gesamte Konzentration, trotzdem höre ich, wie er seine Ledertasche öffnet und einige Dokumente hervorholt. Sofort sind meine Hände feucht und die kleine Kanne mit der Sahne rutscht mir trotz der Kälte ihm Kühlschrank fast aus den Händen. Ich sehe Dylan an, versuche in seinem Gesicht zu lesen, worum es geht. Aber entweder er hat seine Züge unter Kontrolle und ist somit besser, als im Smalltalk, oder aber …
«Zucker steht neben Ihnen», sage ich verlegen. Ich bekomme es mit der Angst zu tun und ich kann es nicht mehr verbergen, als es im Vorraum der Küche plötzlich ein platschendes Geräusch gibt. Wir zucken beide zusammen, dann muss ich lachen. «Mein Kater», sage ich entschuldigend, als Roter auch schon wie von der Kavallerie in die Küche marschiert, vor meinem Besucher stehen bleibt, ihn kurz fixiert, um dann mit einem riesigen Satz auf dem Küchentisch zu landen. «Hat wohl die Kühlschranktür gehört», sage ich, nehme ein Schälchen vom Regal und schenke ihm etwas von der Sahne ein. Dylan tritt einen Schritt zurück. «Oh ha», denke ich, «ein Katzenphobiker.»
Doch wie sehr ich irre, sehe ich im nächsten Augenblick. «Ein Hübscher», sagt Dylan nachdenklich, hebt die Hand, lässt Roter schnuppern, und als der sich gnädig zeigt, streichelt er den Kater. Ich bin überrascht. «Mögen Sie Katzen?», frage ich, um das Gespräch am Laufen zu halten. Er antwortet nicht sofort, versinkt förmlich in dieser Zärtlichkeit. «Nein, ich bin eher der Hundemensch», sagt er, macht aber einen absolut gegenteiligen Eindruck. «Katzen sind mir zu selbstständig. Aber der hier … der hat Charakter, das gefällt mir.» Seine Worte klingen wie Balsam für meine Seele. Seltsam genug, aber ja, er hat Recht. Roter ist ein echter Charaktertyp. «Wenn er sich wenigstens von mir streicheln lassen würde», sage ich lachend. Dylan sieht mich an. «Echt nicht?» Und zum Kater gewandt sagt er: «Freundchen, du solltest dich ein wenig von deiner guten Seite zeigen. Sie sorgt schließlich für dich.» Roter hebt den Kopf, sieht erst ihn, dann mich an. Macht aber keine Anstalten, etwas an seinem Verhalten mir gegenüber zu ändern. «Wahrscheinlich mag er mich nicht besonders, weil ich ihn totrede», sage ich sachte lachend. Roter legt zur Antwort den Kopf schief. «Scheint so», bestätigt mir Dylan.
Aber nicht nur, dass sich mein Kater von einem Fremden streicheln lässt, nein, er klettert sogar auf Dylans Schulter und lässt sich dort genüsslich nieder. «Jetzt … bin ich beleidigt», gebe ich lachend zu.

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Kommentare zu diesem Text

Absinth (62)
(07.01.17)
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 Ana Riba meinte dazu am 08.01.17:
Vielen Dank
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