Nachtschwärmer

Sonett zum Thema Beobachtungen

von  Irma

Bei Dämmerung flieht er beflügelt zu Villen
am Stadtrand, die - sittsam auf Abstand gebaut -
noch schlafend, verschlossen, inmitten von stillen
verwunschenen Anlangen liegen. Da schaut

er plötzlich in leuchtende Augen. Sein Blick
fliegt lichtwärts. Dann klebt er gespannt an den Scheiben.
Er zoomt alle Bilder dicht zu sich: „Klick-klick!“
und speichert sie, kostet begierig das Treiben

voll aus. Eine Frau zieht ihn an, steht versteckt
im Fenster und hat seine Wollust geweckt.
Sie schlüpft aus dem Kleid, reckt und räkelt sich bloß

sekundenlang. Er streckt die Fühler zum Schoß,
leckt süßesten Nektar - entfaltet verschreckt
den flatternden Mantel und flüchtet. Entdeckt!

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Kommentare zu diesem Text


 AZU20 (11.01.17)
Dann muss er davon schwärmen und schwärmt noch lange davon. LG

 Irma meinte dazu am 13.01.17:
Das wird er, Armin. Bis zum nächsten Abend, wenn ihn die Lichter wieder unwiderstehlich anziehen. Lieben Gruß und Dank, Irma

 HarryStraight (11.01.17)
Schöne Zeilenübergänge, sprachstark und mit toller Pointe. Gefällt mir.

 Irma antwortete darauf am 13.01.17:
Das freut mich, lieber Harry. Dankeschön! Viele liebe Grüße, Irma

 Isaban (25.01.17)
Dem Licht zu nahe gekommen, der Motterich.


Sehr gelungene Bilder gekonnt in Form gebracht.

Besonders das "sekundenlang", das in die nächste Strophe gerutscht ist, bebildert herrlich, wie lang Sekunden sein können und wie gründlich auf die eine oder andere Weis das "Herz" in die Hose rutschen kann.

Sehr gut gefallen mir auch die "Fühler", diese traurige einzige Weise, wie dieser "Nachtschwärmer" (sich und das Leben) fühlen kann.

Ein spannendes Sonett, auf seine Weise ebenfalls ein Blick in fremde Häuser, in ein fremdes Fenster - Einblick in das Mottenleben.

Liebe Grüße

Sabine

 Irma schrieb daraufhin am 26.01.17:
Ich freue mich, liebe Sabine, dass du - auch wenn du meinem Schärmer auf die Schliche gekommen bist - sehr mit ihm mitfühlen konntest! Und ja, Zeitwahrnehmung ist relativ (wenn man zum Beispiel eine Fliege im Auge hat, die sich wahrscheinlich über unsere "Fangversuche in Zeitlupe" nur amüsieren kann.

Lieben Dank und Gruß, Irma
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