Die Partnersuche

Geschichte zum Thema Werbung

von  IngeWrobel

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„Wir woll’n nicht irgendwen...“ sagt der schöne Mann mit den strahlendblauen Augen in der TV-Werbung einer Partnerschaftsvermittlung. Mit „wir“ meint er sich und seinen schönen Hund mit dem er in dem Werbespot spielt, während er seine Worte in Richtung Kamera in ein nicht sichtbares Mikrophon spricht. Die Zuschauerin zeigt Interesse und überlegt, ob sie reagieren soll, ob sie auf die Website geht oder dort anruft oder das macht, was Frau machen muss, um einen Kontakt zu dem schönen Mann mit dem schönen Hund, die eine Partnerin beziehungsweise ein Frauchen suchen, aufzunehmen.
Der Zeitpunkt ist ungünstig, denn sie wird gestört. Sie macht den Fernsehapparat aus. Vielleicht morgen...

Am nächsten Tag schaltet sie wieder den Sender ein, bei dem sie den im doppelten Sinne werbenden Beitrag sah. Die Frau quält sich durch Nachmittagsbeiträge mit Menschen, die Wettkochen, mit nachgestellten Gerichtsverhandlungen oder Detektivaktionen in Serie und Talkshows mit Menschen, die so hässlich sind, dass das Vorurteil von Ausländern, die vom „hässlichen Deutschen“ pauschalierend sprechen, zur ernüchternden Realität wird. Zwischen diesen Menschen, die sie dort auf dem Bildschirm sieht, und „ihrem“ schönen blauäugigen Mann liegen Welten. Sind das Wesen, die derselben Rasse angehören?

Die Frau sitzt bei jedem Werbeblock aufmerksam vor dem Fernsehgerät und geht nur zwischendurch, wenn die Hauptsendung läuft, in die Küche oder das Badezimmer, um zu tun und zu erledigen, was erledigt und getan werden muss. Die Türen stehen offen, sodass sie einen freien Blick auf den Bildschirm hat um zu sehen, wann der Werbeblock kommt. Dann setzt sie sich vor den Apparat, um auf diesen einen Werbespot zu lauern. Das geht nicht, ohne alle anderen Werbespots zur Kenntnis zu nehmen. Da wird geworben für Süßigkeiten, Deo-Spray, Süßigkeiten, Konfektion, Süßigkeiten, Mobiltelefone, Gesichtskosmetik, Zahnpflege, Süßigkeiten, Küchengeräte, Eis, Konfektion, Duschgel, Schokolade ... jedoch nicht für Partnerschaften.
Der Nachmittag ist schnell rum, und am Abend wird weniger für Süßigkeiten geworben, stattdessen mehr für Autos, Körperpflege, Kaffee, Internetanbieter, Mineralwasser, Möbel, Brillen, Versicherungen, Reisen, Autos und Gesichtscreme. 

Am dritten Abend plötzlich eine Werbung für eine andere Partnervermittlung. Die Frau ist zuerst aufmerksam, dann aber nicht interessiert, weil hier männliche Interessenten von einer schönen jungen Frau gesucht werden. So nervig auch das Warten bis jetzt war, so ist doch das Interesse neu geweckt und die Frau wieder zuversichtlich.

Am fünften Abend ist es soweit: Nach der Werbung für Chips, einen neuen Musiktitel, Hundefutter, Autos und einen energiespendenden Riegel kommt endlich der heißersehnte Beitrag. Der schöne Mann mit den stahlblauen Augen und dem schönen Hund sagt dieselben Worte, die die Frau schon beim ersten Mal so ansprachen: „Wir woll’n nicht irgendwen!“ Fasziniert hört die Frau die Worte und schaut dem Mann zu, der mit seinem schönen Hund spielt. Dann erscheinen irgendwelche Daten für die Kontaktaufnahme auf dem Bildschirm und die Frau stellt fest, dass sie sich nicht vorbereitet hat. Kein Zettel und kein Stift sind in greifbarer Nähe, damit sie sich etwas notieren kann.

Der schöne Mann mit den strahlend blauen Augen scheint der Frau nun ferner denn je zu sein, denn ihr schwant, wie lange sie sich nun wieder Nachmittags-Talkshows mit hässlichen Menschen und Abendserien mit nachträglich eingearbeiteten Lachern eines vermeintlich anwesenden Publikums antun muss, ganz zu schweigen von der Werbung für Produkte, die sie noch nie gekauft hat und die sie auch in Zukunft nicht kaufen will. Soll sie riskieren, wieder fünf Nachmittage und Abende vorm Bildschirm zu verbringen – nur wegen dieses einen Mannes, von dem sie nicht weiß, ob er überhaupt noch auf der Suche nach einer Partnerin ist? Eigentlich sollte er doch bei dem Aussehen und der ausgestrahlten Attraktivität längst von Rückmeldungen überschüttet worden sein, grübelt sie.

Andererseits steht da die selbstbewusste Information im Raum: „Wir woll’n nicht irgendwen!“ Das bedeutet, dass der schöne Mann recht anspruchsvoll zu sein scheint. Er nimmt nicht die erstbeste Bewerberin für eine Partnerschaft, sondern hat eine ganz bestimmte Vorstellung davon, wie seine Zukünftige sein muss.

Und dann ist da ja auch noch der Hund. Was ist denn, wenn beim ersten Zusammentreffen zwar das Herrchen von ihr begeistert ist, der Hund aber nicht aufhört, zu bellen, und sie ganz offensichtlich ablehnt?

Der Frau wird klar, dass es hier gilt, zwei Herzen zu erobern, wenn sie eine Partnerschaft mit dem Strahlemann anstrebt. Das kann anstrengend werden.

In den nächsten Tagen kommt die Frau aus dem Grübeln nicht heraus. Während das Fernsehgerät dauerläuft, versucht sie, ihre eigene Motivation zu ergründen. Warum dieser ganze Zirkus wegen eines Mannes, den sie vielleicht nie kennenlernen wird? Was ist so faszinierend an ihm, dass sie auf ihn konzentriert ist und gar nicht versucht, einen ähnlich ansprechenden Mann auf einem anderen Wege kennenzulernen? Hatte sie vorher eigentlich schon gesucht und nach schönen Männern Ausschau gehalten? Oder war es nur die Professionalität der Macher dieses kurzen Werbespots, die in ihr ein Bedürfnis geweckt hatte, das vorher gar nicht bestand? 

Am neunten Tag nach dem ersten Wahrnehmen des Webespots ging die Frau nach Feierabend in das örtliche Tierheim und suchte sich einen schönen Hund aus.
Es war Liebe auf den ersten Blick – bei beiden. Schnell war alles erledigt und gekauft, was für ein neues Zuhause für einen schönen und liebenswerten Hund vonnöten ist. Am Abend lag der Hund auf einem Hundekissen, das dicht neben dem Fernsehsessel der Frau lag, und schaute einträchtig mit seinem Frauchen das Vorabendprogramm im Fernsehen an. Wenn Werbung kam, ging die Frau in die Küche und holte für sich und ihren neuen Lebenspartner etwas zu trinken und zum Knabbern. Wasser im Glas und im Napf und Knabberzeug aus verschiedenen Tüten. Einen menschlichen Partner oder ein Herrchen brauchten die zwei nicht.

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