Von der Gnade des Schlafs oder am Schlafittchen geführt

Anekdote zum Thema Schlaf/ schlafen

von  EkkehartMittelberg

Von der Gnade des Schlafs oder am Schlafittchen geführt.

Während der Zeit meiner Operationen in jüngster Vergangenheit war mein größtes Problem, nachts nur sehr wenig schlafen zu können. Ich versicherte dem Leitenden Arzt zwar, dass ich zuhause nie Schlaftabletten genommen habe und bat ihn um eine Tablette, die mich durchschlafen ließ. Er verordnete mir aber eine Pille, deren Durchschlagskraft so stark wie Kinderpippi war. Ich nahm sie um neun Uhr abends ein und wurde in der Regel kurz nach Mitternacht wach, ohne wieder einschlafen zu können. Wer das als Kranker mitgemacht hat, weiß, wie qualvoll langsam sich die Minuten ziehen, bis man endlich vom Frühstück erlöst wird, nach dem man dann wider alle Vernunft einschlafen kann.
Es gibt nur sehr wenige Möglichkeiten, diese folternde Wartezeit von sieben bis acht Stunden zu verkürzen. Eine davon sind Toilettengänge mit der Nachtaufsicht, die einem wenigstens etwas Bewegung verschaffen, freilich für die so oft gerufene Aufsicht an Belästigung grenzen. Ich hatte jedoch das Glück, einen Physiotherapeuten zu finden, der bald durchschaute, was ich mit meinen Toilettengängen bezweckte, und der Verständnis  für meine Versuche hatte, die schlaflosen Stunden irgendwie abzukürzen. Er verfiel auf die Idee, die Gänge ein wenig über mein Zimmer hinaus zu verlängern, um noch woanders nach dem Rechten zu sehen, durfte aber keineswegs das Risiko eingehen, dass ich stürzte. So schlang er ein Handtuch um meinen Hals und führte mich auf sicheren Wegen am Schlafittchen so lange Strecken, dass ich wenigstens körperlich ermüdete und entspannte.
Mit diesem Dienst, der nicht gerade nach Vorschrift war, konnte mir der liebevolle Mensch  zwar die Gnade des Schlafs  nicht gewähren, aber er schuf mit dem Schlafittchen einen Ersatz, der besser war als so manche Schlaftablette.


Anmerkung von EkkehartMittelberg:

Die Bedeutungsgeschichte von Schlafittchen hat leider nichts mit Schlaf zu tun. Dennoch empfinde ich den lautmalerischen Anklang auf Schlaf in diesem Zusammenhang als komisch.

Redewendung

"Verwendet wird das Wort im Zusammenhang der Redewendung „am Schlafittchen packen“ im Sinne von „jemanden am Weglaufen hindern“, ähnlich wie man Geflügel am Flügelansatz fasst. Im Niederdeutschen wird Geflügel oder Flügel auch als Fittgen bezeichnet. In Heinsius’ Sprach- und Sittenanzeiger der Deutschen aus dem Jahr 1817 findet sich folgende ausführliche Erläuterung der Redewendung (S. 96): „Gemeiniglich gebraucht man diese Redensart mit der: Jemanden gefangen nehmen, als gleichbedeutend. Das Schlafittgen ist völlig deutsch. Es ist nämlich aus Schlagfittig entstanden. Unter dem Schlagfittig versteht man aber den starken Fittig der Vögel. Hat man nun den Vogel erst beim Schlagfittig, so ist es um seine Freiheit geschehen. Wenn man daher einen Menschen gleichsam so in seiner Gewalt hat, wie den Vogel, dessen Schlagfittig man gefaßt, so ist er ebenfalls so gut gefangen, wie der Vogel.“

"Im Duden der Redewendungen und sprichwörtlichen Redensarten wird diese Redensart als „jemanden fassen und zur Rechenschaft ziehen“ beschrieben, wobei das Vergehen als eher geringfügig angesehen wird.[3]

Als Erklärung wird auch angegeben, dass diese Redensart bedeutet, jemanden am Hemd- oder Jackenkragen zu packen[4] bzw. jemandem die „Leviten zu lesen“.[5]"

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Kommentare zu diesem Text

bleibronze_II (66)
(09.02.17)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 09.02.17:
Danke, dein Kommentar trifft es.
LG
Ekki
Sätzer (77)
(09.02.17)
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 EkkehartMittelberg antwortete darauf am 09.02.17:
Danke, Uwe, mit der Courage zu schreiben wird sich auch die Frische wieder einfinden.
LG
Ekki

 tulpenrot (09.02.17)
Im Krankenhaus schlafen zu können, ist eine Illusion. Nachts kommt man nicht zur Ruhe und tagsüber erst recht nicht.
Deine Idee mit den nächtlichen Ausflügen ist immerhin eine kleine Abwechslung. Aber was sollte das Handtuch um deinen Kopf? Solltest du unsichtbar gemacht werden oder war das als Schutzhelm gedacht, falls du fällst? Merkwürdig.
Alles Gute weiterhin!
LG
Angelika
bleibronze_II (66) schrieb daraufhin am 09.02.17:
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 EkkehartMittelberg äußerte darauf am 09.02.17:
@Tulpenrot und Bleibronze: Er hatte mir das Handtuch um den Hals gelegt und führte mich mit dessen zusammengeführten Enden. Jedenfalls konnte ich so keine eigenen risikoreichen Wege gehen.

 loslosch (09.02.17)
mein geplanter trick (gott behüte!): mit geschlossenen augen ca. 15 cm weit blicken, also nahbereich, dann eine der meistbefahrenen strecken visuell durchgehen, kurve für kurve. das ist echt anstrengend. gut so! das ist der ermüdungstrick!

get better soon, ekki t.t. lo

 EkkehartMittelberg ergänzte dazu am 09.02.17:
Danke, Lothar. Wie gut, dass ich inzwischen wieder ohne diese Tricks schlafen kann.
LeFay (33)
(09.02.17)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 09.02.17:
Merci, LeFay, mit guter Musik lässt sich viel machen. aber postoperarativ reichte sie leider nicht.
LG
Ekki
LeFay (33) meinte dazu am 09.02.17:
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 niemand (09.02.17)
"Folternde Wartezeit" ... wie gut kann ich Dich verstehen, da ich es selber erlebt habe. Ich durfte/und konnte ja noch nichtmal das Bett verlassen mit einem dreifachen Bein/und Beckenbruch.
Da waren die Tage schon eine Qual, von den Nächten mal ganz abgesehen. Wie soll man schlafen können, wenn man keinerlei ermüdende Bewegung vollführen darf und kann? Ich kann Dich absolut verstehen, daher wünsche ich Dir vor allem eine schnelle und vollständige Genesung und alles Gute für die Zukunft.
Mit lieben Grüßen, Irene

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 09.02.17:
Gracie für dein Verständnis und die lleben Grüße, Irene.
Beste Grüße
Ekki

 Lluviagata (09.02.17)
Welcome back, Ekki!

Alles Liebe dir!

Llu ♥

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 09.02.17:
Merci für deine guten Wünsche, Andrea.
Liebe Grüße
Ekki
MarieT (58)
(09.02.17)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 09.02.17:
Genau so, Marie, habe ich mir die für mich etwas würdelose Situation schön geredet, dass auch ich den Pfleger metaphorisch am Schlafittchen führe. Aber er hat es nur gut mit mir gemeint.
Bier in Maßen ist immer noch eines der besten Schlafmittel für einen an Alkoholkonsum nicht gewöhnten Körper.
Herzliche Grüße zurück, Marie
michaelkoehn (76)
(09.02.17)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 09.02.17:
Wie schön, Michael, Freunde zu haben, die einen ermutigen, wenn man es wirklich braucht. Das ist eine sehr positive Erfahrung meiner Krankheit, auf die ich in allen anderen Belangen gern verzichtet hätte.
Gracie
Ekki
Graeculus (69)
(09.02.17)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 09.02.17:
merci, Graeculus, ich hatte anfangs große Konzentrationsschwierigkeiten und wenn ich länger als eine Stunde las, konnte ich meine Leseerfahrungen nicht mehr sortieren, sodass ich schweren Herzens auf die klassische Einschlafhilfe verzichten musste.

 TrekanBelluvitsh (09.02.17)
Wer hätte gedacht, dass dich mal jemand einfangen konnte ... oft versucht, nie erreicht!

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 09.02.17:
Lieber Trekan es wird immer leichter werden, mich einzufangen, und wenn es vielen gelingt und die Banalität für jedermann offenbar ist, dann hoffe ich auf Freunde wie dich, die daran erinnern, dass Ekki in keine Schublade passte.. ))
Absinth (62)
(09.02.17)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 09.02.17:
Merci, ich freue mich auf deine Satiren, lieber Absinth. Du gehörst zu den ganz wenigen, die bitterböse schreiben können und dennoch bestimmte Grenzen respektieren.
BG
Ekki

 Dieter Wal (09.02.17)
Finde Autogenes Training bei Schlafstörungen hilfreich. Gute Besserung!

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 09.02.17:
Merci, Dieter, das ist unbestritten richtig. Inzwischen kann ich wieder schlafen.
Meine persönliche Methode derzeit: Ich stelle mir die schönsten Landschaften vor, in denen ich mit meiner Frau gewandert bin und laufe rhythmisch singend Wege, die abwärts führen. Iin der letzten Nacht habe ich einen Rhythmus eingefangen, der bis in die Morgenstunden hielt.

 Didi.Costaire (09.02.17)
Hallo Ekki,

fehlten dir etwa die langen Nächte bei kV?

Weiterhin gute Besserung wünscht

Dirk

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 09.02.17:
Merci, Didi, die sind jedenfalls weit unterhaltsamer.
Liebe Grüße
Ekki

 princess (09.02.17)
Ekki an der Leine - also, das geht wirklich nur postoperativ! Schön dass du wieder hier bist. Ausgeschlafen, hoffe ich.

Herzliche Grüße
Ira

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 09.02.17:
Gracie, Ira, ich werde versuchen, mich ausgeschlafen zu zeigen wie die hellsten Jungen im Western.
Herzliche Grüße
Ekki

 Access (09.02.17)
...hatte mir schon Sorgen gemacht! Ich wünsche dir alles Gute... Mir hat mal jemand bei Schlaflosigkeit empfohlen, mit geschlossenen Augen die Augen sehr schnell im Zickzack zu bewegen, immer wieder hin und her, sehr, sehr schnell...weil das irgendwelche natürlichen Augenbewegungen imitieren soll, die zu irgendeinem Schlafstadium gehären...ich weiß nicht, ob das hilft, ich war immer zu störrisch, das auszuprobieren.... lieben Gruß, A.

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 10.02.17:
Liebe Access,
danke für deine fürorglichen Gedanken.
Ich finde, dass die Theorie der schnellen Zickzack-Augenbewegungen eine praktische Erprobung verdient.
LG
Ekki

 JohndeGraph (09.02.17)
Auch von mir gute Besserung. Ich frage mich nur, was passiert wäre, wenn dir trotz (guter) Führung etwas passiert wäre. Eine Entlassung wäre wohl das wenigste gewesen (und damit meine ich nicht deine). Menschlichkeit ist in unserem Krankenkassen geführten System ja leider ein Fremdwort, bzw ein nicht berechneter Kostenfaktor den man kürzer will, ob es gut ist oder nicht. Schön wenn sich einige Krankenpfleger und Schwestern trotz Zeitdruck und übertragener Aufgabenfülle darüber überhaupt noch hinwegsetzen können und auch wollen. Grüße J.d.G.
(Kommentar korrigiert am 09.02.2017)

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 10.02.17:
Ja, John, du triffst das ethische und juristische Problem punktgenau. Leider bin ich hinsichtlich einer grundsätzlichen Lösung eben so ratlos wie du.
LG
Ekki
LottaManguetti (59)
(09.02.17)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 10.02.17:
Gracie
,Lotta, ich weiß deine Genesungswünsche sehr zu schätzen.
Herzliche Grüße
Ekki
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