Vorwärts in die Dunkelheit.

Erzählung zum Thema Gefangen

von  franky

Grußlos näherte sich Primarius Zyper und trennte ohne Kommentar meinen lose baumelnden linken Fuß ab. Konnte vor Entsetzen nur einen kurzen Schrei loslassen. Auch mein Rechtes Bein hatte einiges abbekommen, bin aber hier knapp einer Amputation entkommen.
Mein Gesicht interessierte niemand, da gab es nichts zu operieren. Augenlicht verloren: „Pech gehabt!“ 
Der Wattebausch auf meiner Nase, auf dem Äther getropft wurden, stank bald so grässlich, dass es mir den Atem nahm. „eins zwei drei“ schon kippte ich in einen tiefen Schlaf, der nur so von Schreckensbildern strotzte.

Mein Schutzengel hatte sich in eine Ecke zurückgezogen und begnügte sich dem Primarius Zyper auf die Finger zu schauen.
Retten was zu retten war, das Andere wohl oder übel entfernen. Mein Bein wurde etwas über dem Knie abgenommen. Konnte beim Aufwachen noch mein abgetrenntes linkes Bein spüren, Realität war jedoch: „Nur noch ein kurzer Stumpf“ der dick mit Verband umwickelt war. Die Nebenwirkung der Narkose machte sich bemerkbar.   
Mir wurde kotz übel! Das vor einigen Stunden zuhause eingenommenes Frühstück quoll aus meinem Mund, seitlich auf meine Liege, die mit etwas wie Kautschuk überzogen war. Mir war das äußerst peinlich, musste mich aber mit meiner momentanen Hilflosigkeit abfinden.

Nun wurde ich ins Zimmer Sieben gebracht. Ein Saal mit acht neun Betten, alles erwachsene Männer, mit leichteren bis schweren Blessuren.
Gegen die Schmerzen wurde mir Morphium gespritzt, das versetzte mich in ein Gefühl wie auf Wolken schwebend. Mein Zeitgefühl war total abhanden gekommen. Und in diesem Zustand hörte ich plötzlich neben mir die Stimme meiner Mutter. In dieser körperlich und geistigen, benebelten Lage, zog ich mit lachender Miene die Decke zurück und zeigte meiner Mutter und mitgekommener Schwester Franziska mein amputiertes Bein. Meine Mutter schlug die Hände vors Gesicht und stieß einen Schmerzensschrei aus. Dabei war das erst die halbe Wahrheit. Ich konnte Mutter und Schwester ja nicht sehen, doch ihre Stimmen drangen unverkennbar an meine Ohren. Die beiden sind die fünfundzwanzig km von Frohnleiten zu Fuß zu mir ins Brucker Spital gekommen, da Züge zu dieser Zeit wegen Tiefflieger Angriffe viel zu gefährlich gewesen wären. Und aufheulende Sirenen kündigten hier einen Bombenangriff auf den Brucker Bahnhof an, der nur wenige km vom Spital entfernt war. In kürzester Zeit stoben alle Patienten aus dem Saal. Die Schwereren Krankheitsfälle trug man auf Liegen in den Keller.

Ich, mit Mutter und Schwester blieben allein in Zimmer Sieben zurück.
Oben auf dem Dach, rangen zwei Schutzengel mit dem übermütigen herumtrampelnden Tod, der wollte unbedingt mit einer Fliegerbombe ins Herz des Gebäudes hineinfahren. 

Schwester Franziska und Mutter, packten mich auf einer aus einem anderen Zimmer  organisierten Trage in den Keller. „Wo ist den der Weg in den Luftschutzkeller?“ Wollte sich Mutter erkundigen.  Doch die Gänge und Treppen menschenleer, alle auf der Flucht vor dem gefürchteten Tod. 
 
„Da bin ich aus einer schlimmen Misere, in eine andere gestolpert.
„Vorwärts in die Dunkelheit!“

© by F. J. Puschnik

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Kommentare zu diesem Text

Sätzer (77)
(27.03.17)
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 AZU20 meinte dazu am 27.03.17:
Ja, Hochachtung und lG
Bette (70)
(27.03.17)
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 Jorge (27.03.17)
Diesen Text sollten sich jene ansehen, die Krieg immer noch ins Kalkül ziehen und die Bombenangriffe irgendwo in der Welt nicht sonderlich interessieren.

 EkkehartMittelberg (27.03.17)
Wehleidige sollten sich vor Augen führen, was du schon als junger Mensch erleiden musstest.
LG
Ekki
MarieT (58)
(27.03.17)
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 Augustus (27.03.17)
Es empfiehlt sich diesen Wollknäuel komplett auszurollen; also weiter schreiben.

Ave
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