Nicht schon wieder sterben!

Erzählung zum Thema Lebensweg

von  franky

Wie aus dem Nichts aufgetaucht, höre ich die Stimme meines Vaters: „Heil Hitler.“ War sein Gruß. Wahrscheinlich trug er die grau blaue Montur der Fliegerabwehr. Seine Einheit war gar nicht weit von hier, in Hafendorf bei Karpfenberg stationiert. Anfangs konnte ich noch ein Paar Worte mit Vater sprechen, dann aber entfernte sich mein Bewusstsein, dass ich wohl hören, jedoch nicht mehr sprechen konnte. Schwamm auf einer Wolke, die sich immer weiter entfernte. Vater muss Alarm geschlagen haben. Personen näherten sich und packten mein Bett wieder auf Rädern und fuhren mich, du glaubst es nicht, wieder in die hauseigene Kapelle. Meine Gedanken waren: Nicht schon wieder sterben!“ 
Die salbungsvolle Stimme des Pfarrers drang an mein Ohr. „Im Namen des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes amen.“ „Nein! Ein weiteres Mal die Beichte ablegen …..“
Nicht zu glauben, ich war wieder hell wach!
Nach der Beichte, mit kleiner Synkope beim sechsten Gebot, berührte der Pfarrer mit einem Wattebausch meine Stirn und Fußsohle mit dem leicht duftendem Öl. An der Stirn lief das heilige Öl störend in meine Augen. An der Fußsohle spürte ich deutlich ein Kitzeln von der Watte.  Ein gutes Zeichen dafür, dass ich noch lebe.

Den täglichen Verbandswechsel an meinem amputierten Bein fürchtete ich panisch, es war eine schlimme Tortour! Nach der Kontrolle an der Wunde, wurde der Verband mit einer Klebemasse an der Haut angeklebt. Diesen Verband dann wieder zu lösen, wo mir die feinen Härchen brutal aus der Haut gerupft wurden, ließ mich jedes Mal aufschreien. Nicht kleben, hatte zur Folge, dass der Verband nach kürzester Zeit wegrutschte und die Operationswunde bloß lag. 
Meine aufgeschwollenen Augen wurden mit Borwasser ausgespült. Eine Flüssigkeit, die stark nach Fischtran roch. Als Augenverband wurde mir eine Stoffbinde aufgelegt.

Die schwer verletzte Helli, die nach drei Tagen Todeskampf, keine Chance hatte zu gewinnen, hat ein gütiger Gott von den Leiden erlöst. Bis ein so junges, kräftiges Kinderherz zu schlagen aufhört, müssen unvorstellbare schmerzliche Dinge passieren.

Der letzte Fliegerangriff auf den Bahnhof hatte ganze Arbeit geleistet. Vom Brucker Bahnhofgebäude blieb kein Stein auf dem andern. Die Geleisanlagen wurden restlos zerstört. Ein wüster Acker, wo nur noch einzelne Geleis Teile in die Luft ragten. 

Als eine Handvoll Tierkohle wegen meiner Verstopfung keinen Erfolg zeigte, griff man zum letzen Mittel, dem Klistiergerät. Die eindringliche Aufforderung, die Flüssigkeit so lang als möglich im Körper zu behalten, hielt nur einige Sekunden stand. So bald Pfleger Franz mit dem leeren Gefäß durch die Türe verschwand, schoss die Flüssigkeit ungehindert in das frisch gemachte Bett.

© by F. J. Puschnik

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Kommentare zu diesem Text

Graeculus (69)
(30.03.17)
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Bette (70)
(30.03.17)
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