Mit rauer Hand.

Erzählung zum Thema Ruhe/ ruhelos

von  franky

Meine Genesung machte sichtliche Fortschritte.
Mutter hatte ein weiteres Mal den beschwerlichen Weg auf sich genommen und mir bei diesem Besuch saftige Äpfel und frische Eier mitgebracht. Das sollte meine karge, eintönige Spitalkost aufbessern. Der Tagesschwester trug Mutter auf, mir jeden Vormittag ein weichgekochtes Ei zuzubereiten. Im Glas serviert, war dies eine köstliche Ergänzung zu der faden Spitalkost. Die Tatsache, dass ein Paar witzige Patienten
Zu den öfters gekochten Fleischstücken in einer klaren Suppe meinten: „Das ist bestimmt Menschenfleisch“, weil es einen süßlichen Geschmack hatte, was gerade nicht besonders den Appetit anregte. Wahrscheinlich verwendete der Koch Pferdefleisch, was in dieser Zeit nicht unüblich war.   

Eines Nachmittags wurde es wieder hektisch im Zimmer sieben. 
Ein jüngerer Knabe aus Bruck hatte mit Gewehrmunition hantiert und bei der Explosion sich schwerste Verletzungen an Armen und Gesicht, auch Augen zugefügt. Mutter von Fritz Baumgartner stand weinend am Bett ihres Sohnes und haderte mit dem Schicksal.
In dieser Zeit führte tatsächlich das Schicksal mit rauer Hand Regie,

Nachfolger in meinem breiten Bett, war ein Mann aus Bruck, der von einem Motorradunfall einen offenen Unterschenkelbruch davongetragen hatte. Der Mann hieß ebenfalls Baumgartner. Der Mann hatte vorerst recht gute Genesungschancen. 

Mutter überbrachte mir eines Tages eine Hiobsbotschaft: „Adolf Hitler ist tot, er hat sich erschossen!“ In mir stürzte eine ganze Welt zusammen! „Wer sollte nun die Feinde bekämpfen?“ Für mich war Adolf Hitler wie ein Gott, der durfte und konnte nicht sterben. Eine Einstellung, die ich voll und ganz von den Erwachsenen aufgesogen hatte. 
Nichts desto Trotz, das Leben ging weiter. Hinter vorgehaltener Hand wurde über ein Ende des Krieges gesprochen, stets auf der Hut, dass niemand mithören konnte.

Langsam, mit vorsichtigen Schritten, stellte ich mich an, das Zimmer sieben zu erobern. Mein Krieg war ein anderer, führte einen intensiven Feldzug von Bett zu Bett.
Ich hatte das Glück, wieder in ein großes Bett diesmal vor die Fensterfront übersiedeln zu können. Pfleger Franz übte mit mir die ersten Schritte. Nur auf einem Bein das Gleichgewicht zu halten, war erst gar nicht so einfach. Nur mit den Krücken konnte ich mich per tu nicht anfreunden, da benötigte man beide Hände. Und ich wieder setzte meine Hände als Orientierungs- Organ ein. Meine Arme reichten gerade von einem Bett zum andern. So wurde Bett um Bett erobert! Verstohlen schwang ich mich zu Fritz Baumgartner hinüber. Der bäumte sich im Bett auf, Begrüßte mich mit aggressiver Stimme:
“Farschwind du blöde Sau! Sonst hau i die!“ Verdutzt trat ich den Rückweg an. Eine Begrüßung  stellte ich mir wahrlich anders vor. Fritz stand bestimmt unter Morphium Einfluss, da hatte er keine Beziehung zur Realität. 

In der Kommende Nacht brachte man einen jungen Mann, der durch einen Motorradunfall ein Schädel-Hirntrauma erlitten hatte. Den mussten sie in das Gitterbett legen und fest verschließen. Durch einen starken Aufprall auf eine Mauer, trug er auch eine Hirnblutung davon. Gegen alle diese Verletzungen hatte man im Spital keine geeigneten Medikamente, um das zu bekämpfen. Das einzige Mittel war, im Käfig einschließen, so lange bis er stirbt. Und das wurden drei lange furchtbare tage. 
Er schrie und fluchte mit erhobener Stimme, als wollte er jeden von uns verdammen und vernichten. Mit den Händen rüttelte er heftig an dem Gitter, wir hatten doch Angst, dass er das Gewebe in Stücke reißen könnte. An schlafen war nicht zu denken. Auch mit hochgezogener Decke wurde man das Gebrülle und Geschrei nicht los. Das ging den ganzen kommenden Tag so, und noch zwei folgende Nächte und Tage. Bis sein junges starkes Herz langsam schlapp machte.
Dieses, mir schon bekannte heftige Schnarchen mit Atmungsaussetzern, die sich auf längere Zeit hin zog, läutete schließlich den Todeskampf ein. 
Endlich! Endlich war es still und wir konnten wieder schlafen.

© by F. J. Puschnik

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Kommentare zu diesem Text


 JohndeGraph (31.03.17)
Ein Text über den man lange nachdenken kann. Fesselnd geschrieben wie ich finde. Themen wie Tod, der Krieg, die eigene Verletzlichkeit und selbst Adolf Hitler sind hier fein verwoben worden. Diesen Text habe ich wirklich gerne gelesen, er wird mir noch viel Stoff zum Nachdenken geben. Liebe Grüße J.d.G.

 AZU20 meinte dazu am 02.04.17:
Geht mir ähnlich. LG
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