Verbrannte Heimat XXII - Zwischen Morgen und Abend, im Zug, Flughafen...

Short Story zum Thema Abendstimmung

von  pentz

Forscher Pharmazeutischer Forscher aus den USA

„Ich bin so etwas von müde.“ Mein Nachbar am Sitzplatz rührt mich. „Warum bist Du schlapp?“ „Ich habe die Nacht an der Theke einer Bar bis 4 Uhr in der Frühe verbracht, dann nicht schlafen können, weil meine Zimmernachbarin geschnarcht hat“, erzählte er, nachdem ich ihm nach der Uhrzeit („Do you have time?“ oder „Do U have Clock-Time?) gefragt hatte, weil, was ich ihm mitteilte, meine Handybatterie „runout“/ausgelaufen/ leer geworden ist und ich deshalb nervös war, rechtzeitig um spätestens 8 Uhr von selbst aufzuwachen. Allerdings wurde ich schon um 6 Uhr wach vor lauter Nervosität und Angst, den Flug verpassen zu können.
„Woher kommst Du?“ „Boston!“ „Ist das nicht in der Nähe des MIT?“ „Ja, darin arbeite ich.“ „Nobody ist perfect“, antwortete ich. Er lachte. Beruhigenderweise fügte ich noch, dass das MIT wohl die auf der Welt berühmteste und renommierteste Forschungsstätte auf der Welt sein dürfte.
„Ja, ich forsche im Bereich der Pharmazie.“ „Psychopharmaka?“ „Ja.“ „Meine Freundin nimmt auch solche Pillen, weil sie offiziell als Psychisch Kranke gilt.“ Er nickt. „Na, große Zukunftsaussichten haben Sie ja. In unserem Land, äh, in Europa steigt ständig die Anzahl staatlich anerkannter „mental handicaped people.“
Aber das schien ihn nicht zu interessieren. War ja naheliegend, dass etwas anderes jetzt seine Aufmerksamkeit in Anspruch nahm.
„Ich kann nicht verstehen, wieso die Leute jetzt schon anstehen!“, hatte er kopfschüttelnd gesagt und auf die lange Schlange vor dem Abflugstor gewiesen. „Sie können eh nicht früher losfliegen!“ Tatsächlich zog sich die Wartereihe ziemlich lange in die Halle hinein. „Aber in Amerika hat man weniger Freiheit. Dort ist alles in Zonen eingeteilt, so dass die Menschen weníger Bewegungsfreiheit und Chaos haben können. In Amerika ist es dort auf solchen Plätzen wie hier „taffer“., sagt er in seinem harten, schnell gesprochenen Akzent, ganz in schwarz gekleidet, mit schwer dunkler Brillenfassung, gelockten, kurzen schwarzen Haaren.
Wie sollte man das verstehen? In Amerika gab es auch überall Instruktionen hinsichtlich richtigem Verhalten, zum Beispiel auf befestigten Pinnwänden Handreichungen wie, wenn man an den Strand ging, man sich dort verhalten sollte, wie, wenn aufs Klo musste, dass und in welcher Art und Weise man sich danach die Hände zu waschen hatte undsoweiter. Als hätte der kulturelle Schmelztiegel der Menschheit die Individueen derartig verwirrt, dass sie nicht selbst mehr ihren gesunden Menschenverstand gebrauchen konnten, ohne von irgendjemanden angeleitet und die Pille verschrieben bekommen zu müssen.
Ich stand jetzt auf, um die Verkündigung der Gate-Nummer meines Abfluges auf dem kleinen Terminalbildschirm einige Schritte weit weg in Augenschein zu nehmen und als ich zurückkam, war er verschwunden in dem letzten Zipfel der Reihe seines Fluges via Rotterdam nach Boston.
Ich sah ihn, er sah mich, sah aber nicht her und ich, oder wir erkannten uns nicht, dachte: „Ja, Amerika ist tougher als Europa!“, weil ich eine Abschiedsgeste vermisste. Europäischer Weichling! – schimpfte ich mich.


Arabischer Bigamist

Ein dicker, unrasierter-graubärtiger, mächtiger Mann in blauem Arbeiterkittel und blauem Overall, vor sich einen prall gefüllten, blauen Sack voll leerer Flaschen, die er in den Pfandautomaten am Bahnhof stopfte. Ich hatte nur eine einzulösen, so dass ich ihn bat, zu unterbrechen und mich dazwischenzulassen. „Gerne.“ Ich löste schnell das Pfand ein, indem ich die gedruckte Quittung, die der Automat ausspie, entriss und wollte mich schon bedanken, als er sagte: „Deutschlehrer. Volkshochschule! Du mein Lehrer!“ Mir kam’s. Ein Schüler, der keinerlei Fortschritte gemacht hatte, dick und behäbig zwischen lernbegierigen, anderen Landsleuten nach Deutschland geschwappt worden war wie Strandgut und dort zwischen ihren Reihen gesessen war, breit grinsend, wie ein „Esel“, man vergebe mir, der mit seiner Dickleibigkeit eine dicke Aura von Schweiß um sich herumverbreitete und so gut wie null Lernfortschritte machte, immerhin gutmütig verkündete: „Ich habe zwei Frauen und insgesamt 12 Kinder in Syrien. Früher war ich ein LKW-Fahrer gewesen“, und ich ergänze: jetzt Aspirant der Bürgerschaft der BRD und Asylsuchender.
Er war danach in einem anderen Kurs übergestiegen und abgewandert, wie alle eben, hatte jedoch offenbar keine guten Deutschkenntnisse erworben.
Jetzt „lebte“ er und seine Familie von Pfandflaschen des reichen Westens, mit dem temporären Recht, einen Asylantrag stellen zu dürfen, bis zur Entscheidung er Unterhalt bekam, zwischenzeitlich Pfandflaschen sammeln und leben konnte vom Reichtum des Westen – ob man damit zwei Frauen und 12 Kinder ernähren kann?
(Polygamie war in diesem asylsuchendem Land verboten, sprich zwei Ehefrauen zu haben, nicht erlaubt.)


Begegnung mit einer Sächsin

„Wollen Sie mitfahren?“ „Mit dieser Karte?“ „Ja!“ „Wenn Sie funktioniert!?“
„Wie kann eine Karte funktionieren? Eigenartig“, sage ich spontan. Sie lacht. Ihr Blick: na ja, sie wissen schon, wie es gemeint ist, drückt aus, ich sei etwas komisch, weil alle Welt weiß, a) was damit gemeint ist und b) was nicht funktioniert, nichts taugt. Natürlich weiß ich es, obwohl mir dieser Ausdruck schon im Halse stecken bleibt.
In der Folgezeit geht mir das nicht aus dem Kopf.
Der Zug hat Verspätung. „Der Zug funktioniert nicht!“, sage ich und füge hinzu: „Bei einer Karte von funktionieren zu sprechen, hm!“ Ich bin ein Wortklauber, ein wortpenibler Mensch, ein Wort-Im- Mund-Herumdreher, ich kann nicht anders.
Sie sagt nichts, nicht, dass man das so sagen könnte. Denn wenn ein Zug zu spät kommt, kam man überhaupt von Funktionieren oder nicht sprechen?
Als ich aus ihrem Dialekt heraushöre, dass sie aus Ostdeutschland kommt, fällt mir nur ein Name ein, einer, der mir erst kürzlich das erste Mal begegnet war.
„Saskia – habe ich vorher noch nie gehört“, sage ich ihr.
„Ich schon. Ist doch häufig.“
Wieder dieser Widerstand, dieses immer Entgegenstehen, eigenartig.
„Nicht in Bayern!“ „Na gut.“
Na, immerhin ist sie zu Konzessionen fähig.
„Das heißt nach meinen Forschungen „Das Fräulein Sächsin“.„Wirklich, glaube ich nicht.“ Schon wieder diese Renitenz.
„Na gut, wie heißen Sie, wenn ich fragen darf?“ „Sag ich nicht, sorry.“ „Schade, hätte mich nun interessiert, da sie doch aus Sachsen sind. Aber doesn’t matter. Never mind!“, füge ich hinzu, bevor ich mich wieder dem Lesen zuneige. Ich denke bei mir, bisschen schüchtern, die Erzgebirglerin, die es nach Franken verschlagen hat, aber nötigen, nee oder sonst was, nee. Sie wirkt auch wirklich so, als kämpfe sie gegen die Entjungferung an, wenn sie mir ihren Vornamen mitteilte. „Sorry!“, also nee und dann noch mit Fremdwörtern um sich werfen wie Graf Kocks von der Gasanstalt, wie man doch so sagt im Osten.
Dabei liegt auf meiner Seite nur sprachwissenschaftliches Interesse.
Ich hätte es ihr gerne bewiesen und unerwartet komme ich dazu, ihr einen Einblick und Geschmack in mein sprachliches Repertoire zu liefern. Ich hoffe nur, dass es sie nicht allzu sehr verwirrt hat.
Sie steht auf und grüßt zum Abschied mit „Ade!“
“Echantement!“


© werner pentz

Möchtest Du einen Kommentar abgeben?
Diesen Text kommentieren

Kommentare zu diesem Text


 Dieter_Rotmund (21.06.17)
(Habe nur das erste Kapitel gelesen)
Unverständlich: "...war er verschwunden dem letzten Zipfel der Reihe seines Fluges via Rotterdam nach Boston."

Schreibweisen: Sowohl "taff" als auch "tough" sind erlaubt, Du solltest Dich aber für eine Schreibweise entscheiden. Anderenfalls wirkt es verwirrend und schlichtweg unprofessionell...

Und Adjektive schreibt man klein, so schwer ist das doch wirklich nicht!
(Kommentar korrigiert am 21.06.2017)

 pentz meinte dazu am 21.06.17:
so streng war noch kein lehrer zu mir.

bei dem satz, den du unverständlich erlebt hast, fehlte nur eine präposition.

was nicht alles erlaubt ist in der schule. aber, nein herr lehrer, ein professioneller schriftsteller möchte ich nicht werden, wie klingt denn das auch schon, wie vegetarisches hühnerfleisch in etwa

und was adjektive sind, habe ich bis heute noch nicht verstanden, weil, wenn, dann würde ich wissen, dass das wie-wörter sind, oder nicht, und wenn ich das chekce, weiß, ich auch, dass sie kleingeschrieben werden.

ich bin ein hoffnungsloser fall, herr lehrer, haben sie erbarmen und versuchen Sie doch auch mal die geschichten vom inhalt her zu verstehen, das könnte Sie vielleicht neuen ebenen zuführen, oder wie das heißt...

nix für ungut

 Dieter_Rotmund antwortete darauf am 21.06.17:
"bei dem satz, den du unverständlich erlebt hast, fehlte nur eine präposition."

Ja, mag ja sein, aber welche Präpostion an welcher Stelle? Wir Leser können ja nicht in Deinen Kopf reinschauen, damit wird die Stelle unverständlich!

Ansonsten: Kiopf hoch, pentz, nicht aufgeben!

 pentz schrieb daraufhin am 21.06.17:
2nicht aufgeben2,
danke herr lehrer,
denn da drückt sich hoffnung aus,
hoffentlich nicht nur pädagogisch inspirierte,
weil du dich dazu verpflichtet fühlst, herr lehrer
Möchtest Du einen Kommentar abgeben?
Diesen Text kommentieren
Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram