Gedenken an einen Freund

Erzählung zum Thema Kunst/ Künstler/ Kitsch

von  obar75

Wir saßen zuhause bei mir und zogen an dem Joint, der die Runde machte, heute war es nun eine Woche her, seit dem dieses Unglück passiert war und wir konnten uns immer noch nicht damit abfinden, das er nun nie mehr unter uns sein würde.
Er war immer derjenige, der sich beweisen wollte, der es geschafft hatte als erstes in unserem Dorf einen Zug zu sprühen und als erster aus unserem Dorf auch schon in größeren Städten war, um dort Bilder zu sprühen.
Aber nun war er nicht mehr unter uns und wir wollten sein geistiges Erbe hochhalten und ihn nicht einfach in die Versenkung der Namenlosigkeit geraten lassen. Er war immer hin ein guter Freund von uns und einer aus unserer Crew. Unsere Crew  war damals auf seine Ambitionen hin gegründet worden, wir nannten uns POS, was für Propheten origineller Sichtweisen stand. In diesem Namen spiegelte sich auch unsere Einstellung zu der ganzen Graffiti-Szene wieder.
Er war bei dem Versuch ein Bild in einem S-Bahntunnel zumalen von der S-Bahn erfasst und getötet worden, nur weil die S-Bahn 10 Minuten Verspätung hatte und er dieses aber nicht wusste. Heute wollten wir seiner Gedenken und einen Zugwaggon komplett auf einer Seite besprühen, so dass sein Name unübersehbar und als Huldigung für ihn durch unser Dorf und durch unsere Nachbarstädte fahren sollte.
Wir hatten schon alles geplant und uns etwa 20 Sprühdosen in den letzten Tagen besorgt. Wir hatten sie zum Teil im Baumarkt geklaut und zum Teil über einen Mailorder gekauft. Martin hatte den Style für die Buchstaben entworfen, es waren blockige aggressive Buchstaben, die den gesamten Waggon unter sich begraben sollten. In unseren Gedanken hatten wir die gesamte Aktion schon minutiös durchgeplant und waren uns ganz sicher, dass diese Nacht keiner von der Polizei in der Abstellanlage für die Züge sein würde.
Es war gerade 23 Uhr durch und wir rauchten noch einen Joint, um uns zu entspannen, für diese Aktion. Wir hatten noch nie in unserem Leben einen Zugwaggon besprüht und dieses sollte das erste Mal werden. So gegen Mitternacht kamen wir zu dem Entschluss, dass wir uns langsam und vorsichtig zu der Abstellanlage schleichen könnten. Nachdem wir eine halbe Stunde durch den tiefen Schnee zu der Abstellanlage gewatet waren, mussten wir mit erschrecken feststellen, das es dort nur von Polizei so wimmelte und das das gesamte Gelände hell erleuchtet war.
Wir dachten nur, dass das ein Alptraum ist und wir machten uns möglichst leise und unerkannt auf den Weg zu meiner Wohnung. Den Rest des Abends schwiegen wir alle und ich fing bald an, aufgrund von Erschöpfung, mich schlafen zulegen.
Als am nächsten Morgen Bernhard mit der Tageszeitung unseres Dorfes ankam, war plötzlich eine gewisse Aufregung im Raum. Auf der Titelseite der Zeitung stand in großen Lettern: „Graffitisprayer aus Berlin auf frischer Tat erwischt“. Weiter konnte man aus dem Artikel entnehmen, das die Polizei schon vermutet hatte, das einheimische Sprayer versuchen würden einen Zugwaggon in Gedenken an den tödlich verunglückten Sprayer Rabo zu besprühen und das die Sprayer aus Berlin eher ein Zufallsfang waren, der aber doch sehr willkommen war.
Nun wussten wir, was in der Nacht passiert war und konnten und uns dementsprechend darauf einstellen, das die Polizei weiterhin auf uns warten würde. Wir sagten alle Vorbereitungen ab und konzentrierten uns auf andere Dinge im Leben.
Aber unseren Zugwaggon haben wir dann doch noch gemalt und zwar fast ein Jahr später, am Todestag von unserem Freund. Ha!


Anmerkung von obar75:

Ich denke mir, das dieser Text schon genug für sich selber spricht. Betreff der Todesursache des Sprayers Rabo nehme ich bezug auf meinen Text   Reise mit tödlicher Folge.

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Kommentare zu diesem Text

Dark_Soul (27)
(19.02.05)
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 obar75 meinte dazu am 09.08.05:
ja, ich weiss wovon ich schreibe, ich kenne es, das gefühl, wenn man sprühen geht. sprühen ist eine aktion, besonders wenn man illegal losgeht, die militärisch durchgeplant werdenm uss, man versucht mittels der planung das risiko zu verringern.
LG obar75

 obar75 antwortete darauf am 09.08.05:
ja, ich weiss wovon ich schreibe, ich kenne es, das gefühl, wenn man sprühen geht. sprühen ist eine aktion, besonders wenn man illegal losgeht, die militärisch durchgeplant werdenm uss, man versucht mittels der planung das risiko zu verringern.
LG obar75

 obar75 schrieb daraufhin am 09.08.05:
ja, ich weiss wovon ich schreibe, ich kenne es, das gefühl, wenn man sprühen geht. sprühen ist eine aktion, besonders wenn man illegal losgeht, die militärisch durchgeplant werdenm uss, man versucht mittels der planung das risiko zu verringern.
LG obar75
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