Leben in schwarzweiß

Erlebnisgedicht zum Thema Alter

von  Füllertintentanz

Dein Gestern lacht aus allen Ecken,
Erinnerungen stauben ein.
Der Vorhang zeichnet Schattenflecken,
er spielt im Sonnenlicht Verstecken,
sein dichter Stoff frisst jeden Schein,
verdunkelt wirkt was groß ist klein.


Dein Tag serviert sich hinter Scheiben
aus schallgeschütztem Fensterglas.
Dich stört des Lebens lautes Treiben,
was fremd ist muss schön draußen bleiben.
Wo früher deine Neugier saß
nimmt jetzt dein Blutdruck für dich Maß.


Du ordnest Pillen und Tabletten,
was deine Zeit zusammen hält.
Gewohnheit lässt dich Altes fetten,
doch Schränke gleichen Lagerstätten,
denn alles wird dort ausgestellt,
am Haustürschloss verebbt die Welt.


Der Gang zum Arzt gleicht einer Reise,
er ist des Lebens schmales Tor.
Es öffnen kurz sich neue Kreise,
doch Stimmen reden dir zu leise,
statt Hörkraft liegt dir Stolz im Ohr,
er sperrt dich aus, macht dir was vor.


Du zwängst dich tief in Normschablonen,
denn jeder Schritt ist einstudiert.
Die Tage sind sich selbst am Klonen,
das Fernsehbild die Hauptpersonen,
dein Muster hat dich programmiert
und so die Trägheit dupliziert.


Du scheinst dein Heute zu Vergessen,
wie Fotos lebst du nur schwarzweiß.
Dein Lieblingsstuhl ist durchgesessen,
dein Höhepunkt das Mittagessen,
bedauerst dich mit großem Fleiß
und zirkelst selbst der Leere Kreis.

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Kommentare zu diesem Text

zackenbarsch† (74)
(21.10.05)
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 Füllertintentanz meinte dazu am 22.10.05:
Lieber Friedhelm,
es ist absolut schön zu wissen, dass das Alter nicht immer so sein muss. Nur habe ich es schon zu oft genau so erlebt.
Alles läuft jeden Tag gleich ab. Das Essen wird mit punktgenau mit Glockenschlag serviert und einziges Thema waren Blutdruck und Cholesterin. Jede Abweichung von diesen Tagesritualen waren immer echte Probleme. Am Schlimmsten die wahnsinnige Lautstärke, in der sich unterhalten werden musste. Doch es lag nie an der Hörkraft... Wir haben alle halt immer nur zu leise gesprochen. Wer zu lange oder intensiv dieses Thema besprechen wollte, wurde mit ewig langem Anschweigen bestraft...
Jedenfalls empfand ich diese Stunden als unheimlich anstrengend.
Ich hoffe wirklich sehr, später nicht auch irgendwann mal, genau diese Verhaltensmuster zu besitzen...

Ganz liebe Grüße, Sandra
Nunny (73)
(21.10.05)
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 Füllertintentanz antwortete darauf am 22.10.05:
Liebe Gisela,

ich wollte mit diesem Text wirklich niemanden auf die Füße treten, auch nicht eine ganze Generation über einen Kamm scheren. Er beschreibt lediglich meinen ganz persönlichen Eindruck einer ganz bestimmten Person.
Man kann dieses Verhalten eh nicht an einer Altersgrenze fest machen. Es gibt Menschen, die sind zum Glück nie so... Dann gibt es jedoch auch welche, die sind schon mit 60 so in ihrer eigenen Welt gefangen, dass ihnen jeglicher Blick für Schönes verloren gegangen ist.
Oft ist es sogar so, dass die Menschen, die eigentlich kerngesund sind, am Häufigsten über ihre Probleme klagen, dieses Phänomen ist auch in meiner Generation zu beobachten.
Ich wollte hier wirklich keine Grundsätzlichkeit zum Ausdruck bringen. Da ich den Text nicht als Regel sehe habe ich auch keine Ausnahmen beschrieben. Es bleibt die schlichte Beschreibung eines einzelnen Menschens.

Viele herzliche Grüße, Sandra
Gini (57)
(22.10.05)
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