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Gedicht zum Thema Sex/ Sexualität

von  Lars

Als kleiner Bub von etwa zehn,
da hab ichs wohl schon kommen sehn,
dass mein Geschmöker dann und wann,
im Katalog von „Neckermann“,
nicht immer galt in jenen Jahren
der Ansicht toter Konsumwaren.

Da gabs auch Menschen, was nicht fremd,
in Jacke, Hose, Bluse, Hemd.
Doch ich als infantiler Hüpfer
stand nur auf die im knappen Schlüpfer;
und dann auch noch, oh Herr im Himmel,
auf die mit Knackarsch, Sack und Pimmel.

Nun ja, man weiß, ist man noch klein,
kann Neugier sehr gefährlich sein.
Doch nutze ich in jenen Tagen
die Bilder nicht als Wichsvorlagen.
Ich schaute nur und war gespannt,
was sich in meinem Kern befand.

Doch das machte mir angst und bange
im Griff der homophoben Zange,
der Werte, Regeln und der Normen,
der vorgestanzten Menschenformen,
der Vorurteile, der Klischees
erstickte ich am Grund des Sees.

Obwohl ich schwamm, verzweifelt fluchte
und nach der Oberfläche suchte,
wurd ich ins Wasser wie verrückt
von fremder Hand hineingedrückt.
Kroch ich an Land, dann roch man Lunte:
„Da kommt die Schwuchtel, Tucke, Tunte!“

Wie unermesslich kreativ
man mir als das entgegenrief.
Doch was kann man denn schon erwarten
von abgewrackten Soziopathen?
Ihr aasvertilgendes Getier,
ich bin jetzt da! Und wo seid ihr?

Ich werds euch sagen, ihr Schmarotzer,
ihr stumpfsinnigen Fernsehglotzer.
Ihr haust im Dickicht eines Parks.
Ich bin der Nagel eures Sargs.
Ich bin das Salz in eurer Suppe,
der Dorn in eurer Fingerkuppe.

Okay, bin etwas abgeschweift.
Doch nur, damit man es begreift,
wie andre mich vom Weg abdrängten
und mich in Stereotypen zwängten,
und was sich in der Pubertät
dadurch für eine Wut entlädt.

Ich beugte mich der Konvention.
Doch erntete nur weitren Hohn,
denn letztlich konnt ich vor den Schergen
mein wahres Wesen nicht verbergen.
Und trotzdem muss ich eingestehn,
die Zeit mit dir war schön, Kathleen.

Doch jetzt mit Marco bin ich ich,
da Liebe meiner Angst entwich.
Und ich führ nun dank Katalogen
mein Leben unterm Regenbogen.

Komm Mama, nimm dir einen Stuhl,
dein Sohnemann ist nämlich schwul.


Anmerkung von Lars:

. . . aus meinem Buch "Papiersoldaten".

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Kommentare zu diesem Text

LiebeElfe (24)
(05.03.06)
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 AndreasG (05.03.06)
Hallo Lars.
Anfangs dachte ich noch, dass sich da doch ein paar holprige Stellen eingeschlichen hätten, doch es muss natürlich entsprechend betont gelesen werden, damit es passt. Auch bei der Länge haderte ich ein wenig, denn, verbildet durch zu häufige Kurzlyrik, erschien mir die eine oder andere Strophe unnötig. - Aber auch hier ziehe ich meinen ersten Eindruck zurück (jedoch ohne ihn gänzlich zu verneinen: etwas Kürzen könnte dem Gedicht schon gut tun. - Aber es ist für mich nicht zwingend notwendig).
Jetzt zum lobenden Teil: sehr rhythmisch und mit interessanten Reimen versehen. Inhaltlich gut aufgebaut und mit einem in sich geschlossenen Ende versehen. Mit Sicherheit ein klasse Vorlesegedicht, dass bei den Zuhörern ankommt und auch das Gehirn anregt.
Mehr fällt mir gerade nicht ein ...
Liebe Grüße, Andreas

 BrigitteG meinte dazu am 05.03.06:
Du bist doof, Andreas. Das musst Du gestern Nacht mit einem breiten Grinsen auf den Lippen hier reingetippt haben... Mach Dir nix draus, Lars, er ist ansonsten zu einem großen Teil seiner Persönlichkeit recht normal *gggggg* (obwohl bei Darklord, da könnte er vielleicht ... ach lassen wir das *g*).

 BrigitteG (05.03.06)
Hallo Lars. Da habe ich mich gefreut, dass Du Du Dich aus Deinem Winterschlaf mal wieder herausgräbst und was veröffentlichst - und dann ist es gleich Dein outing. Na in diesem Fall erübrigt sich ja wohl die Frage, ob Lyrisches Ich und Autor unterschiedliche Personen sind, denke ich *g*. Wie immer auch diesmal sehr gut zu lesen, flüssig und locker. Es mag natürlich sein, dass jetzt ein paar Leserinnen denken "Ach wie schade", aber das könnte sich ausgleichen durch ein paar "Mmhh-Gedanken" bei den Herren. Gut, dass Du es geschrieben hast. Liebe Grüße, Brigitte.
stef (27)
(05.03.06)
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urbinia (49)
(05.03.06)
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Lebenslust (63)
(06.03.06)
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Bleedingheart (26)
(24.03.06)
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Lisa J. (36)
(31.03.06)
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Chromoxid (40)
(09.11.06)
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 DariusTech (14.01.08)
Der Titel hat was, man kommt nicht gleich drauf, weil es sich auch so aussprechen lässt, man muss erst stutzen, und wenn man dann genau hinschaut ist es doch klar. Das was folgt gefällt mir auch, die "emotionalen Ausbrüche" sind verständlich,... finde ich. Das gehört auch dazu. Dabei bleibt es trotzdem unterhaltsam satirisch.
lg Darius
Misanthrop (31)
(29.12.08)
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 Emotionsbündel (02.01.09)
Hi Lars,
ein bewegender und nachdenklich stimmender Text, amüsant geschrieben, von mir gern gelesen.
Dein abschließender Satz
Komm Mama, nimm dir einen Stuhl,
dein Sohnemann ist nämlich schwul.
ist endlich die Bestätigung einer Ahnung und bringt genau die Haltung und Einstellung zum Ausdruck, die erschreckenderweise noch von vielen Menschen und meist sogar von den eigenen Eltern vertreten wird:
schwul......wie kann das bloß sein, das hat er aber nicht von uns....es wird als Makel angesehen, als Entgleisung, als unnormal und nicht gesellschaftsfähig......

Wie kann man nur so verknöchert denken und urteilen? Homosexualität ist sicher etwas, das man sich weder aussucht noch zu dem "jemand etwas kann", sondern das einfach so da ist. Du hast den Prozess dieser Wahrnehmung wunderschön beschrieben, das anfängliche Interesse am Männlichen, das gespannte in-sich-schauen, die ernsthafte Suche nach dem eigentlichen Kern....und dann die Angst vor dem Umgang mit diesen Gefühlen, vor der Gesellschaft mit ihren Werten und Normen und ihren Klischees. Dann die verständliche Wut.
Mit Sicherheit ist es ein steiniger Weg innerer Kämpfe, den man bis zum Outing begeht, der Stärke, Mut und Selbstbewusstsein erfordert.
Ich bewundere all diejenigen, die zu sich selbst stehen, sich so annehmen, wie sie nun mal sind (zumindest in diesem Bereich*) und die es geschafft haben, glücklich zu sein.

*in anderen Bereichen, z.B. was die Körperfülle anbelangt (nur ein Beispiel von zig anderen), ist es zwar auch wichtig, sich "anzunehmen" und Selbstbewusst zu sein, man hat aber dennoch die Möglichkeit, irgendwann auch mal Einsicht zu zeigen oder einfach nur Lust zur Veränderung.

Oh je, jetzt habe ich meinen Gedanken mal wieder Ausgang genehmigt, hoffe es ist nicht allzu langweilig
Herzliche Grüße, Emotionsbündel

 Cassandra (20.06.10)
*Daumenhochicon* und das dreifach...

Herrlich geschrieben.

Liebe Grüße
Cassandra
Menschenkind (27)
(06.07.11)
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