Sorajas Traum

Geschichte zum Thema Abenteuer

von  Aguaraha


Soraja öffnete langsam ihre Augen, und sie sah direkt in das Gesicht einer jungen Frau. Diese Gesichtszüge schienen ihr irgendwie vertraut, fast familiär, und tatsächlich meinte sie Ähnlichkeiten zu erkennen. Soraja lächelte der Frau zu, sie wunderte sich, in welchem Maße sie sich freute, dieses Gesicht zu sehen. Eine angenehme Wärme breitete sich in Sorajas Herz aus, als sie sah, wie sehr diese Frau ihre einfache, reine Freude erwiderte. Die Augen der Frau glänzten, sie schimmerten etwas feucht, und sie sprach jetzt leise zu ihr. Soraja hörte mit großem Erstaunen und aufmerksam zu, verstand aber kein Wort. Doch diese Stimme, ihr Ton, beruhigten sie. Und sie wusste, genau das wollte die Frau auch. Sie strahlten beide. Da nahm die Frau Soraja auf den Arm und legte sie an ihre Brust. Sie konnte jetzt den Herzschlag der Frau hören. Sie meinte, dieses schlagen schon oft gehört zu haben, denn er klang so bekannt, so vertraut. Ein großes Glücksgefühl erfüllte Soraja, denn es war so schön, diese Art von Wärme, diese Nähe zu einem Menschen zu spüren. Sie wollte etwas sagen, doch die Zunge war ungeübt und sie sprach nur Unverständliches. Sie versuchte auch, die Frau dabei zu berühren, sie zu streicheln, doch sie stellte sich unbeholfen an. Es kam ihr alles sehr merkwürdig vor. Da nahm die Frau Sorajas kleine Hand in die ihre und liebkoste sie. Eine neue Welle des Glücks durchflutete ihre Seele. Ich, ... ich liebe sie!, dachte Soraja, Und sie, sie liebt mich auch!
Da war plötzlich ein hoher Ton zu hören, es war wie ein lautes Pfeifen weit in der Ferne, vielleicht ein Laut, getragen vom Wind. Die Frau schaute sich um, drückte Soraja noch mal, und legte sie dann zurück in ein ... ein Loch? Soraja protestierte.
»Ssssss...«, war leise von der Frau zu hören, der Zeigefinger lag dabei an ihren Lippen, »Ssssss...« sie lächelte, doch Soraja glaubte, in ihren Augen so etwas wie Angst zu sehen.
Ein Deckel klappte zu, und völlige Dunkelheit umgab sie jetzt. Sie suchte nach Ihrem Daumen und lutschte ungeduldig an ihm. Ich, ... ich bin noch ein ‘Säugling’!, kam es Soraja in den Sinn. Aber wo ist sie? Wo geht sie hin? Sie soll mich nicht allein lassen. Ich will nicht, dass sie geht! Dennoch war sie still und rief nicht der Frau nach, denn sie ahnte instinktiv die Gefahr der Lage. Sie glaubte so etwas wie Angst in der Luft zu zu spüren. Sie wälzte sich, sie wehrte sich vergeblich dagegen einfach hilflos zu sein.

Da wachte Soraja endlich auf. Sie konnte ein leises weinen nicht unterdrücken.
War sie meine Mutter? Mit dieser Frage quälte sie sich nun. Sie konnte sich noch nie an ihre frühe Kindheit erinnern, und Malaranka sagte immer, sie habe keine Mutter. Hatte Malaranka vielleicht gelogen? Warum nur hatte sie diesen seltsamen Traum? Seit zwei Tagen waren sie beide hier in diesem kargen Wald, in der Nähe zu einem merkwürdigen Platz, wo Soraja zu einer Art Hexe werden sollte, und seit dem hatte Soraja diesen seltsamen Traum. Warum bin ich nur aufgewacht?, dachte Soraja verbittert, doch im Bewusstsein, dass ihre eigene Angst sie jedes mal hinderte weiter zu träumen und vielleicht endlich das düstere Geheimnis zu lüften.
»Ahem!« Malaranka hüstelte ungeduldig.
Soraja musste jetzt aufstehen. Schnell wischte sie ihre Tränen fort; sie hatte schon seit Jahren gelernt, immer nur ganz leise zu weinen. Soraja beeilte sich so gut sie konnte, denn Malaranka war nicht gut auf Faulpelze zu sprechen, schon gar nicht, wenn sie auch noch Hunger hatte. Und der Ton ihres aufdringlichen Hüstelns sagte genau das aus. Ein Wunder, dass die noch nicht nach mir pfeift, stellte Soraja fest. Da erkannte sie den Laut, dass ihr schöner Traum wendete uns so böse enden lies. Es war das ihr bekannte Pfeifen der alten Hexe, die sie so immer zu rufen pflegte, als ob sie ein Hund wäre.
Malaranka hatte nur noch spärlich dicke graue Haare und die Haut war überall voller Flecken. Sie hatte einen runden Bauch, kleine hängenden Brüste und dünne Glieder. Aber Soraja wusste genau wie schnell und gelenkig diese Alte Frau noch sein konnte und fürchtete sie sehr.
Soraja bereitete eilig das Frühstück vor, machte Feuer, und ging Malaranka, soweit das möglich war, aus dem Weg. Sie aßen anschließend schweigend. Und Soraja war froh, dass sie nicht zu einem Gespräch aufgefordert wurde.

Sorajas Laune besserte sich allmählich. Dazu trug auch das Licht des neuen Tages bei. Sie schaute in die Gegend, zu den Bäumen. Sie verfolgte den Lichtschein der Sonne, der durch die Blätter kam. Irgend etwas stimmte nicht. Wie seltsam, dachte sie. Was war es nur, war doch alles wie gewohnt, wie immer, ... wie gestern Abend!, stellte sie fest. Es war nicht eine Sonne beim Aufgehen, sondern eine Sonne beim Untergehen. Nun war es später Nachmittag. Wie konnte ich nur so lange schlafen, fragte sie sich. Außer, sie war etwas verstört. Es gab aber für Soraja keine andere Erklärung, Malaranka hat an mir einen Schlafzauber angewandt! Sie konnte es kaum fassen. Die alte Kröte! Ich hab den ganzen Tag geschlafen, während die Alte wahrscheinlich weg war. Aber warum nur? Sie war verwirrt.
Hab ich vielleicht deshalb solche Träume? Dachte Soraja dann. Sie war auch träge und benommen, das Denken fiel ihr schwer. Sie kam immer mehr zu der Überzeugung, wirklich Opfer eines Schlafzaubers geworden zu sein. Warum? Sie versuchte, sich einen Grund vorzustellen, sie fand einige. Das ärgerte sie, Die macht das nicht noch einmal! – Soraja lehnte sich immer nur in Gedanken gegen ihre Meisterin auf.
Welchen Zauber hat sie benutzt? Soraja versuchte, genauer nachzudenken. Sie schaute dabei zu Malaranka hinüber. Diese beugte sich über ihr Essen, die dünne Nasenspitze stach fast in die gebratenen Eier mit Bohnen hinein und die kleinen Augen verdrehten sich ein wenig bei jedem Bissen. Malaranka aß noch immer mit großem Appetit. Soraja glaubte dies könne nur daran liegen, dass die alte Hexe nicht nur den ganzen Tag, sondern wahrscheinlich auch die ganze Nacht weg gewesen war.
»Hol Wasser!« fauchte Malaranka plötzlich. Sie freute sich sichtlich, als sie sah, wie Soraja zusammen zuckte vor Schreck. Malaranka ließ sich nicht gerne beobachten.

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Kommentare zu diesem Text


 mondenkind (12.04.06)
ich wollt es eben schon kommentieren, auf einmal war der text wieder weg... ;)
ich finde den anfang sehr gelungen... ein interessantes thema und die stimmung macht lust auf mehr... lg, nici
Funkelperlenaugen (52) meinte dazu am 25.01.11:
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