irrland

Parabel zum Thema Eigene Welt

von  redangel

es war einmal ein kleines mädchen, das nicht an märchen glaubte. aber sie kannte genug riesen. sie war umgeben von riesen, die sie von oben herab anstarrten, wie ein seltenes insekt. manchmal kam es ihr so vor, als würde sie unter einem vergrößerungsglas beobachtet, mit kritischem blick, sodaß jede kleine einzelheit von ihr noch deutlicher hervortrat.ihr anderssein, ihre fehler ihre immer schmutzigen hände und fingernägel. dann wurde sie unsicher, verkroch sich, wenn es ging im garten. unter den großen holunderbusch, er war schon lange ihr versteck. sie hatte sich eine kleine mulde gegraben. dort lag sie dann. holunderbüsche rochen eigentümlich, wenn sie blühten. das kleine mädchen fand, sie rochen traurig. ihr ganzes leben lang würde das wort holunder bei ihr den traurigen geruch hervorrufen, sie traurig machen. die riesen fanden das kleine, seltsame mädchen irgendwie witzig. sie war nicht wie andere. manchmal redeten die riesen mit ihr und nannten sie altklug. dabei war sie noch so jung und klug fand sie sich auch nicht besonders. sie sagte komische dinge total ernsthaft. sie meinte es auch so. die hat vielleicht eine phantasie, sagten die riesen zueinander und lachten. das mädchen hatte keine angst vor ihnen. auch wenn sie so viel größer und stärker waren, sie hatte keine riesenangst. einmal, als die riesen ein fest feierten und aus großen gläsern viel tranken, durfte das kleine mädchen länger als sonst aufbleiben. die riesen lachten ihr riesenlachen und redeten laut durcheinander. das kleine mädchen verstand nicht, warum sie so ausgelassen waren,ausgelassene riesen hatten etwas wildes an sich. sie wäre lieber in den garten gegangen um nachts durch den holunderbusch in die sterne zu schauen. aber einer der riesen bemerkte, wie sie zur tür ging und fing sie ab.er hob sie hoch und sagte: ja, wen haben wir denn da?
dann stellte er sie in die mitte einer riesenversammlung, die aufhörten zu reden und sie ansahen. der riese der sie gefangen hatte sagte: na, kleine hexe, was würdest du denn machen, wenn du soviel geld hättest, daß du es dein ganzes leben lang nicht verbrauchen könntest?
das kleine mädchen hatte schon gehört, dass man arbeiten mußte, wenn man groß genug gewachsen, also erwachsen war. offenbar war das arbeiten sehr anstrengend, denn alle die es taten waren müde und konnten nicht mehr spielen. also sagte sie, ich würde nie arbeiten. dann wurde sie nachdenklich, grübelte und zwirbelte eine locke. dabei fiel es ihr wieder ein. das, was sie vor sich hinträumte, wenn andere sie auslachten oder hänselten. dann träumte sie sich fort auf ihre insel. ich würde mir eine insel kaufen, mitten im meer, sagte sie schnell. mit grünen hügeln, mit bergen und tälern, kleinen häusern mit bunten fensterläden. dann würde ich mir menschen kaufen. die riesen waren einen augenblick still, dann fingen sie an zu lachen. menschen kann man sich nicht kaufen, das ist verboten, sagten sie.
in meiner geschichte nicht, sagte das kleine mädchen. ich würde sie ja nicht kaufen, damit sie mir gehören. ich würde sie kaufen, weil ich sie um mich haben möchte.
nur die seltsamen würde ich nehmen, solche wie mich. keine artigen sondern andersartige.
die artigen wurden dem kleinen mädchen nämlich immer vorgehalten, als vorbild hingestellt. wenn sie laut war, lachte wenn kein anderer lachte, sang, wenn kein anderer sang. am schlimmsten war es dann, wenn sie wütend wurde und ihr alles egal war, was um sie passierte. wenn sie mit den füßen aufstampfte und schrie, dann wurde sie in den keller gesperrt. ganz allein in die dunkenheit. dort, wo die kartoffeln hinter gitter lagen. das kleine mädchen würde immer wissen, wie keller roch. etwas modrig, dunkel, beängstigend und nach keimenden kartoffeln.
deshalb konnte sie die normalen nicht ausstehen, weil die sie in den keller brachten. sie schaffte es selten völlig normal zu sein. du bist ja verrückt, du kommst erst wieder heraus, wenn du wieder normal bist, so sagten sie zu ihr, wenn sie im keller saß. sie saß oft dort unten aber sie weinte nicht. weinen hatte keinen sinn in der dunkelheit, es machte noch mehr angst. die häuser auf meiner insel haben keine keller, sagte sie. aber keiner der riesen verstand, warum. meine menschen sind wild, rothaarig, ehrlich. sie singen laut und sie lachen oft. wenn sie weiße haut haben, stört es keinen. manche haben schwarze haare, sie dürfen sich schmutzigmachen, soviel sie wollen. sommersprossen sind normal auf meiner insel. wenn einer einmal verrückt sein will, dann darf er das. jeder kann verrückt spielen, soviel er will. meine menschen lassen sich nicht einsperren. sie spucken in den wind und fluchen dürfen sie auch. meine insel wird die insel der verrückten heißen.
irrland, sagte das kleine mädchen. sie verstand nicht, warum die riesen alle zu lachen begannen, deshalb begann sie damit das gegenteil zu tun und zu weinen. soviel sie sich auch wehrte, eine riesin packte sie und steckte sie einfach ins bett.
dort weinte sie solange, bis sie in irrland angekommen war.

(c) redangel

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Kommentare zu diesem Text

stephchaos (27)
(18.02.07)
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Graeculus (69)
(14.01.18)
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