Wenn es Nacht wird

Kurzgeschichte zum Thema Gewalt

von  AlmaMarieSchneider

Nachts, wenn er nicht schlafen kann hört er sie besonders deutlich, die Gespräche der Dunkelheit. Da ist dieses Zirpen, Knistern und Rascheln.
Angespannt lauscht er auf das dumpfe Plumpsen, wenn das Obst von den Bäumen fällt.
Er ist gewiss nicht auf Rosen gebettet, doch wie immer er sich auch bemüht, eine Arbeit gibt es nicht für ihn.
Dabei hat er studiert und ist in seinem Fach eine Kapazität. Sobald sein Alter zur Sprache kommt, bemerkt er, wie die Gespräche verstummen und das Interesse an ihm erlischt.

Stundenlang grübelt er über das Land nach in dem man Menschen, die kein Geld besitzen, einfach das Trinkwasser abstellen kann oder sie der Kälte aussetzt.
Schon lange schützt der Staat nicht mehr das Grundrecht seiner Bürger auf Leben. Er schützt den Reichtum und vergräbt seine Finger in den Taschen derjenigen, die noch etwas haben.

Aber was soll mit den Unseligen geschehen, die nichts mehr haben, fragt er sich. Als ehemaliger Bankangestellter kennt er die Rechnung. Was und wer keinen Profit erwirtschaftet wird abgestoßen. Ausgemustert!
Natürlich dachte man sich Erhaltungsprogramme aus. Da gibt es Ein-Euro-Jobs. Die Gesellschaft zahlt , der Reiche profitiert. Der Sklave geht leer aus.
Die düsteren Gedanken legen sich wie unsichtbare Hände um seinen Hals. Jede Nacht kommen sie wieder und wieder. Knebeln und würgen ihn, bis er schweißnass hochfährt . „Keiner sieht dich, wenn sie dich umbringen oder bemerkt es, wenn sie dir das Wasser nehmen“, flüstert die Dunkelheit in seine Ohren.

Vor sechs Wochen beschloss er sich zu verstecken und zu wehren. Von nun an war er ein Kämpfer an der Front und auf der Flucht.
Er kaufte Bücher, er bastelte emsig und lieferte unzählige Päckchen aus.
Als die ersten Sprengsätze hochgingen, waren alle Zeitungen voll davon. Natürlich waren auch alle Fernsehsender  mit großen Diskussionsrunden involviert. Das Geschäft mit der Vermutung und Verurteilung blühte.
Dann war wieder schnell alles vergessen. Neue Sensationen erregten die Gemüter.

Resigniert  hackt er tagsüber sein Holz für den Winter.  Die kleine Laube ist nicht isoliert und bei strengem Frost kaum warm zu bekommen.  Nachts spürt er diese Hände am Hals. Spürt, wie sie ihm unerbittlich die Luft abschnüren. Er muss sie absprengen mit lautem Knall. Morgen wird er wieder Material besorgen.

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Kommentare zu diesem Text

seelenliebe (52)
(31.05.06)
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 AlmaMarieSchneider meinte dazu am 31.05.06:
Liebe Anne,

freue mich über Deinen Kommentar und die Empfehlung. Mit der Angst könnte es mir ähnlich ergehen wie Dir und war vielleicht der Auslöser für diese Kurzgeschichte.

Liebe Grüße
Alma Marie

 AZU20 (31.05.06)
Liebe AlmaMarie, natürlich hast du Recht mit der Analyse unserer Gesellschaft. Die Politik versagt schon lange auf der ganzen Linie. Hoffentlich werden deine Visionen nicht Wirklichkeit und irgendwem fällt noch eine Lösung ein, bevor es zu spät ist. LG Armin

 AlmaMarieSchneider antwortete darauf am 31.05.06:
Danke für Deinen Kommentar Armin. In gewisser Weise befinden wir uns in der Wirklichkeit. Das macht mir schon Angst.

Liebe Grüße
Alma Marie
Sam_Hofacher (25)
(31.05.06)
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 AlmaMarieSchneider schrieb daraufhin am 31.05.06:
Hallo Sam,

danke für Deine wirklich guten Vorschläge. Ich versuche sie mal umzusetzen (zumindest soweit ich sie verstanden habe) und den neuen Text als Version II unter Version I zu setzen.
Hoffe dann wieder auf Dein wachsames Auge.

Liebe Grüße
Alma Marie
zackenbarsch† (74)
(01.06.06)
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 AlmaMarieSchneider äußerte darauf am 11.06.06:
Danke Friedhelm. Ich glaube auch Version II ist etwas stärker.

Liebe Grüße
Alma Marie
Whiskyfischkop (69)
(11.06.06)
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 AlmaMarieSchneider ergänzte dazu am 11.06.06:
Danke Whiskyfischkop.

Sei herzlich gegrüßt
Alma Marie
zackenbarsch† (74)
(05.10.06)
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 souldeep (14.10.06)
ja, liebe alma, diese geschichte hab ich nun schon ein paar mal gelesen - und bezeichnend für unsere gesellschaft...habe ich jedesmal keine spur hinterlassen...
die präsens tut ihm gut, dem text - und ich finde, es kommt gut rüber, der ganz normale wahnsinn...wenn angst und sinnlosigkeit regieren...!
die flüsternde nacht finde ich unheimlich gut...

:) herzlichst,
kirsten

 AlmaMarieSchneider meinte dazu am 14.10.06:
Danke Kirsten, besonders auch für Deine Bestätigung hinsichtlich präsens. Natürlich freue ich mich auch über Deine Empfehlung.

Ein sonniges Wochenende und liebe Grüße

Alma Marie

 modernwoman (15.11.06)
dieser text ist sehr gut geschrieben, aber ich will hier nicht über schreiberische qualitäten reden. der inhalt ist wichtig!
das schlimme daran - es geschieht in ähnlicher form jeden tag. natürlich bastelt nicht jeden tag irgendwo jemand bomben - oder doch? - vielleicht in seinem kopf und irgendwann werden sie real.

wir sind eine gesellschaft der ausgemusterten und schon fast zweigeteilten - nach amerikanischem muster. akademiker... frrüher undenkbar, heute weitgehend real und keine besonderheit, dass sie ebenso wie hilfsarbeiter auf den gängen des arbeitsamtes sitzen.

ausgemustert...

und so werden diese menschen behandelt. ich sah vor einigen monaten eine sendung bei meiner feundin im fernsehen. es ging um einen akademiker, der eine ganze schule umgestaltet hatte, der neue projekte angeleiert hatte - alles mit einem ein-euro-job. aber wurde er eingestellt, obwohl die stelle nötig gewesen wäre? bildung sollte unserem staat doch am herzen liegen und menschen, die sich dieser verschrieben haben - im interview entschuldigte sich der schuldirektor indirekt vor der kamera und sagte nur, er verstehe das dilemma, aber das sei eben billig (!!!)

ausgemuster - ausgenutzt und verbittert...

tjaaa - wer würde da nicht - wie in deiner kl3einen geschichte beschrieben - auf solche gedanken kommen..

gern gelesen

conny

 AlmaMarieSchneider meinte dazu am 15.11.06:
Danke Conny, auch für Deine Empfehlung. Daß noch mehr Bomben real werden könnten, davor habe ich schon Angst.

Liebe Grüße
Alma Marie

 Cassandra (09.12.06)
diese Kurzgeschichte läßt vermuten, dass dieser Mensch wirklich Realität ist - sprich, dass du ihn kennst. Falls dies nicht der Fall ist, hast du eine sehr gute Menschenkenntnis und ein wahnsinniges Einfühlungsvermögen...

Liebe Grüße

Ute
Jugga (20)
(15.04.07)
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