Magere Zeiten

Gedicht zum Thema Körper

von  Martina

Traurigkeit und Schmerz
an deinem Körper zehren
fressen sich durch sein Gewebe
gierig und nimmersatt
du bist nicht fähig dich zu wehren

Du willst entgegensteuern
aber ein Kloß von Machtlosigkeit
versperrt der Nahrung den Weg
Und innen frisst es und frisst
sich von dir zu nähren es nie vergißt

Du spürst dein Herz stärker als sonst pochen
durch deine mageren Knochen
fast als wollte ein Signal es geben
und schreien um sein bischen Leben

Du kannst es hören aber nicht gehen
hast kaum Kraft um auf deinen Beinen zu stehen
Du fühlst dich leicht es ist fast wie schweben
nur fällt es dir täglich schwerer
sich aus dem Bett zu erheben

Der Kreislauf sinkt tief und du in die Knie
das Leben geht weiter du fragst dich nur wie
und vor allem wie lang
die Augen deiner Lieben
blicken schon bang

49 kg Fleisch mit Resignation getränkt
rohe Konsistenz die am Leben nicht hängt
bedacht das Wachsen zu vermeiden
49 kg sind noch viel zu viel Masse
die fähig ist zu leiden


Anmerkung von Martina:

Ich finde diese Krankheit sehr tückisch.Etwa ein Drittel der Magersüchtigen erreichen nach einer Behandlung das Normalgewicht, bei ebenso vielen nimmt die Anorexie einen chronischen Verlauf und 10-15% sterben an den Folgen der Krankheit.

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Kommentare zu diesem Text

Sir-Giant (30)
(21.06.06)
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 Martina meinte dazu am 21.06.06:
Ichdanke dir, dass du darüber nachgedacht und kommentiert hast. Tina
SweetAngel (28)
(16.07.06)
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 Misanthrop (12.04.22, 18:56)
Den Schrecken dieser Erkrankung hast Du ebenso schrecklich im Stil dargestellt. Die Biegungen der Syntax sollen wohl den verkrümmten Körper metaphorisieren. Das Versmaß ist genau so unregelmäßig wie die anorektische Nahrungsaufnahme, und die ewig wechselnden Kadenzen visualisieren punktgenau jene Verdauung wie einst Riefenstahl den Körperkult. Chapeau!

Stabile Grüße
Dat M.
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