Hiilfe, ich friere!

Kurzgeschichte zum Thema Humor

von  tastifix

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Es passiert mir eigentlich äußerst selten, dass ich nicht weiß, wie und an wen ich meine Worte richten soll. Aber heute ist es soweit: Ich bin völlig ratlos.

Damit vielleicht denn doch überhaupt jemand reagiert, wende ich mich vorsichtshalber direkt an den lieben Gott:
"Herr, ich frier` so komisch. So ganz anders als sonst. Meine Gänsehaut hat Beine und läuft mir im Gänsemarsch perlend am ganzen Körper ´runter!"
"Kind, hier ist es doch warm und unten bei euch auf der Erde noch ein kleines bisschen wärmer!"
Gott greift sich das moderne Thermometer ganz in Schwarz von seinem eleganten Schreibtisch und schaut in der nächsten Sekunde ziemlich ratlos drein.
"18 Grad!", stellt er fest. Er schüttelt den weisen Kopf.
"Wie kannste denn daa frieren? -  Oder...", wirft er zögernd ein, "haste das vielleicht ironisch gemeint?"

Ich, beinahe am Ende meiner Kräfte, nicke nur kraftlos.
Unser Schöpfer hat gottlob recht schnell geschaltet. Aber er ist ja auch allweise und zudem allwissend. Das weiß auf Erden jedes Kind.
"Guckt er gleich ´mal auf das Außenthermometer, kriegt er gewiss den schlimmsten Schock seines bisherigen unendlichen Lebens!"

Ich habe diesen Gedanken noch nicht ganz zu Ende gedacht, da kommt dem lieben Gott genau eben diese Idee. Ein göttlicher Blick zum himmlischen Wetterfrosch in dessen mit einer beinahe haushohen Leiter ausgestatteten Luxusmarmeladenglaswohnung und der Schöpfer allen Seins erstarrt, fängt seinerseits urplötzlich an zu bibbern. Allerdings nicht vor Kälte, sondern vor Schrecken und Wut:

"Petrus!", schreit er völlig aufgelöst und benimmt sich gar nicht mehr diszipliniert. Zu mir gewandt:
"Dem werde ich etwas erzählen! Fast Kochtemperatur auf der Erde... und er verschwindet ins Wolkenbad!"
Er verschnauft einen Moment. Dann versichert er mir:
"Keine Sorge, mein Geschöpf, Dir und den Anderen wird geholfen. Niemand soll behaupten können, ich hätte meine Aufsichtspflicht euch gegenüber vernachlässigt. Schließlich bin ich euer Vater!"
Damit erzählt er mir eigentlich so gar nichts Neues. Aber immerhin hat er überhaupt Stellung bezogen.

Der liebe Gott kramt sein Handy aus den weiten Falten seines weißen Gewandes und tippt hastig ein paar Ziffern ein. Es dauert nur eine Minute, dann meldet sich ein Gegenüber. Gott hat das Gerät auf ´Lautsprechen` gestellt. Ganz offensichtlich darf und soll ich alles mithören.

Das Gegenüber am anderen Ende der Leitung hat eine auffallend tiefe, sonore Stimme.
"Garantiert Petrus!", folgere ich.
"Petrus, unten auf der Erde krebsen die Menschen nur noch auf allen Vieren herum vor lauter Hitze! Haste etwa unsere Heizung auf volle Pulle gedreht??"

Petrus, der ja gerade dem kühlen Nebelknäuel rechts am hinteren Himmelsausgang entstiegen und demnach ausgesprochen erfrischt und guter Laune ist, hält die Bemerkung seines Chefs für einen Scherz und fängt laut an zu lachen.
"Gut gemacht, nich Chef?"
"Du Armleuchter! Ich mein` das ernst. Was haste da bloß wieder angestellt!"

Bei dem Wort "Armleuchter" zuckt Petrus doch kräftig zusammen.
"Wenn er doch wenigstens noch ´heiliger Armleuchter!` gesagt hätte!", mault er leise vor sich hin.
Denn seinem offiziellen Namen nach gehört er zu den Heiligen. Zumindest dem Namen nach. Vor Schrecken ob des ja mehr als zweifelhaften göttlichen Kompliments an ihn beschließt er, vorsichtshalber besser genauestens weiter zuzuhören:
"Du schnappst dir jetzt das nächstbeste Rentier und galoppierst in gestreckter Gangart zurück ins Wetteramt. Das bringst du wieder in Ordnung, du Schluff!"

Schwer sauer beendet der liebe sanfte Gott so gar nicht mehr sanft dieses eher unsanfte Telefonat mit seinem nunmehr bedröppelten Diener und versteckt sein Handy wieder in den Falten seines Gewandes. Jedoch in einer anderen, damit er es vielleicht nicht so schnell wiederfindet. Ihm reicht es für heute.

Seufzend wendet er sich zu mir:
"Also, du gehst jetzt zu Petrus ins Wetteramt. Er wird das richten. So etwas kommt nicht noch einmal vor. Dafür werde ich sorgen und wenn ich ihn dazu direkt in eine irdische Wüste schicken müsste...!"
"Wo ist denn diese Heiss-Kalt-Anstalt?", bringe ich stockend vor.
Der liebe Gott hat mich mit seinem Wutausbruch total eingeschüchtert.
"Pass auf: Du fährst mit der Himmels-S-Bahn drei Stationen. Die hält direkt davor. Petrus` Büro ist im sechsten Stock. Der siebente ist den Liebespärchen vorbehalten."
"Gibt es da wenigstens einen Aufzug?"
Ich habe mich wieder gefangen und werde mutiger.
"Als mein Sohn auf Erden wandelte, hatte der auch keinen Aufzug. Nein, du trippelst gefälligst ganz normal die Stufen  hoch, klar? Kühlt doch ab, ist ja nass!"

Spricht` s und widmet sich wieder seinen Unterlagen über das nächst ausstehende Wunder. Er ist mit dessen Planung noch nicht zufrieden und will es nochmals gründlichst überarbeiten. Schließlich geht es um sein göttliches Image.
Ich bin vergessen und damit entlassen.

Die Himmels-S-Bahn, stelle ich fest, hat überhöhte Preise, Kurzstrecke gibt es gar nicht. Wenigstens ist sie pünktlich. Aufatmend lasse ich mich dann auf einen der leicht feuchten Wolkensitze plumpsen und finde das sehr wohltuend.
"Tolle Klimaanlage!", lobe ich.

Die Stationen liegen relativ dicht beieinander. Ehe ich mich versehe, stehe ich vor dem besagten Wetteramt. Das wirkt mit seinen strahlend weißen Mauern sehr freundlich, nicht so abweisend wie die grauenhaften Fabrikgebäude meiner irdischen Heimat.

Ich betrete die Eingangshalle und steuere auf die Treppe zu, habe mich ja auf ellenlanges Treppenkrackseln eingestellt. Aber, was ist das denn?
"Nicht möglich!", denke ich und korrigiere mich hastig:
"Oh Gott, bei dir ist ja nichts unmöglich!"

Ich stehe auf der untersten schmalen Wolkentreppenstufe. An ihrem rechten Rand sind sieben Knöpfe angebracht, jeder in einer anderen leuchtenden Farbe.
"Wie in einem Fahrstuhl!", sage ich mir.
Ich beschließe, mich hier über nichts mehr zu wundern. Das ist ja auch fehl am Platze, denn ich bin im Himmel und dort wimmelt es bekanntlich nur so von Wundern.

Ich betätige den sechsten Knopf. Er ist himmlischblau. Es ruckt, die Stufe löst sich aus der Treppe und schwebt langsam mit mir in die Höhe. Sie stoppt direkt vor Petrus` Abteilung. Als ich von ihr auf wieder festen Boden trete, haucht eine liebliche Stimme:
"Auf Wiedersehen!"
Es ist die Stufe.

Petrus wartet schon in seinem Büro auf mich:
"Tach! Mensch, was ist denn mit dir passiert?"
Dass er mich ´Mensch` tituliert, verzeih` ich ihm, denn unzweifelhaft zähle ich zu eben jener Gattung. Dass er direkt bemerkt hat, dass irgendwas mit mir nicht stimmt, rechne ich ihm hoch an. Denn mit lebenden Menschen hat er hier oben garantiert nicht allzu oft zu tun.

"Unten bei uns auf der Erde kriegen wir kaum noch Luft. Wir können vor Hitze fast nicht mehr arbeiten, geschweige denn vernünftig denken! - Das´Vernünftig Denken` gelingt vielen von uns allerdings auch schon ohne Hitze nicht!", brummele ich leise vor mich hin. Woran ich dabei so alles denke, verschweige ich wohlweißlich und aus Solidarität meinen Artgenossen gegenüber. Schließlich sind auch die alle Menschen.

"Viele suchen Erfrischung in Seen und Flüssen. Manche halten es nicht mehr aus und stürzen sich ohne Abkühlung in die Fluten. Einige von denen haben es bereits mit ihrem Leben bezahlt."

"Mein Gott!", stöhnt Petrus.
Doch Gott meldet sich weder noch rührt er sich. Dies hat Petrus alleine auszubügeln.
"Das habe ich nicht gewollt!", jammert er.
"Mag ja sein, hilft uns da unten jedoch nicht weiter!", urteile ich streng.
"Was soll ich tun?"
"Also, wenn du als himmlischer Wetterstationsvorsteher das noch nicht einmal weißt, dann bist`e aber hier falsch!", halte ich ihm empört vor.

Das fehlte noch:
Der macht Fehler und ich hilflos ratsuchendes Etwas soll ihm noch verraten, wie er den wieder gut machen könnte. Nichts da. Den lasse ich schmoren! Damit er dann erfährt, wie schön ´Schmoren` sein kann - wenn er es auch anders erlebte, als wir es in den letzten Tagen.

Irgendwie tut er mir trotzdem leid. Petrus sitzt nämlich da wie ein Häufchen Elend, kriegt anscheinend keinen vernünftigen Gedanken mehr auf die Reihe.
Hat Gott den seinem ungehorsamen Diener vielleicht zwischenzeitlich geklaut und ihn schleunigst den Menschen auf Erden eingegeben, damit denen der richtige Gedanke kommt, was als erstes gegen die Wetterkatastrophe zu tun sei?
Armer Petrus!

"Petrus, das Einfachste wäre doch ein tüchtiges Gewitter mit Dauerregen! Dann ginge es uns Menschen sehr fix wieder gut!", schlage ich vor.
"Meinst`e wirklich?", gibt ein total geknickter Petrus zurück.
"Ja, natürlich! Und außerdem ist Gott dann mit dir ausgesöhnt!"
Petrus Miene hellt sich auf. Er bringt doch tatsächlich schon wieder ein kleines Grinsen zustande.
"Komm mit!", fordert er mich auf.

Er führt mich in einen riesigen Kontrollraum. Überall Schaltanlagen mit blinkenden Lampen und Knöpfen.
"Wie im Raumschiff Orion!", fährt es mir durch den Kopf.

Ein paar Male rasch die rasche Himmelscomputertastatur gedrückt, und :der Monitor zeigt das Bild der Erde. Entsetzt starren wir beide auf vor Hitze keuchende Menschen sowie auf ausgetrocknete Felder und verdorrte Wälder. Alles pfeift sichtlich aus dem letzten Loch. Das Ende kündigt sich bereits an.
"Schnell, tu doch etwas, Petrus!", dränge ich.
Mir wird bang und banger.

Petrus reißt sich am Riemen, klappert wie ein Irrsinniger erneut auf den Tasten herum. Es dauert nur zwei Sekunden, dann erscheint ein Kästchen, indem so einiges aufgeführt ist, was man an Befehlen eingeben kann.
"Fast so wie bei uns!", denke ich.

Da steht: Sonnenschein 1x clicken
Regen 2x clicken
Hitze 3x clicken
Kälte 4x clicken
Gewitter 5x clicken.

So hektisch, wie Petrus da seine Befehle einhämmert, trägt das nicht gerade dazu bei, mich ruhiger werden zu lassen. Im Gegenteil, mir wird es langsam unheimlich.

"Keine Angst!", lacht Petrus, wieder ganz dersouveräne, heilige Vertreter des Herrn.
"In ein paar Stunden ist da unten alles gut. Du wirst sehen!"
Er fordert mich auf, meine Augen zu schließen. Das Letzte, was ich noch mitbekomme, ist ein gehauchter Kuss auf meine Stirn. Es ist hier oben wohl Sitte, so ´auf Wiedersehen` zu sagen.

Langsam schwebe ich zurück zur Erde. Ich habe die Menschheit gerettet. Ein wunderbares Gefühl.

Schon setze ich auf dem Boden auf. Die ersten Tropfen fallen. Die Leute stürzen aus den Häusern, jubeln und umarmen sich. In ihrer euphorie scheinen sie selbst den donner noch freudig zu begrüßenSelbst den Donner scheinen sie in ihrer Euphorie noch zu begrüßen. Der Regen wird stärker und stärker. Wahre Sturzbäche ergießen sich auf die Straßen, die dürstenden Wälder und die ausgetrockneten Felder. Mensch und Tier atmen auf.

Das Gewitter will und will nicht aufhören. Der sintflutartige Regen verwandelt die Straßen in Flüsse, verkleidet die Felder in tosende Meere und überflutet fast die Wälder. Die Freude der Menschen weicht steigender Ratlosigkeit, dann  Angst und wächst sich aus zur regelrechten Panik. Sie schnüren ihr Hab und Gut und versuchen, sich in den Bergen vor dem Wasser in Sicherheit zu bringen. Ihre verzweifelten Schreie schallen zum Himmel.


Gott sitzt in seinem Büro und überarbeitet bereits das dritte geplante Wunder. Nein, an diesem Tage macht er keine Überstunden mehr. Das Theater mit Petrus hat ihm gelangt! Erschöpft schließt er die Akten da vor sich, erhebt sich von seinem Thron, schreitet zum Fenster seines Wolkenschlosses und holt tief Himmelsluft. Endlich fertig für heute.

Sein letzter prüfender Berufsblick fällt auf die Erde. Doch leider wird es nicht der letzte für diesen Tag bleiben. Gott  traut seinen himmlischen Augen nicht und erstarrt:
"Neiin! Das darf nicht wahr sein. Was hat der denn da fabriziert?"

Die Müdigkeit ist vergessen. Unser Schöpfer wird zum zweiten Male an diesem unheilvollen Tage wütend, noch ein bisschen sehr viel wütender als vordem. In seinem maßlosen Zorn  beherrscht er sich  nicht mehr. Purpurroten Gesichtes schnappt er ein wezites Mal tief nach Luft und brüllt, dass der ganze Himmel erzittert:

"Petruus!!"

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Kommentare zu diesem Text

Klabautermann (57)
(27.07.06)
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 tastifix meinte dazu am 27.07.06:
Hallo Udo!

Deine Idee ist wirklich eine Überlegung wert, grins! Ich stimme Dir zu: So rücksichtslos, wie wir Mienschen mit der Natur umspringen, dürfen wir uns nicht wundern, dass sie zurück schlägt!

Schön, dass Dir diese Geschichte gefallen hat.

LG
Gaby
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