offene Türen

Kurzprosa zum Thema Allzu Menschliches

von  Traumreisende

Illustration zum Text
Leben
(von Traumreisende)
Was mich jedes Mal an diesem Land begeistert,  ist Offenheit, als ob die offenen Türen und Fenster am Abend die engen Gassen weiten und das Gewirr der kleinen Straßen noch mehr miteinander verknüpfen würden.
Tagsüber verstecken sich Mensch und Geräusch hinter dunkelgrünen Läden. Alles spart sich seine Bewegung für die Zeit nach dem Sonnenuntergang. Doch dann öffnet sich das Leben einladend und duftend.
Manchmal bleibe ich stehen und genieße das perlende Geschwatze mit geschlossenen Augen. Es liegt wohl an der Sprache, dass sich jedes Gespräch wie wildes Singen anhört. Aber ich kann auch nur wenig italienisch und in diesem Wortschatz habe ich kein böses Wort gespeichert.
Ich muss mich jedes Mal neu daran gewöhnen, dass die Türen abends zu Nichttüren werden und das Leben gern vor den aufgeheizten Wänden geführt wird.
Auf der einen Seite bin ich neugierig zu erfahren, wie die Menschen hier wohnen, auf der anderen Seite etwas gehemmt meine Nase in jeden Flur zu stecken.
Auch fällt es mir hier anfangs immer schwer, die eigenen Türen zu öffnen, mich nicht nur im Kreis der Familie zurückzuziehen, sondern an dem gestenreichen Palaver teilzunehmen.

Doch in diesem Jahr ist etwas geschehen, das all meine vorherige Verwunderung noch übertrumpfte.
Wir haben das WM-Endspiel in einer Pizzeria miterlebt, natürlich lief die Bildschirmübertragung an mehreren Ecken und natürlich in italienisch. Es war schon witzig, wo überall ein Fernseher Platz hat.
Anfangs war mir als Fußballlaien nicht sofort klar, wer in welchem Trikot spielt (wehe, ich werde jetzt ausgelacht), denn es wurden tatsächlich beide Nationalhymnen mitgesungen. Aber dieses Nichtwissen erhöhte sich, als der 11-Meter von Zidan beklatscht wurde.
Es dauerte eine Weile, bis wir begriffen hatten, es ist völlig wertfreie Anerkennung gewesen.
Ja, offene Türen.

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Kommentare zu diesem Text

Nunny (73)
(26.07.06)
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 Traumreisende meinte dazu am 27.07.06:
ja ich weiß von deinem missgeschick, aber ich denke an jeder etwas überfüllten stelle in deutschland kann das gleiche passieren, wir dürfen nach solchen negativ erlebnissenkein ganzes land formen, aber ich bin wohl auch nach meinen positiverlebnissen der meinung im paradiese gewesen zu sein ))
wir sind halt menschen die ihre erlebnisse in schubladen packen...
lg dir und lieben dank
silvi
steinkreistänzerin (46)
(27.07.06)
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 Traumreisende antwortete darauf am 27.07.06:
danke du
es ist auch für mich, zuschnell ist der duft des erlebens aus der nase verschwunden, so wie die haut wieder verblast
aber ich bin doch noch nah bei alle dem.
hab lieben dank
silvi
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