Nur für die Anderen

Innerer Monolog zum Thema Schreiben

von  Mondsichel

Ach ja, es ist noch gar nicht allzu lange her,
da hatte ich noch einen unverkennbaren Stil.
War experimentierfreudig, originell und bewegt,
ein Wortejongleur, ein Genie der Buchstaben.
Freunde rieten mir zu Veröffentlichungen,
doch ich hatte Angst zu viel von mir preiszugeben.
Darum versuchte ich es erst einmal im Internet,
und fand den Ort, der meinen Stil zerstörte.

Ich fügte mich ein in das Netz einer Community,
schrieb allmählich meine Weisen dort nieder.
Doch egal was ich auch lyrisch erzählen mochte,
es erreichte weder Herz noch Seele der Leser.
Schweigen, nichts als Schweigen blieb zurück,
dabei wollte ich doch einfach nur Kommunikation.
Und ich glaubte schon daran, dass meine Freunde,
mir nur aus Freundschaft ein Talent bescheinigten.

Missmutig wäre ich fast schon wieder gegangen,
als der erste Kommentar das Schweigen brach.
Ich war wie benebelt, völlig neben der Spur,
und machte den größten Fehler meines Lebens.
Denn je mehr Kommentare plötzlich kamen,
desto süchtiger wurde ich nach diesem Gefühl.
Bald bestand mein Leben nur noch aus Schreiben,
und aus der Beantwortung von Lob und Schmeichelei.
Mein Stil, er starb unter meiner schreibenden Hand,
denn viel zu kompliziert war es zu experimentieren.
Die positiven Kommentare blieben mir trotzdem treu,
so war mir mein früherer Stil am Ende dann auch egal.

Ich vermisste meinen Ideenreichtum von früher nicht mehr,
denn jetzt hatte ich andere Vorstellungen und Ambitionen.
Immer auf der Jagd nach positiver Energie für mein Herz,
vergaß ich neben dem Stil dann sogar meine Prinzipien.
Mein Verhalten änderte sich radikal zum Negativen hin,
von früherer Zurückhaltung war nichts mehr geblieben.
Ich war so fest überzeugt von mir und meiner Lyrik,
dass ich selbst jenen, die ich liebte, vor den Kopf stieß.

Mit Kritik hatte ich mich einst detailliert auseinandergesetzt,
doch nun war jedes kritische Wort gleich ein Weltuntergang.
Ich stand wie eine Mauer zwischen den ehrlichen Worten,
auch als meine Freunde sich unerwartet negativ äußerten.
Und anstatt ihren gerechtfertigten Worten zu lauschen,
kündigte ich ihnen lieber völlig übereilt die Freundschaft.
Ich spürte tief in meinem Innern, dass etwas falsch läuft,
doch ich konnte und wollte es einfach nicht zugeben.

Es dauerte eine ganze Weile, doch ich kam an den Punkt,
wo ich das gute Gefühl nicht mehr schätzen konnte.
Die Gedanken, die so lange verdrängt, in mir weilten,
schälten sich aus den Höhlen meines Unterbewusstseins.
Endlich wurde mir bewusst, dass ich mich selbst belog,
und eigentlich nur schrieb um allen anderen zu gefallen.
Mir war bewusst, dass ich so vieles aufgegeben hatte,
und abhängig wie ein Junkie an der Nadel der Gunst hing.
Die Erkenntnis zog mich in ein dunkles Loch hinein,
ich habe nie wieder einen Stift in die Hand genommen.
Denn alles was ich schrieb war nur eine Illusion,
vor der bedrückenden Realität meiner Dummheit.
Ich zog mich zurück aus der Lyrik und aus dem Internet,
nur manchmal noch blicke ich sehnsüchtig auf alte Schriften.
Und erinnere mich bitter an das, was ich einst verschenkte…

(c)by Arcana Moon


Anmerkung von Mondsichel:

Einem Bekannten von mir ist dies geschehen. Auch heute schreibt er keine Lyrik mehr, nur noch themenbezogene Aufsätze. Die Lust am lyrischen Schreiben ist ihm zerstört worden...

Dies ist ein weiterer Teil aus der "lustigen Welt des Schreibens", wenn diesmal auch sehr ernst und nachdenklich. Aber so ist es nun mal...

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Kommentare zu diesem Text

seelenliebe (52)
(27.07.06)
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 Mondsichel meinte dazu am 29.07.06:
Liebe Anne, für mich war es auch sehr schwer diese Situation zu sehen. Er war ein Wortekünstler, die Texte waren der Hammer. Bis zu dem Zeitpunkt hatte ich nie besseres gelesen. Jedes Bild konnte vor Augen direkt erscheinen, eine Wortgewalt und doch so klein in perfekte Förmchen gepackt, das sich fast das ganze Universum drin spiegelte. Aber der Zuspruch hat ihn leichtsinnig gemacht. Er veröffentlichte mehrere Sachen am Tag und am Ende... am Ende hat er mir gesagt... er wolle nie wieder Gedichte schreiben... er könne es nicht mehr... denn er würde nur noch für andere schreiben, nicht aber für sich selbst... und das könne er auch nicht mehr ablegen... Für mich war das eine Erfahrung, die ich so noch nie empfunden hatte, da ich nie süchtig nach irgendwelchen Kommentaren war. Ich freute mich wenn wer schrieb, aber meine Texte veröffentliche ich dann wenn ich es will, genauso wie ich schreibe wenn ich es will...

Eines sei noch gesagt: Es ist hier auf KV passiert. Deswegen mahne ich auch immer zu viel Euphorie ab hier auf diesem Portal. Es ist wirklich nicht böse gemeint. Aber lieber schreibe ich ein paar Gedanken hin, als lobende Worte vor meiner eigenen Sprachlosigkeit zu benutzen...

Liebe Grüßle
Deine Arcy
Berbera (49) antwortete darauf am 29.11.06:
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