Quack,quack...heul!!

Kurzgeschichte zum Thema Humor

von  tastifix

Es war doch wirklich nicht drin...


Mein Kind hatte sich eindeutig verliebt. Dabei war es dafür eigentlich noch viel zu jung. Dementsprechend ratlos und besorgt registrierte ich sein verändertes Verhalten. Alles, aber auch wirklich alles zog sich in mir zusammen, beobachtete ich es in seinem Kummer.

Der Fall lag eindeutig besonders kompliziert, denn mein Kind hatte sich in eine dreißig Zentimeter lange Ente verguckt. Es war nicht irgendeine Ente. Nein, die war natürlich von Firma Steiff.

Dieses Tierchen trug sein Verehrer den ganzen Tag lang spazieren, ohne ihm auch nur eine Feder bzw. eine Kralle zu krümmen. Ab und zu gab er ihm mit Nachdruck einen Nasenkuss auf den Bauch. Mit seiner feinen Stimme quietschte Entchen jedesmal laut auf vor Vergnügen, was wiederum dann den Zärtlichkeitsspender aufs Innerste vergnügte.

Mir dagegen bereitete jenes Liebesspiel dieses ungleichen Pärchens denn überhaupt kein Vergnügen. Stattdessen rannte ich mit Gewissensbissen ´rum, jeden Tag quälender. Bald hielte ich diesen Stress nicht mehr aus. Die Angst um die Ente brachte mich mittlerweile des Nachts um den Schlaf.

Aber wieso das denn? Kinder spielen doch alle gerne mit Stofftieren. Was für ein Blödsinn, sich deswegen verrückt zu machen.

Dann kam der Tag einer sehr schwerwiegenden Entscheidung, sowohl für mein Kind als auch für die Ente. Ich habe es mir mit jenem Entschluss wahrlich nicht leicht gemacht. Es ist mir immens schwer gefallen.

Ich überraschte mein Kind, wie es die Arme in die Höhe reckte, sich so lang streckte, wie es eben ging, seinen flehenden Blick aus den großen Augen auf genau dieses Tierchen richtete. Vor Sorge um die wertvolle Steiff-Ausgabe hatte ich diese hoch ins Regalfach unserer Schrankwand gesetzt. Ich hatte den Eindruck, Entchen genoss es, sowohl so sehr über uns erhaben zu sein als auch die weite Aussicht. Jedenfalls hörte ich keinerlei Protest-Quack.

Ein paar Etagen tiefer allerdings war Holland in Not. Mein Mini weinte mir die Ohren voll und hopste wieder und wieder an der Schrankwand hoch. Wieder und wieder vergeblich. Das Weinen geriet zur Arie. Wie lange noch bliebe ich hart?

"Nein!", sagte ich mir, "das geht einfach zu weit. Das kann ich wirklich nicht erlauben. Unmöglich!"
Ich entschied ´unmöglich`, ich blieb bei ´unmöglich`, ich entpuppte mich in jenen Minuten als ausgesprochene Rabenmutter, die ihrem Kinde so gar nichts gönnt. Noch nicht einmal Spielzeug, dass doch extra für Kinder gemacht wird.
Wenn aber schon nicht diese Ente... Dann hatte ich für Ersatz herbeizuschaffen, bevor das kindliche Herz brach.

Stundenlang rannte ich am nächsten Tag durch die Geschäfte, ließ Enten aller Art, sogar Badequietscheenten, auf Kommando quietschen. Keine quietschte so schön wie das gute Stück zuhause. Mir fielen vom vielen Laufen schon beinahe die Beine ab, als ich im Schaufenster eines Kaufhauses ´sie`entdeckte. Von mir aus war es Liebe auf den ersten Blick. Die Ente schien auch nichts dagegen zu haben.

Sie schien mir die einzig möglicherweise konkurrenzfähige Konkurrentin für Ente Nr. Eins daheim zu sein. Ebenfalls dreißig Zentimeter lang, Strubbelgefieder, ebenfalls eine piepsige Stimme im Bauch und ebenfalls zitronengelb.

Noch ein wenig unschlüssig stand ich vor ihr.
"Wie alt ist denn das Kind?", fragte mich hilfsbereit eine junge Verkäuferin.
Verlegen überlegte ich:
"Um Gotteswillen, wie alt ist mein Kind eigentlich?"
Bei dem verwunderten Blick der Verkäuferin mir gegenüber wurde ich nervös und nervöser, nestelte verzweifelt an meinen Mantelknöpfen herum.
"Was soll ich der bloß sagen? Wenn ich nicht bald ´ne Antwort gebe, erklärt die mich für reif fürs Irrenhaus!"
Krampfhaft fing ich an zu rechnen. Hätte ich doch in Mathe früher besser aufgepasst. Aber nein, da das ja mein ausgesprochenes Lieblingsfach gewesen war, widmete ich mich in jenen Stunden eher Schnipselliebesbriefchen, die dann durch die halbe Klasse gereicht wurden.

Jetzt bereute ich mein damaliges Verhalten. Jetzt hatte ich den Salat und meinen Taschenrechner auch nicht dabei.
"Wie alt ist der, verflixt noch ´mal?"
Zu meinem Glück wurde ich einer diesbezüglichen Entgegnung enthoben.
"Ist es für ein fremdes Kind gedacht?", hakte die ahnungslose Verkäuferin, nooch freundlich, nach.
Auf diese Frage hin dachte dann ich gründlichst nach. Was sollte ich nur darauf sagen?
"Fremd... hm!?", machte ich ganz leise und dann laut:
"Wie man`s nimmt!"
Mein Gegenüber runzelte leicht die Stirn, kapierte ganz offensichtlich gar nichts mehr.

Plötzlich strahlte es.
"Ah, handelt es sich vielleicht um ein Adoptivkind?"
Sie wurde gesprächig. Offensichtlich gefiel ihr dieser Gedanke sehr:
"Wissen Sie, ich finde es immer wieder bewundernswert, wenn Leute fremden Kindern ein Zuhause geben. Das zeugt von echter Nächstenliebe. Und die Kleinen werden`s ihnen später danken!"

Noch blieb ich ernst, allerdings nur mit Mühe. Sie konnte ja nichts dafür, sie war an diesem semantischen Problem gänzlich unschuldig.
Bei der Überlegung, wie mir mein Mini sowieso am laufenden Band und erst recht in den vergangenen Tagen seine tiefe Dankbarkeit bewiesen hatte, amüsierte ich mich innerlich köstlich.

Aber diese nette junge Frau hatte endlich eine vernünftige Auskunft verdient:
"Wissen Sie, dieses Kind, um das es hier geht, hat eine süße Schnute, riesige braune Kulleraugen und vier Beine dran. Dieses Kind...dieses Kind ist nämlich ein Hund."

Die Verkäuferin schaute mich entgeistert an. Dann prustete sie los.
"Ach, ist das süß! Wie alt ist der denn?"
Überraschend für mich selber blieb ich nicht länger um eine Auskunft verlegen:
"Umgerechnet ist er sieben Jahre alt!"

Anscheinend war ich an eine Tiernärrin geraten. Denn auf dem hübschen Geschenkpapier, in das sie die Ente verpackte, saßen ganz viele kleine Hundekinder.

Mein eigenes Hundekind lehnte übrigens die Ersatzente rigoros ab.

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