Krabbel - kratz!

Tagebuch zum Thema Humor

von  tastifix

Bitte niemals mehr wieder...


Manches vergisst man nie, so wie dieses Erlebnis, dass bereits 19 Jahre zurück liegt.

Meine drei jüngeren Töchter machten damals noch den Kindergarten verrückt. Manchmal aber auch der sie, wie an jenem Tage.

Irgendwie wirkten die Drei so deprimiert, so ganz anders als sonst.
"Was ist denn, gab`s Zank??", fragte ich besorgt.
"Nee!", kam die knappe Antwort.
"Ja, aber irgendetwas ist doch."
Allgemeines Kopfschütteln.
"Gut, wenn nichts ist, dann werden wir jetzt zu Mittag essen!", bestimmte ich.
Ich würde schon noch dahinter kommen, was los war.

Ein paar Minuten später.
Plötzlich fuhr sich Martina mit der Hand durchs Haar und kratzte sich verstohlen. Mama sollte das ja nicht mitkriegen, kriegte es aber dennoch mit, denn ich spielte aufmerksamst Miss Marple. Mir entging nichts.
"Tut dir ´was weh?"
"Es juckt so!"
Martina guckte erleichtert. Endlich war es ´raus.
Noch nichts Böses ahnend, tröstete ich sie:
"Kann doch ´mal vorkommen!"

Doch in der nachfolgenden Sekunde bewiesen mir ihre zwei Schwestern, dass es diesmal unter Garantie nicht `einfach nur so ´mal vorkam`, sondern dass es dafür wohl einen handfesten Grund gab. Wie auf Kommando wühlten die beiden Anderen ebenfalls mit den Händen kreuz und quer auf ihrem Kopf herum und jammerten los:
"Mama, aua! Ich kratz mich gleich kaputt!"
Verzweifelte Gesichter, dann nicht nur bei ihnen, sondern so allmählich auch bei mir.
Ihrer Mama dämmerte nämlich etwas.
"Oh nein, bloss das nicht!"

Kurz und gut:
Da die Kratzerei immer wildere Formen annahm und mittlerweile auch ich beim Anblick meiner Wühlmäuse ein ähnlich drängendes Bedürfnis verspürte, entschied ich mich:
"Da hilft alles nichts. Schnapp dir die Drei und ab zur Ärztin!"

Wie sich dann herausstellte, war das das einzig Richtige. Frau Dr. N. kramte sich eine Lupe hervor und durchforstete die Haare meiner Töchter. Das nahm einige Minuten in Anspruch, denn sie hatten alle sehr viel Haar.

Ängstlich beobachtete ich ihre Mimik. Würde es sich bestätigen, würde ich wirklich in jenen sauren Apfel beissen müssen?
"Die Kinder haben Läuse!", eröffnete die Ärztin.
In dem Moment hätte ich heulen mögen. Schließlich wusste ich, was das bedeutete und nachsichzog.

Mit knatschigen Kindern machte ich mich auf den Heimweg.
"Mama, dürfen wir denn dann morgen nicht in den Kindergarten?"
"Natürlich nicht. Morgen nicht und eine ganze Woche lang nicht!", gab ich resigniert zur Antwort.
"Ich will abaa!"
Aha, ich hatte es ja kommen sehen. Schon ging das Gezeter los.
"Es geht eben nicht. Erst müssen die Läuse weg sein, dann...!"
"Mama, wenn wir die Haare gewaschen haben, sind die doch futsch?"
"Schön wärs`s!", dachte ich und erklärte weiter, immer in dem Bestreben, meine Mannschaft ja bloss bei Laune zu halten. Den ganzen Mist plus zickiger Kinderschar hielten meine Nerven nicht durch.
"Nein, so einfach ist das nicht. Deren Eier kleben sehr fest. Hat man nur eine einzige Laus übersehen, geht alles wieder von vorne los."
"Ich bleib`abaa nich zuhause!", brüllte Tochter Nr. Drei los.
"Und ob du das wirst!", liess ich schon ungeduldiger anklingen.
"Jetzt haben wir ganz viel Arbeit und ihr werdet mir dabei helfen.
Ungläubig fragende Kinderaugen:
"Wieso??"
"Nich`wieso, sondern ´ja`!", stellte ich fest.
"Wir müssen alle eure Kleidung waschen, Betten abziehen und das ganze Haus gründlich putzen!"

Sie hatten ja zu ihrem Glück keine Vorstellung davon, welcher Wahnsinn uns erwartete - aber leider ich. Es würde einen irre Schufterei. Auf mich warteten 19o Quadratmeter Wohnfläche, die geschrubbt werden wollten. Und zwar jede noch so kleine Ritze. Ich fühlte mich wie in einem schlechten Film.

Daheim massierten wir uns erst einmal mit Läuseshampoo die Köpfe. Zwischenzeitlich erschien auch der Herr Papa zuhause, wurde von mir mit knappen Worten unterrichtet, wie der Hase bzw. die Laus so liefe, wurde daraufhin ein wenig blass um die Nasenspitze und meinte sehr zutreffend:
"Ach du Scheiße!"

Eine Viertelstunde später wurschtelten wir uns alle Handtücher um den Kopf. Der Nachwuchs bestand auf Rosa, ich trug Rot und der Papa wählte einen blauen Turban. In sämtlichen Badezimmern stank es medizinisch und im Rest des Hauses auch. Es gab also keine Chance, das Wissen um diese Katastrophe zumindestens für ein paar wenige Minuten zu verdrängen.

"Betten abziehen!", kommandierte ich.
"Mama, und wenn uns da Läuse entgegen krabbeln?"
Genau darüber dachte ich lieber nicht länger nach.

Meine Kleinen wollten ja guten Willen zeigen. Vielleicht tat ich ihnen ja auch leid. Mama hatte ja jetzt so viel zu putzen. Bereitwillig griffen sie sich ihre Kopfkissen und knöpften die Bezüge auf.

Da, der erste Schrei des Entsetzens:
"Mamaa...iih! Mir ist ´ne Laus über den Arm gelaufen!" Das betreffende Töchterchen ließ vor Schrecken alles auf den Boden plumpsen und nahm Reißaus. Die Einzige, die sich darob sicherlich freute, war die Laus. Die hatte sich nämlich das gegenüber stehende Jugendbett als Zuflucht ausgeguckt und war jetzt ihrem Ziele unerwartet schnell näher gekommen.

Meine anderen Zwei schlossen sich schleunigst ihrer Schwester an und waren weg. Auf ihrer Flucht ´rauf und´runter durchs ganze Haus beäugten sie mit vor Panik gefurchter Stirn jeden Zentimeter Bodens vor ihnen, wünschten sich Mauselöcher zum Verschwinden herbei. Dass die aber nur relativ wenig Schutz vor Läusen böten, bedachten sie da nicht.

Ich stand also da zwischen Wäschebergen: Die ganze obere, langgestreckte Diele voller Klediung, Bettbezüge und Inletts.
"Warum habe ich nicht vorher noch schnell meine Bergschuhe´rausgesucht? Die könnte ich jetzt bestens gebrauchen. Da ist ja kein Durchkommen mehr, uff!"

Der Papa meiner Kinder war mir keine allzu große Hilfe. Er hatte einen kurzen Blick auf das Chaos geworfen, ´entsetzlich!`gemurmelt und war zur Wahrung seines Nervenkostüms sicherheitshalber zu dem Nachwuchs ins Wohnzimmer verschwunden. Sein Beitrag zur Rettung unseres Wohlbefindens beschränkte sich darauf, die Kinderschar vor die Augsburger Puppenkiste zu setzen und sich dazu, um sich damit abzulenken und sich dann gemeinsam mit ihnen köstlich zu amüsieren.

Er hatte ein wahrlich durchschlagendes Argument zur Hand. Immerhin hatte er trotz der widrigen Umstände bewerkstelligt, ein fröhliches Lächeln auf die Gesichter unserer Minis zu zaubern.
Das war ja wohl Leistung genug.

Übrgens liefen zwei Tage lang ununterbrochen Waschmaschine und Wäschetrockner. Drei Tage lang verbrachte ich den Großteil der Zeit auf allen Vieren und schrubbte mich halb kaputt. Nachts erschien mir solch ein niedliches Läuschen im Traum und mutierte zur entsetzlich freßsüchtigen Alligatorlaus. Ich war als Festtagsbraten auserkoren. Bevor es jedoch dazu kam, wachte ich gottlob auf, schweißnass, aber immerhin noch an einem Stück.

Erst eine Woche später nach dem obligatorischen zweiten Arztbesuch durfte ich aufatmen:
"Kinder wieder läusefrei!", hieß es.

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