Dreikäsehoch!

Tagebuch zum Thema Kinder/ Kindheit

von  tastifix

Das Kinderkriegen ist etwas nicht ganz so Schönes, das Kinderhaben dagegen etwas Wunderbares und den Nachwuchs Schritt für Schritt seine eigenen Wege gehen zu lassen...sehr, sehr schwer. Aber unbedingt notwendig.

Sobald die Minis aus dem Auf-dem-Arm-trage-Alter ´raus sind, fängt es an. Der erste freie (Krabbel-) Schritt erkundet das Laufställchen, für dessen Hilfe als hölzernem Babysitter Mama gar nicht genug dankbar sein kann.

In den nachfolgenden Monaten wird aus dem kleinen Vierbeiner ein richtiger Miniaturmensch, der entdeckt, wie  äußerst praktisch es ist, seine Vorderbeine(ääh, -arme!) noch ganz anders einzusetzen. Darum läuft der Nachwuchs strahlend plötzlich auf nur mehr zwei Beinen einher. Strahlend deshalb, denn so reicht er prima an jede Menge verbotener Dinge wie überfüllte Schubläden in der Küche oder auch Schranktüren mit wertvollem Porzellan dahinter heran.

Öffnet solch ein Dreikäsehoch die dann neugierig, gibt es öfters zum besonderen Entzücken der heran eilenden Mama so`n lustiges Geklapper. Manchmal aber auch ein weniger amüsantes Scheppern, das ankündigt, dass man ab der Minute anstatt nur sechs Gedecke doch tatsächlich die doppelte Anzahl besitzt. Dann sogar in extra aparter Ausführung. Tassen ohne Henkel, Tassen mit Loch im Boden, usw....

Unser Kleines ist hellauf begeistert:
" Da, töön, da alles ´hausholt!"
Lobheischend dreht es sich zur Mama um. Doch das ersehnte `Fein`bleibt aus. Mama ist so eigenartig still. Was soll sie auch sagen? Der Nachwuchs hat ja keine Ahnung, was da alles zu Bruch gegangen ist. Das Einzige, was die schockierte Mama ´rausbringt, ist:
"Neiin, ach du meine Güte!"
Hat sie Glück, war das Porzellan gottlob nicht etwa Schwiegermutters Geschenk zur Hochzeit.

Schnell schnappt sie sich den deswegen kreischend protestierenden Nachwuchs, trägt das strampelnde Bündel mit der ja doch wahnsinnig durchdringenden Stimme ins Kinderzimmer und verfrachtet ihn erst einmal ins Bett. Nicht, ohne vorher natürlich besorgt überprüft zu haben, ob sich da nicht doch irgendwo eine kleine Wunde versteckt hält.

Ob dieses überraschenden Kleinkindgefängnisaufenthaltes wird das zarte Kinderstimmchen natürlich nicht eben zarter, sondern noch kräftiger und unterhält das ganze Haus. Ein Mietshaus wohlgemerkt und das in den kritischen Stunden zwischen 13.00 Uhr und 15.00 Uhr. Die Mitmieter schicken einen hilfesuchenden, deprimierten, ärgerlichen oder im Ernstfall sogar bitterbösen Blick zur Zimmerdecke. Dabei trifft die nun wirklich gar keine Schuld.

Gottlob geht dem wutschnaubenden Zwerg recht bald irgendwann die Puste aus. Schreien macht müde. Er streckt die Waffen und schläft leise vor sich hin schluchzend ein. Was für eine Gemeinheit, es war doch solch ein schöner Krach!

Inzwischen haben sich Mutters Nerven wieder stabilisiert. Sie begibt sich fast frohen Herzens an die Aufräumarbeit, stellt fest, dass Porzellan richtig hinterhältig ist und in ganz viele ganz winzige Splitter zerspringt. Entsprechend viel Spaß macht die Kehrarbeit, die sich gehässig in die Länge zieht.
"Macht ja nix. Blebit eben das Bügeln für morgen!", beschließt die emsige Hausfrau.
So ganz unglücklich ist sie darüber gar nicht. Da warten nämlich mindestens zehn Blusen auf sie.

Die Scherbenaufpickerei wird ihr zu mühselig. Sie holt den Staubsauger und ist wenige Minuten später ihre Sorgen los.
Den Mitmietern das Saugen in der Mittagszeit zu erklären... Damit lässt sie sich Zeit bis zum nächsten Morgen.

Zwecks Resterholung legt sie die Beine hoch, natürlich nur ganz kurz, denn sie ist ja fleißig. Das Ganzkurz beweist sich dann darin, dass diese vielgeplagte Hausfrau und Mutter innerhalb einer Sekunde ihrem Kinde ins Traumland folgt. Hoffentlich nur begegnet ihr da nicht das zerdepperte Lieblingsporzellan.

Ein lautes Quieken aus dem Kinderzimmer reißt sie aus der Ruhe. Kinder mögen nun ´mal keine sich ausruhenden Mütter. Dann werden die Minis flugs aktiv. Genau wie da dieses Kleine. Mama eilt herzu, nimmt ihren Schatz auf den Arm und knuddelt ihn.

Siedendheiss fällt ihr da auf einmal die Waschmaschine ein. Die Wäsche ist fertig und wartet darauf, aufgehängt zu werden. Sonst hätte die junge Mutter am nächsten Tag noch mehr Bügelwäsche.

Die Waschmaschine steht im Schlaftrakt, der durch eine Tür vom Wohn- und Essbereich getrennt ist. In der großen Diele vor dieser Türe steht die Essecke. Ein großer Holztisch mit vier Stühlen drumherum.

In ihrer Hast gedenkt die Mama kein bisschen mehr des tollen Erlebnisses vom Mittag, setzt resolut ihr Kleines in der Diele auf den Teppich, spurtet in den Arbeitsbereich und lehnt die Verbindungstüre fest an. Nicht, dass der Nachwuchs sich noch durch die nasse Wäsche wühlt.

Immer wieder horcht sie nach vorne. Aber aus der Diele ist nichts Verdächtiges zu hören. Mamas Herzschlag normalisiert sich. Es scheint ja alles in Ordnung zu sein. Außerdem: Gleich ist es ja geschafft.
Also ruhig Blut!

Zwei Minuten später nimmt sie Kurs auf die vordere Diele. Das Kleine soll ja keinen schrecken kriegen. Deshalb kündigt die Mama sich lautstark an:
"Schahaatz, Mama kommt!"
Fröhliches Lachen ist die Antwort.

Mama lugt vorsichtig durch den Türspalt. In der nächsten Sekunde ist die Ruhe dahin, die Mini-Erholung der Mittagsstunden kann sie vergessen. Was sehen da ihre Augen?

Hoch auf dem Esstisch thront ihr Nachwuchs und kaut munter auf einem der roten Stoffsets herum, die Mama so gerne mag. Das Stoffset kann sich etwas Schöneres vorstellen, als voll gelüllt zu werden. Ganz nass ist es schon.
Ob auch Stffsets weinen können?

Mama mag jedoch jetzt darüber wirklich nicht länger nachdenken. Viel wichtiger ist ihr da das Wohl ihres Kindes. So greift sie sich das Mini-Äffchen. Wie klar zu sehen ist, hat es für seine Kletterpartie auf den Tisch die nun quer im Raum stehenden Stühle zu Leitern erklärt. In der rechten Patschhand umklammert es immer noch das Set.

Mama schießt es durch den Kopf:
"Mein Gott. Es hätte sich die Arme, die Beine oder sogar auch das Genick brechen können!"
Die nachträgliche Panik macht ihr zu schaffen. Sie fühlt sich plötzlich ausgesprochen schlapp.
Mit ihrem Kined auf dem Arm wankt sie ins Wohnzimmer und lässt sich groggy aufs Sofa plumpsen.
"Es langt. Schluß für heute!"

Wenn sie ehrlich vor sich selber ist, ist sie deswegen gar nicht so unfroh. Im Gegenteil!

Und außerdem...
Und außerdem hat sie ja jetzt eine gute Ausrede!

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