Augenzeugenbericht

Innerer Monolog zum Thema Krieg/Krieger

von  Kabarakh

Das ist also Krieg. Nach den Balladen hab ich mir das anders vorgestellt. Unsere Armee steht hier, da drüben die anderen. Die sehen doch aus wie wir... Warum stehen wir überhaupt hier? Weil Aserand uns ausrauben wollte? Komisch, dass Lironade genau das gleiche voriges Jahr mit Aserand gemacht hat, und im Jahr davor... und zwischendurch mal... Führen wir wirklich Krieg wegen der Plünderungen, oder ist das die Abwehr der Rache, der Beginn einer neuen Welle der Gewalt?

Der General bläst zum Angriff. Diese fette Sau – uns sagen, was wir tun sollen, und selbst auf seinem hohen Ross sitzen und weit hinter der Front bleiben. – Unsere Gegner marschieren ebenfalls in Formation auf uns zu. Das sollen Barbaren sein? Die sind doch genau wie wir... Himmel, vor nicht mal einem Monat war ich noch in Aserand. Schön wars dort, aber nicht barbarisch oder so, wie man es sich bei Räubern vorstellt... Eher verarmt. Vielleicht durch die Plünderungen?

Wir sind jetzt an die Feinde herangerückt – oder sie an uns? Wer kann das so genau sagen? Der General brüllte was von Speerformation... soll er mal schauen, wie er und seine hohen Tiere  eine Formation im Schlachtgetümmel einhalten können.

Die ersten Reihen sind gefallen, auf beiden Seiten. Überall Blut, abgetrennte Köpfe, durchbohrte Leiber... Ich kann das nicht. Hilfe, einer in einer fremden Uniform kommt auf mich zu, mit erhobenen, blutverschmierten Schwert. Er blickt gestört, aggressiv, blutdurstig. Sein Angriff kommt ungestüm, durch seine fehlende Planung kann ich ihn abwehren und parieren.

Oh mein Gott, dieses Gefühl ist unbeschreiblich, so schrecklich... Ich habe einen Mann getötet, indem ich ihm die Spitze meines Schwertes in die Brust gebohrt habe. Sein Blut benetzt meine Uniform, mein Schwert, mein Gesicht. Mir wird übel, ich muss mich übergeben, ich kann nicht, da sind noch mehr Feinde. Neben mir mein Kumpel, er geht zu Boden. Er wurde von einem Pfeil durchbohrt. Seine letzten Worte drücken Fassungslosigkeit aus, die auch ich spüre – Fassungslosigkeit wegen dem Krieg, wegen dem Grund dafür.

Wieder ist ein Aserandier vor mir, er schaut so, wie ich mich fühle. Irgendwie resigniert heben wir beide unsere Waffen und gehen halbherzig aufeinander los. Keiner schafft es, den anderen zu besiegen. Angriff, Parade, ausweichen, Gegenangriff, Parade... es nimmt kein Ende. Um uns herum nimmt der Kampfeslärm ab und die Töne des Leidens werden lauter, über verlorene Arme, Beine und Freunde. Der Gedanke an meinen gefallenen Freund entfacht ein Feuer in mir, ich schaffe es, meinen Gegner zu entwaffnen. Er bettelt um Gnade, möchte sterben. Er könne so nicht weiterleben. Ich erfülle ihm seinen Wunsch, töte ihn schnell und ohne starke Schmerzen.

Ich muss hier weg! Wir haben zwar gewonnen, doch heißt das nur, dass von uns mehr Soldaten Glück hatten. Überall Blut, Leichen, Gliedmaßen... Unter der Uniform sind alle gleich, alle haben das gleiche Blut. Hier haben heute Menschen Menschen getötet. Ich will das nie mehr tun müssen, ich will das beendet haben! Daheim werden wir sicher besungen, doch was haben wir anderes getan als Unsergleichen das Leben genommen? Hätten wir sie leben lassen, wir haben genug. Wenn ich könnte, würde ich die Zeit zurückdrehen und all mein Hab und Gut abgeben, um dieses sinnlose Blutvergießen zu vermeiden.

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Kommentare zu diesem Text

Graeculus (69)
(02.11.16)
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 Dieter_Rotmund (27.10.19)
Interessantes Projekt, diese verschiedenen Perspektiven auf dasselbe Geschehen - aber ist da nicht Raum für mehr als drei?

 Dieter_Rotmund (13.04.20)
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