Ein schwingendes Leben (4. Teil)

Erzählung zum Thema Humor

von  tastifix

Da standen wir nun, die neugeborenen Prinzessinnen der Klapper-High-Society und langweilten uns. Allzu viel passierte nämlich am nächsten Tag im Geschäft unseres Meisters nicht. Sicher, ab und zu wurden wir alle, Latschschuh oder auch nicht, von Kunden penibelst begutachtet.

„Anscheinend wollen die alle so richtige Treter. Schon wieder...Turnschuhe!!“, rümpfte Belle geringschätzig ihre Schuhspitze.
Nachdem ich die zukünftigen Besitzer jener Artgenossen genauer betrachtet hatte, stand für mich fest:
„Gottlob, dass die nicht uns gewählt haben. Schrecklich, wie die ´rum laufen!“
Vor Abscheu zitterte mir meine kleine, elegante Schnalle.
"Gammelshirt über ´ner durchlöcherten Jeans und auf dem Kopf einen Filzhut!" 
Uns schauerte es.

Um uns die Stunden zu verkürzen, lenkten wir uns mit selbstverständlich hoch intelligenten Gesprächen ab, machten uns Gedanken über alles und nichts. Themen gab es noch und noch. Aber irgendwann ging uns doch der Stoff aus und wir verstummten.

Wenige Minuten später brachte eine Kundin ihre Schuhe zur Reparatur. Zwar waren es etwas elegantere Exemplare, Sandaletten oder so, konnten sich aber dennoch in punkto Schönheit nicht mit uns vergleichen. Aber wer könnte das schon?
Wahrscheinlich kein einziges anderes Paar.

„Was ist mit Euch denn passiert?“
Typisch Belle. Der guckte die Neugierde aus sämtlichen Riemchenlöchern.
Völlig verzweifelt wirkten die Zwei:
„Wir kriegen neue Absätze.“
Es stimmte, deren Aussichtstürme waren ja noch viel schiefer als unsere.
"Das bedeutet ´nageln!`," dachte ich mtleidig.

„Woran das wohl liegt?“, flüsterte ich Belle zu. Sie wusste es auch nicht.
Ich grübelte und grübelte und erklärte es mir dann so:
„Weil die Erde rund ist. Marschiert man lange genug auf ´ner Kugel herum, dann sind Absätze schief getreten, deswegen dann arg beleidigt und klacken darum unmissverständlich sauer vor sich hin.“
Ja, ich war felsenfest davon überzeugt, so und nicht anders wäre es.
Stolz verriet ich Belle diesen meinen überragenden Geistesblitz.
Die erklärte mich einfach für verrückt:
„Quatsch, du spinnst!“
Aber eine bessere Begründung brachte sie auch nicht.

Eigentlich wollte ich diese wichtige Erkenntnis mit all den anderen Schuhen teilen. Wegen Belles niederschmetternden Widerspruches aber behielt ich dann meine Weisheit lieber für mich.

So verging der erste Tag, ohne nennenswerte Ereignisse, eben so ganz ohne Aufregungen.
„Mist, wenn das unser ganzes Leben lang so läuft, dann...!?“, knurrte ich leise.
„Klick- klack!“, machte es nervös neben mir. Das kam von Belle..
„Isa! Hab` doch etwas Geduld!“, redete sie mir ganz ungeduldig zu.
„Morgen ist auch noch ein Tag!“, tröstete sie mich und auch sich.

Sie ahnte ja gar nicht ,wie sehr das zutraf. Nicht allein, dass mit dem nächsten Morgen natürlich ein neuer Tag anbrach, sondern vor allem, dass endlich etwas Entscheidendes passierte.

Unser Meister öffnete seinen Laden gegen neun Uhr. Schon zehn Minuten später betraten zwei Frauen das Geschäft. Sie hatten viel Ähnlichkeit miteinander:
„Bestimmt Mutter und Tochter!“, vermuteten wir.
Wir musterten sie kurz und waren uns schnell sicher:
„Du, Isa, das ist unsere Chance! So wie die aussehen und gekleidet sind, kaufen die garantiert nicht diese doofen Latschen von gegenüber. Die suchen etwas Schickes!“

Richtig, das junge Mädchen überflog beide Regale mit einem flüchtigen Blick, der dann tatsächlich an uns hängen blieb.
„Mutti, die sind ja toll! Passen die, dann nehm` ich sie!“, jubelte es laut los.
„Klick, klick!“, machten wir jetzt beide, total aufgeregt.
Unser Meister zwinkerte uns unauffällig zu. Sofort nahmen wir noch mehr Haltung an als bisher.
„Ist denn der Absatz nicht doch ein wenig zu hoch!?“, zweifelte die Mutter.
„Du musst ja beim Tanzen auch vernünftig auf ihnen laufen können.“
„Mutti, fürs Walzer tanzen brauch` ich genau so hohe Absätze. Alles andere sieht bekloppt aus!“, tönte es selbstbewusst.

Jetzt kam der große Moment. Die junge Dame streifte uns über. Beide schmiegten wir uns ganz zärtlich und geschmeidig um ihre Füße:
„Nimm uns!“, flehten wir im Stillen.
Sie drehte sich ein paar Male um sich selbst, besah sich im Spiegel und juchzte:
„Die sehen ja todschick aus!. Die will ich!“
Mit dieser Aussage bestätigte sie unsere Meinung von unserem Äußeren ja nun ganz ausdrücklich.
Zufrieden bemerkte ich:
„Belle, die ist klug. Die hat erkannt, wie toll wir sind!“

Außerdem passten wir wie angegossen. So erging es ihr nicht wie Aschenputtels Stiefschwestern im Märchen, die sich dafür erst die Zehen abhacken mussten. (Den Prinzen bekamen sie trotzdem nicht. Pech für sie. Den kriegte Aschenputtel.)
Wie gesagt, mittlerweile schlug mein Selbstwertgefühl Purzelbäume.
Belles übrigens auch.

Kurz und gut: Wir wechselten den Besitzer, landeten in einem weich gepolsterten, uns angemessen schicken Pappkarton und danach in einer flotten Einkaufstüte.

„Macht` s gut, Ihr zwei!“, verabschiedete sich im Hintergrund unser Meister noch von uns, aber das kriegten wir nur noch so eben mit.

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