Telefoon!

Satire zum Thema Kommunikation/ Dialog

von  tastifix

Heute habe ich ein paar wehmütige Minuten gehabt, bin mit meinen Gedanken ganz woanders gewesen.

Mir entringt sich ein Seufzen:
"Ja, die gute alte Zeit...!"
"Was erzählst du da bloß für einen Blödsinn?", fragt mich meine innere Stimme.
"Was war an der denn besser, kannste mir das ´mal erklären?"
"Ja, also...", beginne ich und gerate ins Stottern.
"Nahaah...?, wartet sie gespannt.
"Es war eben noch nicht so stressig wie heute!", fällt es mir da ein.
Ich bin darob erleichtert.
"Wieso das denn??"
Nach einer kurzen Gedenkpause kommt von mir der Ausspruch des Tages:
"Es gab noch keine Handys!"
Sie ist sichtlich beeindruckt, schweigt einen Moment und stellt dann verstehend fest:
"Ach, daher weht der Wind!"
"Ja!", bestätige ich bekümmert.

Wie groß mein Kummer deswegen ist, sprudelt nun einfach so aus mir heraus. So, wie ich mich anhöre, bin ich fast mit den Nerven am Ende.

Also, haben Sie ´mal ein großes Haus mit drei Etagen und vier Töchter. In jeder Etage residiert ein Festnetz-Telefon. Es residiert und wir sind seine Zofen. Es braucht nur zu bimmeln, schon stürzen wir im Düsenjäger-Tempo heran, damit es ja nicht zu lange läuten muss. Kämen wir nicht rechtzeitig bei ihm an, hüllte es sich deprimiert in Schweigen. Meinen Töchtern aber ist ein stiller Quasselapparat ein Greuel. Denn es könnte ja sein, dass das Ding dann tatsächlich sogar für ´ne ganze halbe Stunde seine Muschel geschlossen hält.

Damit aber unsere Jungend um Gotteswillen nicht auch Depressionen kriegt, gibt es seit geraumer Zeit so niedliche und immer niedlichere kleine Kästchen, die auch bimmeln. Richtig, ich meine die Handys.

Die schauen ein wenig hochnäsig auf ihre Artgenossen herab. Sie sind nämlich im Gegensatz zu denen Freigänger und zwar nicht nur bis in den Garten, nein, sie sind immer mit von der Partie. Sie lümmeln sich in den Hosentaschen der jungen Männer oder auch in flotten Handtaschen der Teenager herum. Damit man sie trotzdem nicht überhört, wird ihre Rufmelodie auf Lautstärke Hundert gestellt.

Da es nicht nur eines von ihnen gibt, sondern ganz, ganz viele, hört man auch ganz viele verschiedene Melodien. Top ist es, wenn die Handys alle wie auf Kommando zum selben Zeitpunkt los quietschen. Jedes scheint sich die allergrößte Mühe zu geben, sich ja noch durchdringender zu Laut zu melden als der Rest der Handy-Mannschaft.

Sie bimmeln während wichtiger Termine, die nicht gestört werden dürften - leider hat man vergessen, den kleinen Frechdachs vorher auszustellen. Sie unterbrechen hoch interessante Gespräche beim Bäcker, Friseur oder auch den nachbarschaftlichen Kaffeeklatsch. Sie machen sich überall bemerkbar, zu den ungünstigsten Zeiten und mit Vorliebe dann, wenn man ´mal seine Ruhe haben möchte.

Nur wird daraus nichts. Ich gebe mich immerhin mit nur einem dieser Tyrannen zufrieden. Doch bei meinen Töchtern wohnen je mindestens zwei Handys. Mittlerweile habe ich es aufgegeben, mitzuzählen: Vielleicht sind es inzwischen sogar noch ein paar mehr.

Im Haus rumoren diese Handys, da daheim, völlig ohne Hemmung den ganzen Tag und manchmal sogar noch spät in der Nacht. Schließlich sind sie ja hier zuhause. Aber wenigstens abends kann ich dieser Lärmbelästigung ein Schnippchen schlagen.

Ich bin so frei und schließe ihnen einfach meine Zimmertüre vor deren Tasten fest zu, lasse frech die ollen Dinger im Treppenhaus, im Keller und in den verschiedenen Jung-Damen-Zimmern zurück. Da können sie gerne randalieren, bis die Akkus leer sind.

Selig genieße ich die Ruhe, atme auf:
"Puuh, endlich Stille!"
Ich flegele mich auf mein Bett und freue mich auf einen Film, den ich schon längst einmal ansehen wollte. Schon erscheint der Vorspann. Der Spaß kann beginnen.

Nach kaum mehr als zwei Minuten bimmelt es. Es bimmelt anhaltend, es bimmelt frech und es bimmelt für meine Ohren zunehmend lauter.
"Verdammt, nee also wirklich! Jetzt möchte ich ein einziges Mal...!"
Was ich ein einziges Mal denn möchte, bleibt unausgesprochen. Ich komme einfach nicht mehr dazu.
"Meensch, können die nicht ihre Handys wenigstens spät abends...?", entrüste ich mich, bin sauer und dann wütend.

Die Wut bringt mir nichts.
Es läutet und schellt und bimmelt und ruft unablässig. Irgendwie kommt mir diese Melodie merkwürdig bekannt bekannt vor. Ja, die habe ich, verflixt noch ´mal, doch schon irgendwo gehört...!?"

Es klingt verdächtig nah.
Ich drehe mich auf die Seite, greife stöhnend nach hinten und halte...mein Handy in der Hand:
"Halloo:::!!??"

Und dann:
"Ach, wie schön, dass du anrufst...!!"

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