Schwarzer Seidenschal und blutrote Küsse

Kurzgeschichte zum Thema Erotik

von  Martina

Das volle Mondlicht beschien mir den sandigen Weg durch den Wald. Nebelschwaden zogen sich leise wie ein Phantom durch das Dickicht, fast als würde er schauen, ob die Luft rein war. Irgendwo schrie fast kläglich ein Käuzchen. Ein bisschen unheimlich war es schon, aber das erhöhte ja nur zusätzlich die Spannung. Es war fast ein wenig zu kalt für mein kurzes, rotes Kleid. Doch für diesen Abend war es mir das wert gewesen, etwas zu frieren. Mein Herz war doch schon lange Kälte gewohnt, da würde es auf etwas mehr oder weniger auch nicht ankommen. Mit schnellen Schritten lief ich dahin und suchte ich das Marienhäuschen im Wald. Dorthin hatte ich ihn bestellt. Ihn, den ich nur vom Schreiben her kannte. Ein Schmunzeln huschte über meine zu rot gefärbten Lippen, wenn ich daran zurück dachte. Aber die Dunkelheit würde ihnen eh den größten Teil der Farbe entreißen. Hoffentlich hatte er den Weg gefunden, wie ich ihn so gut es ging beschrieben hatte. Der Gedanke hier alleine in der Wildnis zu sein, war mir nicht gerade geheuer. Überall schien etwas zu ächzen und zu knacken. Hoffentlich trug er auch wie abgemacht den schwarzen Seidenschal, der ihm das Sehen unmöglich machen sollte. Eigentlich wollte ich nie ein Blind Date. Aber Lars, so hieß er, ließ einfach nicht locker. Er war wie besessen von dem Gedanken mich einmal zu treffen, und seinen Geburtstag nahm er als würdigen Anlass, sich dieses von mir zu wünschen. Es war seltsam, dass ein Fremder einem so vertraut war. Wir wussten fast immer was der andere dachte, noch bevor man die Antwort bekam. Gab es so etwas wie Seelenverwandtschaft? Immer öfter dachte ich darüber nach, so suspekt war mir alles. Und als ich ihn dann dort stehen sah, das erste Mal, war er mir kein bisschen fremd. Ich schlich mich so leise wie möglich an ihn heran. Im Mondlicht konnte ich seine kräftige Silhouette sehen, obwohl er nicht dick war. Genau so, wie ich es am liebsten mochte. Er trug eine schwarze Stoffhose mit einem knallroten Rollkragenpullover, passend zu meinem Lippenstift. Mein Gott, er sah so toll aus, wie er da so verloren stand, ohne dass jedoch seine männliche Ausstrahlung darunter litt. Lars wußte genau, dass ich auf diese Art Kleidung stand. Er schien mich schon durch meine Geräusche, die sich im Wald nicht vermeiden lassen, gehört zu haben, denn sein Kopf, mit seinem dichten, dunklem Haar schnellte gleich in meine Richtung.
Ungläubig, fast als hätte er nicht wirklich mit mir hier gerechnet, rief er meinen Namen. Mit einem Satz stellte ich mich hinter ihm, und schob meine Arme langsam unter seinen hindurch. Ich schmiegte mich ganz nah an ihn und hielt ihn einfach nur fest. Seine Brust hob und senkte sich schneller unter meinen Händen. Selbst durch seinen dicken Pulli konnte ich seine Wärme spüren. Er war so aufgeregt wie ich. Ich vergrub meine Nase in seinen frischgeduschten Haaren, und sog den würzig herben Duft tief in meine Lungen. Ich wußte, dass er genauso riecht. Es war fast, als wäre ich irgendwie in meinen so unendlich oft geträumten Traum hineingesprungen, um ihn nicht nur geistig, sondern auch körperlich erleben zu dürfen. Alles war genauso, wie ich es mir immer vorgestellt hatte.
Er lehnte seinen Kopf weiter zurück und rieb ihn sanft an meiner Wange.
Mit einer fast zärtlichen Stimme, die man seinem Äußeren gar nicht zugetraut hätte, sagte er mir, wie sehr er sich nach diesem Moment doch gesehnt hätte.
Ich löste mich langsam von ihm, und ging um ihn herum, bis ich vor ihm stand.
Nun konnte ich sein markantes Gesicht besser betrachten, bis auf die verdeckten Augen.
Was er für sinnliche Lippen hatte. Ein Schmerz durchflutete mich bis in meinen Unterleib. Eigentlich war abgemacht, dass wir uns nur mit den Händen berührten. Aber bei Gott, ich musste diesen Mund einfach küssen, nur einmal. Nie im Leben hatte ich je eine Regel gebrochen, dieses hier würde die erste und letzte sein. Ich stellte mich etwas auf die Zehenspitzen. Nun spürte ich seinen Atem auf meinem sowieso schon erhitzen Gesicht. Noch nie war er mir so nah, vielleicht würde er mir auch nie wieder jemals so nah sein wie in diesem Moment. Seine Hände glitten so zart über meinen Körper wie vorher die Nebelschwaden über den feuchten Waldboden. Plötzlich, als fiele der Vorhang zum Finale zu, als wollte man dieses in sich versunkende Paar vor dem Rest der Welt abschirmen, schob sich eine Wolke vor den Mond, und wir standen beide blind voreinander. Es war ja eh mein Wunsch, dass er sich nicht von dem was er sah täuschen lassen sollte. Ich wollte nicht, dass er, wie alle anderen, nur von meinem Aussehen angetan war. Deshalb meine Bedingung, dass wenn überhaupt, er mich nur mit verbundenen Augen treffen durfte.
Und nun war ich auch fast blind und konnte ihn in der Dunkelheit nur noch ahnen. Eigentlich brauchte ich keine Augen um ihn zu sehen. Ich wußte, wer er war, fast, als hätte ich schon viele Leben mit ihm verbracht.
Ganz nah drückte ich mich an seinen muskulösen Körper, und er legte seine starken Arme endlich fester um mich, fast, als wollte er mich nie wieder gehen lassen. Ja, er hielt sich an die Regel. Mehr als fühlen und spüren war nicht drin. Und nun verzeih Liebster, wenn ich schwach wurde. Unendlich zärtlich gleitete meine Nasenspitze an seinem Hals hoch. Ein Seufzer wie aus den tiefsten Tiefen seiner Seele entgleitete seiner Kehle und ließ mich fast verrückt vor Lust nach ihm werden. Mit Schmetterlingsküssen setzte ich den Weg zu seinem Kinn fort. In dem Moment schien er nicht mehr an Regeln oder irgendetwas zu denken. Er war einfach nur noch Mann, zog mich mit aller Kraft noch näher an sich und presste seine heißen verlangenden Lippen auf meinen sehnenden Mund. Unsere Zungen verschlungen sich ineinander wie die Arme zweier Liebende, die nicht genug Hände haben, um sich zu liebkosen und zu halten. Dieser Kuss riss uns von der Erde, überhaupt von allem weltlichen. Wir waren nicht mehr bei uns. Fast als würden unsere Seelen aus unseren Körpern treten, um sich zügellos zu vereinen, bevor wir uns aus der Umarmung lösten und der Zauber zu Ende ging. Noch nie war ein Gefühl so intensiv, so stark, so berauschend, wie in diesen wenigen Minuten. Keine noch so harte Droge würde auch nur in die Nähe dieser Wirkung kommen.
Das Käuzchen schrieh, fast wie um mich in die Realität zurück zu rufen, und es erinnerte mich an Aschenputtel, als die Uhr Mitternacht schlug und der Zauber an Wirkung verlor. Schnell löste ich mich aus seinen Armen, drehte mich um und huschte zurück in den Wald, während ich ihn noch völlig benommen zurückließ.
Und während er sich noch fragen wird, ob das alles nicht wirklich doch ein Traum war, wird ihn der rote Kussmund am Schalende vom Gegenteil überzeugen.

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Kommentare zu diesem Text

steinkreistänzerin (46)
(28.09.06)
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 Martina meinte dazu am 28.09.06:
Danke sis, das ist mal eine Geschichte, die ganz aus meiner Sicht geschrieben wurde, so wie es nur mir gefällt. Die meisten anderen waren ja aus der Sicht der Männer geschrieben- für die ist diese Geschichte wohl zu lasch, weil ja die pornografische Handlung fehlt...Lg Tina
SweetAngel (28)
(14.11.06)
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