Werwölfe

Kurzgeschichte zum Thema Horror

von  RainerMScholz

Illustration zum Text
(von RainerMScholz)
Bedrohlich stechen die gusseisernen Gitter in die Höhe des erstarrten Himmels. Die Fensterbuchten blicken wie schwarze Höhlen auf die in mattes Neonlicht getauchte menschenleere Straße. Ein scharfer kalter Wind wirbelt die Herbstblätter von den vernarbten Ästen der Bäume, die den Winter nahen spüren.
Er steht vor dem Haus und sieht zu ihrem Fenster hinauf, das lichtleer dennoch zu glimmen scheint unter der mondhellen Nacht.
Eine unbenennbare innere Wut lässt ihn erschauern im Innern, und je länger er hinaufstarrt zu ihrem Fenster, um so wütender wird er, rasend vor unerfindlichem Zorn, ein heißer siedender Groll.
Efeu rankt an einem Drahtgeflecht bukolisch an der Hauswand empor.
Sie drehte sich schlafend auf die andere Seite, zog die Decke, die vom Bett gerutscht war, über ihre weißen Schultern und träumte leise schimmernd in der Dunkelheit, wie aus einem anderen Land.
Er überwindet das verschlossene Eingangstor mit einem gewaltigen Satz und rennt in das Dämmern der Schatten.
Träge zogen Regenwolken auf und verdeckten den Mond für Augenblicke. Niemand sah die Gestalt, die scheinbar schwerelos an dem stillen Haus emporklomm, ein tiefer Schlaf schien die Welt zu erfassen.
Ein sanftes Klirren, als träumte sie noch, weckte sie, ließ  beunruhigt sie auffahren, als beschleiche eine Ahnung sie von Zukünftigem; und wusste dennoch nicht weshalb; ein Geräusch auf der Straße vielleicht; ein Tier, das sich windet unter einem anderen; eine Wahnbildung, geboren aus Träumen, ein Gespinst des Dämmers und des Zwielichts. Sie schloss die Augen und überließ sich wieder der Nacht.
Lautlos schleicht er weiter durch die Gänge, schnüffelt an jener Tür, an dieser, durchsticht das Dunkel mit dem Brennen seiner Augen, ertastet die schwarze Dichte, erfühlt ihre kalte Präsenz.
Ein Knarren auf der Treppe ließ sie abermals aus dem Schlaf hochschrecken, nun endgültig, sie riss die Augen auf - und die Tür zu ihrem Schlafzimmer barst krachend in die Wand. Die Gestalt, die wie aus ihren Alpträumen in die Realität geflüchtet zu sein schien, stand nun bebend vor ihrem Bett. Sie wich zurück, doch der Nachtmahr blieb. Sein deformierter Körper schimmerte vor Schweiß, sein fliehender grollender Atem erfüllte das Zimmer. Dies war kein Traum, sie konnte ihn riechen. Sein massiger Körper bewegte sich auf sie zu. Speichel troff von seinen Lefzen, die gewaltige Hauer entblößten. Er streckte die Arme nach ihr aus, die Pranken, die aus seine Händen geworden waren.
Dann warf er sich knurrend auf sie, begrub sie unter seinem Körper. Das Geräusch berstender Knochen durchschauerte das Haus, drang auf die Straße, vibrierend bis in die Wipfel der Bäume. Krähen flogen in das Licht des illuminierten Mondes.
Reißend schlugen seine Zähne in ihre blanke Brust, ihre Schreie verebbten gellend unter dem Blutschwall ihrer zerfetzten Kehle, Blut spritzte an die Tapete und auf die Bücher, die in den Regalen aufgereiht standen. Der Geruch des Todes lag in der Luft. Ihre Gedärme und ihr Fleisch hingen vom Bettrand, als er sein Gesicht in ihre Schenkel vergrub. Und der Mond scheint hell.
Endlich schien er gesättigt. Ihre toten Augen, noch voller grauenhaften Entsetzens, starrten in die Leere jenseits des Schlafes und des Traums.
Er hatte sie erkannt - so hat er sie getötet. Es schien nicht mehr wichtig zu sein. Der Nachtmahr verschwindet, wie er gekommen war, und die Welt schläft in der Stille. Ein Schrei nur - dann wieder: diese Stille.


© Rainer M. Scholz

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Kommentare zu diesem Text

Joe (52)
(21.11.08)
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 RainerMScholz meinte dazu am 24.11.08:
Ich habe dahingehend abgeändert, dass eine persönliche Facette der Rache ("sie kannten sich") weggefallen ist, weil ich dachte, dass das ein wenig sehr einfach ist (auch im Hinblick auf: er kam, sah und biss). Vielleicht macht das die kleine Geschichte ein wenig belanglos. Die andere Variante erschien mir aber zu banal: Du hast mich auf die eine oder andere Art verletzt und jetzt fress ich dich. Na, ich weiß nicht, ob da noch viel zu reparieren ist. Zum Heulen. Ich lasse es `mal so stehen.
Danke für den ersten Kommentar, Joe.
Grüße,
R.
The_black_Death (31)
(26.11.08)
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 RainerMScholz antwortete darauf am 26.11.08:
Versuche, den poetischen Impetus auf dich wirken zu lassen, der intendiert ist.
Danke für den Klick, Tod.
Grüße,
R.
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