Doppelmoral am anderen Ende der Impression

Erzählung zum Thema Moral

von  theatralisch

Systemtheorie: Funke der Explosion


„Dämmrig wehen mir die berauschenden, gedankenlosen Geister entgegen,
derer ich schon lange nicht mehr mächtig bin und nun gebe ich mich auch an diesem Abend
allem hin, das mich dahingehend bewegt.“


Aus dem trotzköpfigen kleinen Unhold wurde ein ebensolcher Jüngling, der sich in nichts besser verstand als im Schmieden neuer, schandhafter Pläne, worauf er gleichermaßen angsteinflößende Taten folgen ließ, derer Intensität sich hier im Dorf ein Jeder erinnern konnte.

Er sehnte sich nach dem Fleisch eines Mädchens, eines schönen, rundum wohlgeratenem braunhaarigen Mädchens, dessen Aufmerksamkeit er einfach nicht für sich gewinnen konnte. Bis zu jenem Sommerabend:
Auch damals schon schlich sich Pius Nacht für Nacht aus dem elterlichen Haus und begab sich forschen Schrittes zu der kleinen Kapelle am Ortsrand.
Was tat er dort, in jener hungrigen Nacht, der kleine Mann, was verschlug ihn ausgerechnet dorthin, ihn, der sich vielmehr als Antichrist bezeichnet hätte als ein bekennender wohlgesonnener Jünger Gottes zu sein. Nun, was er dort vollbringen mochte, konnte man nichtmals erahnen, da es in niemandes Haut steckte, sich einer derartigen frevelhaften Gemütstäuschung unterziehen zu lassen, hätte man den Inhalt seiner Handlungen gekannt.
Trotz allem, trotz der ihm entgegengebrachten Abneigung vieler Gleichaltriger und auch die der Alten, hatte Pius ein gutes Herz, wenn es um das festsitzende Gefühl der Liebe ging.

Er mag wohl schon einige Minuten gegangen sein, da nahm er etwa 100 Meter von der Kapelle entfernt, etwas erschreckenes wahr, dessen er sich am liebsten niemals bewusst geworden wäre, denn dieser Schrecken hatte sein bisheriges seelenloses Leben in einen ungewissen Zustand versetzt.
     
„Nebelweich flimmerte ein Bild im Dämmer: Ein irrsinniges Schreien zerriss die Nacht und prasselte mit geballter Wut auf sämtliche Gemüter ein, die sich diesem Schrei nicht entziehen konnten.“

Gefesselt vom Laut, der sich aus dem Sog der Finsternis löste, stürmte Pius los, und er stürmte und stürmte, als hätte er eine dieser erstickungsgleichen Vorahnungen gehabt, was ihn in nächster Reichweite des Schreies zu erwarten gehabt hätte.

Und was er dann zu sehen bekam: Ein Mädchen, sein Mädchen, ein hässliches Bild, ein sich losreißender Umriss, der sich in rasender Schnelle vom Elend entfernte und dann: Das Mädchen, in ihrer vollkommenen Losgelöstheit, wie einst in einem seiner Träume, wohl lediglich mit der Gewissheit, dass man sie dort lebendig wissen konnte.     


Durchaus war da eine Spur von Verwesung, nach der er sich sehnte. Doch nicht das Tote. Das einstige Leben.

[...]

Durch keine Flasche Cognac der Welt hätte er sich besser fühlen können und doch trank er eine Menge davon. Das war die Gier, verstärkt durch den Anblick, die ihn fortwährend milde stimmte und ihn in dem Glauben ließ, selbst Teil der Handlung zu sein und somit nahm er die Züge des Mädchens an und schmückte sich mit dem Ruhm, dem er ursprünglich dem eigentlichen Vollstrecker entgegegebracht hätte. Er wickelte sich von nun an die Schlinge eigenhändig um die Gelenke und sprach sich selbst von jeglicher Moralvorstellung frei.

Und, so hätte man dem Anfang der Geschichte gelauscht, könnte man an dieser Stelle mit Gewissheit schlussfolgern, dass er mit gänzlicher Sicherheit keine widerwertige Tat begang und auch niemals ein Messer, einen Dolch, oder andere verabscheuenswerte Gegestände in seine Hände nahm. Der Frieden schien förmlich auf seiner Seite zu wallen. 


Der, dessen Spur er verlor... [ff]


Anmerkung von theatralisch:

Moral, die Moral, Moral, ja, DIE Moral!
Nein, keine Moral, ein Abgrund, eine Wutprobe, ein heißes Geflecht aus Worten und Taten, die in stetiger Wechselwirkung erfolgen.

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