Wenn Gefühle sich selbstständig machen...

Innerer Monolog

von  Rebekka

Gewaltprävenzion – Was ist denn das für ’ne Scheiße? Bestimmt voll öde!
Ein Polizist kommt herein. Zivil gekleidet. Relativ jung. Ganz sympatisch.
Begrüßung. Komplimente. Was sind wir doch für ’ne tolle Klasse, niemand schwänzt und wenn man zu spät kommt entschuldigt man sich. Ja, DAS können wir!

Aha, jetzt geht’s los. Die pädagogisch wertvollen Spiele beginnen.
Zum Anfang mal eine ganz einfache Frage: Habt ihr mit Gewalt zu tun? Stellt euch doch mal in die Ecken. Dort gehen alle für die Gewalt ein Fremdwort ist, in diese Ecke, wenn ihr schon Gewalt kennt aber diese schon Monate her ist, dahinten wenn ihr wöchentlich Gewalt mitbekommt und da vorne: naja, wenn ihr täglich Gewalt mitbekommt.
Grölen. Lachen. Witze. Tägliche Gewalt scheint’s bei uns nicht zu geben. Wie schön! Kann man sich ja drüber lustig machen!

„Hey, wohin gehst du? Ich weiß nicht wohin ich soll’“  Scheiße. Was mache ich jetzt? Klar, es ist schon Monate her. Aber war das Gewalt? Ich habe mich total Scheiße gefühlt, mir ging’s so mies...
Ja, es war Gewalt. Aber... was ist wenn der fragt warum ich dort steh’? Was soll’ ich dann sagen? Ich kann das nicht erzählen. Ausgeschlossen. Aber ich kann auch nicht in die Ecke ohne Gewalt gehen.
Los, geh schon.

Ich steh in der „Monatsgewalt-Ecke“. Ganz nach hinten verkrochen. Neben mir ausgerechnet ER. Der, wegen dem ich hier steh’. Wir werden gefragt, warum wir hier stehen.
Panik.
Ich will nicht antworten.
„Da also... Das war vor den Osterferien...“
Ob ich mich noch erinnern kann?
Kopfschütteln.
ER, der nette Junge von nebenan?
Er zofft sich öfters mit seinem Bruder.
Oh, du Armer! Kannst einem glatt Leid tun.
Wut.

Alle wieder hinsetzen.

Allgemeines Fachsimpeln über Gewalt. Mobbing kommt zur Sprache.
Ich habe keine Lust mehr.
Ich will hier weg.
Wut.
Zorn.
Erinnerung an die zurückliegenden Monate.
Längst überwunden geglaubte Gefühle sind wieder da.
Sie waren nur vergraben.
Anscheinend nicht tief genug.
ER guckt mich nicht an.
Ihn berührt das alles gar nicht.

Ich kann nicht mehr.
Ich melde mich.
Alles bricht aus mir heraus.
Was ER dazu sagt? „Aber... Das war ich nicht allein!“
Wut.
Tränen.
Scheiße. Warum muss ich jetzt heulen? Das ist ja voll daneben gegangen. Hätt’ ich bloß nichts gesagt.
Ob ich rausgehen will? Ja, bloß weg von hier.

Draußen. Ich beruhige mich. Mit Taschentuch Tränen  abwischen. Wieder rein. Selbstbewusst auftreten. Nicht so wie vorhin! Gefühle verbergen. Das kann ich doch.
Ich höre nicht zu.
Plötzlich fühle ich einen Stoß. Jemand beugt sich zu mir. Geflüsterte Worte: „Hey, das vorhin... das war echt mutig! Hätte ich mich nie getraut“

Mutig? Mit mir sind die Gefühle durchgegangen. Ich wollte das ganz anders machen. Souverän.
Selbstbewusst.
IHN anklagen, verachten.
Aber nein, ich musste heulen. Das war doch nicht mutig!
Oder?


Anmerkung von Rebekka:

Der Text ist mir wirklich wichtig und ich freue mich über jeden Kommentar, nicht nur inhaltlichen sondern auch sprachlichen! Danke

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Kommentare zu diesem Text

gimme_shelter (37)
(12.10.04)
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 Rebekka meinte dazu am 12.10.04:
Danke! Der Text bedeutet mir viel, da ich das Geschehen durch ihn verarbeiten konnte. Ich freue mich sehr, dass er dir gefällt! Rebekka
Candice (23)
(05.02.06)
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 Rebekka antwortete darauf am 30.07.06:
auch dir ein verspätetes Danke, ich freue mich immer über eienn Kommentar zu diesem Text, doch ich lese ihn mir nicht oft durch, da alle erinnerungen wieder kommen...
ich sehe auch keine chance mobbing zu beenden, auch wenn jetzt (siehe unten) viele von den Leuten die mich damals gemobbt haben meine Freunde sind, ich kann mir immer noch nicht erklären warum sie damals aufgehört haben, von einem Tag auf den anderen... das schlimmste daran ist, dass ich weiß, dass ich es nicht ausgehalten hätte, hätten sie auch nur einen Tag weitergemacht! Ich glaube das ist das Schlimmste am Mobbing, das Gefühl, etwas nicht selber beeinflussen zu können. Egal, wie du dich verhälst, du kannst nichts dran ändern.

nochmal danke für deinen Kommentar, liebe Grüße Rebekka
Gwin (25)
(30.06.06)
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 Rebekka schrieb daraufhin am 30.07.06:
Danke für deinen Kommentar und die Empfehlung.
Der Text bedeutet mir wirklich viel, jedes mal wenn ich ihn lese kommen die Gefühle wieder hoch und ich werde in die Situation zurückversetzt... schon verückt.... viele von denen die ich damals gehasst habe sind heute sehr gute Freunde von mir.....

noch mal danke,
liebe grüße
Rebekka
Graeculus (69)
(17.05.17)
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