Kapitel 1

Erzählung

von  Judas

Ich wache auf und das Bett ist leer
Das stört mich eigentlich gar nicht mehr
Auch sonst ist alles in Ordnung so weit
Da wär’ nur noch eine Kleinigkeit!
Du hast gesagt, ich schaff’ es nie ohne dich
Ich hab gehört, dass du das allen erzählst
Das find’ ich absolut lächerlich

Ich hab doch nie gesagt, dass du mir fehlst
[/pre]

Mein Name ist Jeffrey O’Bannon. Die meisten nennen mich Jeff. Ich bin einer der wenigen, der die Scheiße überlebt hat. Die mit dem Virus. Aber das ist nicht Inhalt dieser Geschichte, nein. Inhalt ist etwas, worüber ich erst viel zu spät anfing nach zu denken. Es ist zum Teil meine Gesichte und zum Teil die Gesichte von jemandem, der ebenfalls die ganze Scheiße mit dem Virus überlebt hat: Ash.
Ich hasse diese Frau und sie hasst mich, das muss vorher erwähnt werden. Ich hasse sie jetzt, wo ich dies schreibe, auch noch mehr denn je. Doch fangen wir am Anfang an, dort wo man normalerweise anfängt…
Wir schreiben den ersten Januar, der erste Sylvester nach dem Sieg der Medizin über das Virus. Der letzte Zombie war vor 3 Monaten vernichtet worden und die wenigen Überlebenden der Welt feierten gleichermaßen die Jahreswende. Tier, Mensch und Umwelt zusammen. Vieles war zerstört, unwiederbringlich tot, doch die kleinen, grünen Pflanzen, die wieder sprossen aus dem Chaos der toten Städte bedeuteten Hoffnung für jeden von uns. Vielleicht war es die Einsamkeit, die gemeinsame Situation oder der innerste Instinkt des Menschen, sich erhalten zu wollen. Jedenfalls… es gab eine kurze Zeit, in der Ash und ich uns fast mochten. Man konnte nicht sagen, wir waren verliebt, aber sie fühlte sich gleichermaßen angezogen von mir wie ich wohl von ihr. Auch Freundschaft wäre bei Weitem ein falsches Wort gewesen. Immerhin hatten wir Dank der Euphorie, das Virus besiegt zu haben – woran niemand, wirklich niemand mehr geglaubt hatte! – vergessen, dass wir uns sonst stritten und auf den Tod nicht ausstehen konnten. Ich sagte ja, genau weiß ich nicht, woran es lag. Wir schworen uns auch in jener gemeinsamen Sylvesternacht keine Treue oder der gleichen. Auch beschränkte sie sich nicht einfach auf Sex. Es war bloß stilles Beisammensein und ja, eigentlich hasse ich romantischen Kram wie Kuscheln und Küssen im Dunkeln und ich gehe jede Wette ein, dass Ash das genauso hasst, aber in diesem Moment war es, denke ich, sehr unwichtig. Doch obwohl wir uns in dieser Nacht einmal einig waren, vollzog sich bei mir eine Wende, die ich erst jetzt verstehe. Alles, wirklich alles, wäre anders geschehen, wenn dasselbe auch bei Ash passiert wäre, aber nun weiß ich, dass es bei ihr nie einen Änderung gegeben hatte, zum mindest was mich betraf.
Ich will diese Nacht nicht näher beschreiben, denn ich beabsichtige nicht, einen kitschigen Liebesschinken zu liefern oder will auch niemanden anschwärzen für das, was er tat. Doch muss der lauschige Sylvesterabend erwähnt sein, in dem wir uns einmal ehrlich anlächeln konnten, denn er bildet schließlich den Anfang. Wie ich schon sagte, die Wende.
Es kam wie es kommen sollte. Ash und ich waren nie zusammen, auch wenn es nicht bei dieser einen Nacht bleiben sollte, doch war es nie wieder dasselbe gewesen. Rein körperliches Interesse, von uns beiden aus und von netten Worten war kaum eine Spur. Doch es lebte sich auseinander. Aus beruflichen und persönlichen Gründen. Und es sollten nur 2 Jahre vergehen, da bewiesen die wenigen Menschen der Erde, dass sie kleine Ameisen seien konnten, wenn es drauf ankam und sie so kleine Gesellschaften in einem zerstörten Chaos erschaffen konnten. Natürlich war es sinnlos, in Zeiten wie diesen als Hacker zu arbeiten, doch meine Computerkenntnisse brachten mich recht weit zu der damaligen Zeit. Endlich konnte ich auch den Bart und die Haare auf eine ansehnliche Länge stutzten und sah nicht mehr aus wie ein Waldschrat. Ich hatte wieder viele Hosen und trug endlich auch wieder T-Shirts und Pullover. Zu der Zeit hatte ich Ash noch nicht ganz verdrängt. Ich gebe zu, ab und an dachte ich noch an diese Zicke, aber nicht oft. Es gab nur eines, was uns meiner damaligen Meinung nach verband, nämlich der Umstand, dass wir die einzigen beiden Überlebenden des Bunkers waren. Wir haben dasselbe durch gemacht, mehr nicht und unsere „Freundschaft“ bezog sich auf Eigennutz von beiden Seiten.
Ich bin sehr froh, dass neben mir auch mein XC-7000 überlebt hatte, denn ich wüsste nicht, was ich ohne ihn noch auf dieser Welt zu schaffen hätte. Was Ash zu dieser Zeit tat, wusste ich nicht. Woher auch? Es mussten jedoch noch 3 weitere Jahre vergehen, bis ich Ash endgültig aus meinen Gedanken gestrichen hatte. Ich war sogar so weit, wieder fast mein altes Leben zurück erlangt zu haben, das alte, chaotische Leben, was ich vor der Katastrophe geführt hatte. Ganz sicher war ich selbst nicht mehr der alte Jeff. Dazu saßen die Erfahrungen einfach zu tief und das ist nur verständlich. Verliebt war ich auch, oh ja, in meinen Laptop. Er war mir Herz und Seele, doch so friedlich sollte mein Leben nicht bleiben. Wäre ja auch langweilig, nicht wahr? Bald sollte der Punkt kommen, an dem sich die Sylvesternacht vor 5 Jahren an mir rächen würde für meine Arroganz. Für meinen Stolz. Und meine Blindheit…
Es war ein trockener Wintertag. Frostig fegte der Schnee über die leeren Straßen von New New Orleans (ein beschissener Name, aber ich hab ihn nicht aus gesucht), welches um einiges kleiner geraten war, als zu seiner Blütezeit. Ich machte mich gerade auf den Weg zum Bäcker und da dieser nicht sehr weit von meiner Wohnung entfernt war, trug ich nur einen dunkelgrauen Rollkragenpullover. Mit hochgezogenen Schultern und leicht bibbernd huschte ich ohne mich um zu sehen über die leere Straße, mit den wenigen, verbliebenen Autos konnte eh keiner mehr so richtig etwas anfangen, außer zur Nutzung von Einzelteilen. Da ich auf den Boden starrte, sah ich den Kerl nicht, gegen den ich deshalb auch prallte. Erschrocken hüpfte ich zurück und sah auf. Ja, ich musste aufsehen, denn der Typ war sicher gut 2 Meter hoch… wenn nicht noch größer. Er hatte zwar ein freundliches Gesicht, aber selbst unter dem dunklen Mantel konnte er kaum verstecken, dass er jemandem wie mir ohne Probleme mit einem Handwink das Genick brechen konnte. Er war nicht massig oder protzig, aber hundertprozentig ungemein kräftig. Ich hätte ihn wohl noch verdächtig lange angeblinzelt, wäre da nicht plötzlich eine freche Stimme von der Seite zu mir durchgedrungen: „Ich glaubs ja nicht… du lebst noch?“ Ich drehte den Kopf, die Stimme kam mir seltsam bekannt vor, und dann sah ich auch, wer sich da bei dem Kerl eingehakt hatte. „Ash?“, ungläubig riss ich die Augen auf. Sie hatte sich verändert, war wohl wieder eine normale Frau, auch wenn ich in ihrem Blick noch ganz eindeutig das Kämpferische sah. Ihr Mitbringsel, den ich spontan beschloss, nicht zu mögen, sah uns beide verwundert an. „Ash? Wieso nennt er dich Ash, Süße?“ Boar Süße. Die Ash, die ich kenne – oder kannte – hätte mir für so was den Hals um gedreht. Aber jetzt lächelte sie nur kess und winkte ab. „Ein alter Spitzname.“, erklärte sie und schubste mich spielerisch, was mich jedoch von der Bordsteinkante stolpern ließ. „Hey Jeff… haben uns echt lange nicht mehr gesehen, du kleiner Mistkerl… wohnst du hier? Wer hätte das von dir gedacht, dass du es noch mal zu was bringst.“ Ich zog die Augenbrauen zusammen. „Freundlich wie eh und je.“, zischte ich und streckte mich ein wenig. Dennoch wirkte ich neben diesem Bodybuildermacho oder was er war echt schmächtig. „Ja, ich wohne hier, gleich da gegenüber.“ Ich fuchtelte mit der Hand Richtung Gebäude, in dem meine Wohnung lag. „Jetzt muss ich aber weiter. Wenn du Godzilla, “, dabei warf ich dem Typen, der sie Süße nannte einen flüchtigen, abschätzenden Blick zu, „grad nicht bei dir hast, kannste mich ja mal besuchen.“ Was ich da übrigens bezweifelte. Ich hob kurz die Hand und rauschte davon, um mich in den Bäckerladen zu retten. Um den beiden nicht noch einmal über den Weg zu laufen, ließ ich mir auch ausgiebig Zeit, die Brötchen aus zu suchen, obwohl ich mir Endeffekt wieder zwei Doppelte mitgeben ließ. Wie immer. Auf den Weg nach Hause war ich ein wenig nachdenklich geworden. Meinem Wissen nach lebte Ash nicht in New New Orleans (schrecklicher Name!!) sondern mehrere Meilen weit weg. Warum also war sie hier? Urlaub? Ich ahnte nicht, dass sich meine Fragen bald beantworten würden.
Die Begegnung mit Ash nach 5 Jahren hatte etwas sehr, sehr Nachdenkliches in mir geweckt und der Laptop blieb deshalb den ganzen Tag lang aus.
Am Abend klingelte es jedoch an meiner Tür und weckte mich aus der grübelnden Starre über das Universum, das Leben und den ganzen Rest. Wie ich schon erwähnte, ich rechnete nicht mir Ash, weshalb ich doch sehr verwundert war, wer mich jetzt noch besuchen kommen wollte. Noch verwunderter war ich, als ich sie an meinem Türrahmen lehnen sah, die Arme vor der Brust verschränkt und weit und breit kein Leibwächter, an den sie sich schmiegen und drücken konnte. „Komm rein…“, sagte ich bloß mit hochgezogenen Augenbrauen, als ich meiner Verblüffung Herr wurde. Ash sah sich eher flüchtig in meiner chaotischen Wohnung um, sichtlich desinteressiert und ich spielte auch nicht den netten Gastgeber und bot ihr was zu Trinken oder Essen an. „Nett hast dus hier Jeff…“ „Jep…“ Eine Weile schwiegen wir uns an. „Was machst du hier, Ash?“, fragte ich dann aber direkt gerade heraus. „Mein Freund hat in Lost Angels, das damalige Los Angeles übrigens, keine Arbeit gefunden und unsere Wohnung- “ „Dein Freund? Dieser… der Kerl von heute früh??“, unterbrach ich sie mit einer Mischung aus Skepsis und Hohn, „Ja, mein Freund.“, sagte sie langsam und ihrem Lächeln haftete etwas Bissiges an. „Wie gesagt, unsere Wohnung war etwas klein und so beschlossen wir, von Stadt zu Stadt zu ziehen. Das war vor einem Jahr. Tja und jetzt sind wir in New New Orleans… mal sehen, wie es hier läuft. Und wie sieht’s bei dir aus, Jeff?“ Ich setzte mich ihr gegenüber auf das Sofa. „Och… gut, ja, aber ich wüsste nicht, was dich das angeht.“ Ash zog ein ernsthaft beleidigtes Gesicht. Es stand quasi in Leuchtschrift über ihrem Kopf, was sie über mich dachte. In ihren Augen war ich wohl noch der selbe, dämliche Kerl wie vor 5 Jahren und ganz offenbar hatte sie vergessen, dass es auch mal eine ganz kurze Zeit gab, in der wie uns nicht wie zwei Volltrottel benommen hatten. Ich hatte es zum mindest zu dem Zeitpunkt vergessen. „Ah, dann ist der Kerl also dein Freund.“, sagte ich dann kühler. „Hätte nie gedacht, dass dein Geschmack nach all der Zeit so gelitten hatte…“ Ash kommentierte meine Aussage mit einem schiefen Lächeln. „Wenn du damit auf dich anspielst… du hast dich nie in meine Geschmackkategorie eingeordnet.“ Ihr Blick wanderte durch mein Wohnzimmer, ignorierte meine leicht giftige Miene und blieb an dem Laptop hängen. „Ah! Dein Baby, sehe ich richtig?“ „Ja…“, antwortete ich, „Der XC-7000, und er erscheint mir immer noch intelligenter als du dich jemals gegeben hast… ganz besonders bei der Auswahl seiner Freunde.“ „Wieso?“, konterte Ash verwundert, „habt ihr beide geheiratet?“ Ich grinste gespielt, sagte aber nichts mehr sondern beschloss, sie an zu sehen.
„Bist du denn glücklich?“, fragte ich schließlich und ich fragte es ernst. Wirklich ernst. (In dem Moment war meine Frage auch sehr ehrlich.) Scheinbar verwunderte meine Frage gerade deshalb Ash so sehr. „Glücklich? Ja natürlich… so glücklich man eben unter gegebenen Umständen sein kann, ich will mich nicht beschweren.“, antwortete sie langsam. Irgendwie hörte ich heraus, dass etwas in ihrer Gegenwart nicht dem entsprach, was sie wollte. Ich glaube auch, jetzt weiß ich es, denn Ash war nicht mehr Ash. Nicht mehr die Figur eines Computerspiels. Die Situation hatte sich geändert und sie war nicht mehr die Heldin eines Zeitalters der Zerstörung. Sie war jetzt ein Mensch. Vielleicht machte es sie sogar ein wenig wütend, dass ich noch derselbe Chaot wie vor 5 Jahren war… ich weiß es nicht. „Tja…“, sagte sie dann jedoch aufgeräumt und erhob sich, „wie ich sehe, hast du dich nicht verändert, Jeff, bist wohl noch der selbe Arsch wie damals… und merkst es nicht einmal.“ Sie sah mich kopfschüttelnd an und verließ mich, der ich nicht nur wütend über dieses „Kompliment“ war sondern auch anständig verwirrt.

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Kommentare zu diesem Text


 Egozentrikerin (03.12.07)
also zu dem Text fällt mir ja eh nix bessres ein, also sag ichs einfach mal...WOW!!! ich meine du weißt wie sehr ich deine Texte mag, aber das, und auch das weißt du selbst, ist echt einer der absolut geilsten...vorallem weil ich genau die Gefühle die die beiden füreinander haben irgendwie kenne....weißt du ja hab ich dir ja schon mal erzählt, aber trotzdem ist es immer wieder faszinierend, was du so schönes und fesselndes mit Worten anstellen kannst.
Bis denn dann die Ego-Tante
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