Der Elf im Schnapsglas

Erzählung zum Thema Abgrenzung

von  Secretgardener

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Da war einst dieser Elf.
Er lebte allein, weit weg von den anderen. Zumindest weit genug. Weit genug, daß niemals jemand zu ihm kam, aber auch nah genug, daß hin und wieder, sich hinter einem Pilz versteckend, er die anderen beobachten konnte.
Niemals wollte er zu ihnen gehören, oder irgendwem Wünsche erfüllen. Schon gar nicht diesen undankbaren Menschen. Er lebte allein in einem hohlen Baum, der langsam morsch wurde und einzustürzen drohte. „Wenn es passiert und ich bin drin, dann ist es eben so“ dachte er sich. Mit der Gewissheit, daß es nichts daran ändern würde.
Manchmal, wenn er die anderen Elfen beobachtete, sah er diese Eine, Fiona. Und manchmal meinte er zu glauben, daß auch sie ihn sah. Und lächelte. Er hoffte und wartete von Zeit zu Zeit darauf, daß sie sich von den anderen weg begibt, damit er sie vielleicht einmal alleine ansprechen könnte. Doch das tat sie nie. Und das vergrößerte seinen Groll auf die anderen nur noch mehr.

Dann eines Tages überkam ihn völlig überraschend die Neugier und er flog aus um nach neuen Orten zu suchen. Vielleicht auch um andere Elfen zu finden. Um auch diese zu beobachten. Sein eigenes Völkchen zu beobachten war ihm schon längst überdrüssig.
Er flog über einen See, der vorher viel kleiner erschien. Er mußte sich sehr anstrengen um beim Überfliegen nicht einfach ins Wasser zu fallen. „Heute nicht“ dachte er sich.
Als er am anderen Ende ankam, war er so erschöpft, daß er sofort zu Boden fiel und einschlief. Sein Schlaf war recht unruhig, wieder mal. Er wachte auf und fand sich in einem Glas wieder. Es war recht klein, er konnte nur durch Springen den Rand erreichen. Doch auf diesem Glas lag ein Buch, ein Lexikon (auch, wenn er das nicht erkannte). Jetzt sah er auch ein Gesicht hinter diesem Glas. Eine unfreundliche Fratze sah ihn wunderlich an. Die großen Augen kamen immer näher an das Glas, mit dem Finger wurde gegen die Wand getippt, was drinnen einen schmerzenden Lärm erzeugte. Doch der Elf ließ sich nichts anmerken. Stand einfach nur breitbeinig da und sah ihn an. Dem Menschen gefiel das gar nicht. Glaubte er doch Kontrolle über so ein kleines Geschöpf zu haben. Wütend nahm er das Buch herunter und stülpte sofort die Hand über die Öffnung. Dann schüttelte er das Glas.
Der Elf versuchte sich zu halten oder wenigstens so wenig Verletzungen wie möglich zu bekommen. Er verletzte sich das Handgelenk, die Nase blutete und die Kleidung war zerrissen. Und doch stand er wieder. Mit trotzigem Blick. Breitbeinig.
Man konnte die Wut des Menschen in dessen Gesicht deutlich erkennen. Er stellte wieder vorsichtig das Buch auf das Glas, nahm sich einige Sachen und verließ den Raum.

Als nach einiger Zeit immer noch niemand zu sehen war, überlegte sich der Elf, was er jetzt machen wollte.
Unzählige Versuche machte er und hämmerte mit seinen Fäusten gegen das Glas, versuchte es umzukippen, es in Schwingung zu versetzen, es irgendwie zu bewegen, doch nichts gelang. An die Wand angelehnt rutschte er zu Boden und saß für eine ganze Weile da, dann hatte er eine Idee.
Er stand auf und man sah das Glitzern in seinen Augen. Mit seinem Arm wischte er sich das Blut vom Mund und rannte los. Er rannte im Kreis, immer schneller und schneller. Obwohl er fast zusammenbrach, rannte und rannte er, dann stolpere der Elf und fiel. So am Boden liegend nahm er seinen Goldstaubbeutel, und mit dem Staub schrieb er etwas auf die Glaswand, in dem Wissen, daß es nie jemals jemand lesen wird, und der Mensch die Schrift nicht entziffern kann. Dann rannte er weiter. Er stolperte noch einige Male, machte aber keine Pause - rannte nur manchmal etwas langsamer.
Es wurde ihm schwarz vor Augen, er fiel zu Boden, versuchte wieder aufzustehen. Doch er hatte den ganzen Sauerstoff im Glas verbraucht.
Und als er zum letzten Male seine Augen öffnete, sah er seine Schrift.



„Ihr kriegt mich nie.“


Anmerkung von Secretgardener:

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Dank an Hvidliljer für die Inspiration und dem haifischmaedchen für den Verbesserungsvorschlag.

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Kommentare zu diesem Text

HvidLiljer (35)
(17.03.07)
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 Secretgardener meinte dazu am 17.03.07:
Ja, schon seltsam, was alles inspirierend wirken kann.
Das Märchen grad gelesen, das ist aber verdammt traurig; hat aber auch eine positive Seite. Gefallen tut es mir sehr. Das Buch hat ja auch ´ne schöne Widmung :)
Meinst wirklich, ich sollte mehr davon schreiben? Immerhin ist es doch ziemlich bitter...
Wenn sich unvorstellbarerweise wirklich mal die Umstände ergeben, und ein Buch von mir erscheint, dann hat das bestimmt einen Titel, der rein gar nichts mit dem Inhalt zu tun hat, sowas wie "Die 850 Flamingos des Dr. Oetker". ;) Und vorlesen kann ich ganz schlecht; verlese mich immer und bekomme die Betonung nicht richtig hin. Und wenn ich bei Dir bin, kann ich mich doch eh nicht darauf konzentrieren ;) Aber schön wäre es schon.
Na klar bin ich mit solch einer Dänin-Fänin zufrieden, warum auch nicht?
Hab´ ganz vielen lieben Dank für die Empfehlung, das Lob, den Kommentar und die Quadratur des Kreises.
Alles Liebe, der Angelo.
HvidLiljer (35) antwortete darauf am 17.03.07:
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 Secretgardener schrieb daraufhin am 17.03.07:
Aber nur zwischendurch mal positiv, nich? ;)
Ja, hinter der traurigen Seite, hat das Märchen auch viel Positives und Ehrenhaftes.
Ok, flötieren wir woanders weiter. hab Dich auch liep.
shadowhunter (28)
(17.03.07)
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 Secretgardener äußerte darauf am 17.03.07:
Immerhin hab´ ich die Fiona eingebaut, doch was Positives :) Ich wurde eben inspiriert...
Ansonsten geht´s ganz ok, danke der Nachfrage :)
Liebe Grüße.
haifischmaedchen (24)
(19.03.07)
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 Secretgardener ergänzte dazu am 19.03.07:
Im Grunde ja nur Ablenkung vom Inhalt, dieses Elfentum. ;) Es kam so im Gespräch mit Lizzy...
Herr der Ringe ist eigentlich auch nur ein Mahnmal gegen den Globalismus.
Aber dieses Kompliment, gerade von Dir, freut mich sehr. Vielleicht hat Dein Ratgeber mir etwas geholfen. :)
Hab´ Dank und liebe Grüße.
zackenbarsch† (74)
(19.03.07)
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dieSchatzInsel (35) meinte dazu am 19.03.07:
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 Secretgardener meinte dazu am 19.03.07:
Manchmal hilft da einfach ein Anruf beim haifischmaedchen (ist einfach Ihr Fachgebiert)...
Mir hat das mit "die Elfe" auch nicht sehr gefallen, von daher bin ich selbst auch froh darüber.
Hab´ Dank für die Empfehlung und das Kompliment. Auch Dir, SchatzInsel, danke ich für den Kommentar.
Liebe Grüße, Angelo.
herzviolett (17)
(31.03.07)
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 Secretgardener meinte dazu am 31.03.07:
Dann solltest Du aber schnell jemanden finden, der Dich wieder sortiert ;)
Aber danke für´s Kompliment.
Liebe Grüße, Angelo.

 Bellis (19.04.07)
Soviel Wut und Bitternis im Bauch eines so kleinen Elfen! Schön erzählt ist die Geschichte, aber sie ist so traurig. Schon am Anfang fand ich es schade, daß der Elf passiv und alleine in seinem morschen Baum saß, lethargisch sein Schicksal hinnehmend. Da hätte ich mir gewünscht zu erfahren, wie er so geworden ist. Vielleicht wäre dann das Ende nicht ganz so trostlos? Obwohl ich ja auch da hoffte, er schafft´s noch... :o/ Ich sperre ganz sicher keine Käfer / Bienen / Glühwürmchen mehr in Gläser - wer weiß, vielleicht sind´s Elfen? ;o)

 Secretgardener meinte dazu am 19.04.07:
Hin und wieder wünschte sich der Elf, daß seine Fiona ihn mal besuchte. Und wie er so geworden ist, überlasse ich Deiner Phantasie; aber recht klassisch war es.
Du sperrst keine Insekten mehr in Gläser? Hast Du das etwa bis jetzt gemacht? Schäm´ Dich! ;)
Aber hab´ Dank für das Lob und für Deinen interessanten Kommentar, habe mich sehr gefreut.
Liebe Grüße, Angelo.
The_black_Death (31)
(27.07.07)
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 Secretgardener meinte dazu am 27.07.07:
Vielen Dank für´s Kompliment und die Empfehlung.
Und ja, besonders der "moderne" Mensch kann zur Plage werden.
Viele Grüße,
Angelo.

 Gothica (29.07.07)
...bitter wenn so ein elf schon immer in einsamkeit zurückgezogen lebte und dann auch noch an so einen grausamen menschen gerät, der ihn einsperrt......mag ja fantasy sonst nicht....aber das hier gefällt mir irgendwie...weil es doch näher an der realität ist als man denkt....macht nachdenklich....und ein wenig traurig....

grüße dich lieb du....

Alex

 Secretgardener meinte dazu am 29.07.07:
Ja, manchmal kommt einfach alles zusammen und dann kann selbst ein Elf so enden.
Fantasy ist es auch nicht wirklich finde ich, sowas machen andere, das ist mir auch meist zuviel. Bei mir ist es meist einfacher und realistischer, und manchmal auch traurig.
Aber lieben Dank für das Kompliment und die Empfehlung. :)

Liebe Grüße zurück,
Angelo.
FranziskaGabriel (44)
(31.07.07)
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 Secretgardener meinte dazu am 31.07.07:
Wer weiß, vielleicht gibt es ja vielmehr solcher Elfen, nur erzählt man dann solche Geschichten selten weiter, weil es nicht in´s Bild passt.
Habe mich über die Empfehlung gefreut und, daß es Dir so gut gefällt.
Lieber Gruß zurück,
Angelo.
KriegerinDerTräume (29)
(05.01.08)
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 Secretgardener meinte dazu am 05.01.08:
Nein, nicht immer - alles nur Effekthascherei ;)
Ja, eigentlich war der Elf ein sehr süßer und liebevoller Elf, doch die Umstände waren nicht gut für ihn.
Lieben Dank.
KriegerinDerTräume (29) meinte dazu am 05.01.08:
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Mondenson (31)
(31.01.08)
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 Secretgardener meinte dazu am 31.01.08:
Nun, ich habe zwei, drei Hörbücher von Lovecraft und von Poe kenne ich nur den Raben und ein, zwei Buchtitel, aber die von dir angesprochenen Werke sagen mir nichts.
Wenn ich in letzter Zeit meine Texte sich inspiriert lesen, dann mehr von Paula Köhlmeier, aber der hier ist rein von mir.
Trotzdem Danke für´s Lesen.
verdichter (45)
(09.02.08)
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 Secretgardener meinte dazu am 09.02.08:
Ich nehm´ das mal als Kompliment. ;)
Viele Grüße.
kintaro (24) meinte dazu am 01.11.11:
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