Mampf - grün!

Tagebuch zum Thema Kinder/ Kindheit

von  tastifix

Gerade im Hochstuhlalter, hockte mein Ältestes ausgesprochen gerne in demselbigen. Erstens wurde sie da garantiert nicht übersehen und zweitens, wie sie die Erfahrung gelehrt hatte, von allen Seiten bedient. Reichte Mimik und Gestik mal nicht aus, um Mama Kammerzofe zu verdeutlichen, was genau in dem Moment so angesagt war, bediente sich Alexandra ihres relativ weit entwickelten Sprechvermögens. Sie begnügte sich nicht mit den für dieses Alter so typischen ´Da-Mama-dada- Vorträgen`, sondern baute geschickt weitaus ausgefeiltere Bemerkungen ein. Meine Tochter war wahrscheinlich davon überzeugt, dass Eltern und besonders ihre Mama manchmal eine schrecklich lange Leitung hatten.

Statt mich mit einer Brüllarie zu bestrafen, fasste sie sich kurz und meinte:
"Mama, hamm!"
Und da sie am liebsten den ganzen langen Tag nur futterte, hammte sie genauso lange vor sich hin. Allerdings dauerte es zu ihrem und erst recht zu meinem Glück nur läppische vierundzwanzig Stunden, dann hatte Mama begriffen und Tochter konnte sich diese Anstrengung sparen.

Aber sie suchte ständig nach Experimenten, meine Geduld bis aufs Äußerste auszutesten. Der Hamm-Erfolg war ja schon toll gewesen, aber da mußte es doch noch mehr geben...
Pfiffig, wie sie war, fehlte es ihr leider nicht an Einfallsreichtum. Diesmal sollte meine Küche dran glauben.

Damals waren grüne Küchen modern und deshalb hatte ich so eine. Sie war hellgrün, geradezu zartgrün, wie Alexandra unzufrieden feststellte. Nach Kinderart liebte sie dagegen die kräftigeren Töne.
"Nee, das wird geändert!", entschloss sich Noch-Baby und wartete nur noch auf die günstigste Gelegenheit und den passendenden Einfall, der wiederum dann nicht lange auf sich warten ließ.

Meine Tochter gehörte zu den Kindern, die bereits beim Anblick des Löffels aus weiter Entfernung den Mund aufsperren, damit der Löffel auch wußte, welchen Weg er zu nehmen hatte. Wie viele Mütter beneideten mich wohl darum...? Alexandra zu füttern, war die reinste Wonne.

Trotzdem gab es natürlich auch Menüs, die ihr so`n bisschen gegen den Strich gingen, so sehr, dass sie, ihrerseits dann mit Wonne, Springbrunnen spielte, sobald ich die Frechheit besaß, ihr ein ebensolches Essen anzubieten. Zu diesen "Lieblingsspeisen" zählte auch - es konnte ja gar nicht anders sein -, der von den meisten Kindern so gehasste Spinat.

"Ich halt den Löffel selbst!", sagten mir ihre blitzenden Augen, deren Blick mich da dermaßen betörte, dass ich törichte Mama ihr die Futterschaufel auch noch stolz überließ.
Augenscheinlich brav tauchte sie den Löffel in den Matschbrei auf ihrem Babyteller und kostete doch tatsächlich von dem grünen Zeug. Die Bravheit verdünnisierte sich im Fluge, im wahrsten Sinne des Wortes, denn im nächsten Moment knallten mir Spinatfladen ins Haar, um die Ohren, auf meinen Designer-Pullover und die gute Hose. Meine Tochter sah ich durch den sich verdichtenden Grünschleier vor meinen Augen nur noch unter größter Anstrengung... Ich fütterte auf gut Glück.

Kurz darauf schien es mir, als ob sich das Grün netterweise schon größtenteils vom Babyteller verabschiedet hatte und sich demnach gottlob die Mahlzeit ihrem Ende näherte. Ich war nur froh, dass kein Spiegel in erreichbarer Nähe war, denn sonst hätte sich noch zusätzlich mein Gesicht vor Entsetzen grünlich verfärbt und meine Kleine hätte das auf ihre mehr als gewissenhafte Löffel-Arbeit zurückführen können, wenn sie dazu damals schon in der Lage gewesen wäre.

Mittlerweile klebte der grüne Brei auch auf meinen Lidern. Ich tappte fast vollständig im Grünen. so blieb mir auch die Erkenntnis um das, was Alexandra dann so aufjubeln ließ, wenigstens noch ein paar, kümmerliche Sekunden erspart. Dummerweise beendete ich dann selbst meine Gnadenfrist, indem ich nämlich den störenden Matsch da um meine Augen herum energisch mit der Hand wegwischte. Manchmal folgte ich ahnungslose Mama leider solchen unguten Anwandlungen.

An dem Tag aber war es dann um meine Fassung geschehen.
"Brabbel, wüh, mam, ham, dahda, mimat!", erklärte mein Nachwuchs unnatürlich strahlender Miene und deutete mit seiner niedlichen Patschhand in Richtung meiner Küchenzeile. Als bestens erzogene Kammerzofe daran gewöhnt, auf jeden noch so kleinen Wink meines Kindes sofort zu reagieren, folgte ich dieser Hand mit meinem Blick.

"Ach, du grüne Neune!", brachte ich noch soeben heraus und verstummte.
Immerhin, so gestand ich es mir zu, hätte ich das nicht zutreffender ausdrücken können. Da war kein ruhiges Lindgrün mehr. Meine Küchenzeile hatte sich dunkelgrüne Masern zugelegt. An den Schubläden, teils auch in ihnen, am Herd, am Kühlschrank, an den Kacheln dahinter... Überall pappte die Pampe erstaunlich fest und grinste mich höhnisch an.

"Wü, Mama-Mama, da, töffel tank mimat!"
Meine Tochter war ja sehr geduldig mit mir und erklärte es aus Liebe zur Mama gerne ein zweites Mal.
Das begehrte Lob ´Das hast du aber fein gemacht!` blieb mir verständlicherweise in der Kehle stecken.
Meine Kleine störte das aber in keinster Weise. Sie gluckste und quietschte weiter. Da hatte sie sich doch etwas Tolles einfallen lassen.

Ein Triumpfgeschrei solchen Ausmaßes erschien mir irgendwie suspekt. Misstrauisch kontrollierte mein Blick sämtliche Wände und entdeckte:
Alexandra hatte gründliche Arbeit geleistet. Nicht nur die Kacheln waren mit dem appetitlichen Grün geschmückt, sondern leider auch die drei übrigen, ungekachelten Wände.
"101 weiß-grüne Matsch-Dalmatiner!", dachte ich verzweifelt.

Eigentlich hätte ich das alles doch dankbar in Kauf nehmen sollen, denn jetzt hatte ich den eindeutigen Beweis dafür, dass meine Tochter künstlerisch hochbegabt war. Dankbar für die Schweinerei war natürlich nicht drin, aber Schimpfen auch nicht. Stattdessen seufzte ich deprimiert vor mich hin:
"Meine süße Mini-Beuyseline!"

"Dadada!", war die stolze Antwort.

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