Ein zauberhafter Tag

Erzählung zum Thema Freude

von  Maya_Gähler

Ein zauberhafter Tag

Morgens um Sieben, die Vögel zwitschern, die Sonne bahnt sich ihren Weg in den neuen Tag.
„Jessi hat Geburtstag, tralalalala, Jessi hat Geburtstag, tralalalala.“ Singend gehe ich ins Zimmer meiner Tochter. Sie liegt im Bett. Sie ist wach. Sie stellt sich schlafend. Ich sehe, dass sie gespannt ist bis in die Fußspitzen. Verlegen öffnet sie die Augen, das Strahlen, welches mich empfängt ist unbeschreiblich. Ich singe ihr noch das Happy-Birthday-Lied.
Sie umarmt mich und ist so glücklich. „Mami, jetzt bin ich 16 Jahre alt.“ Ich kann es manchmal selbst kaum fassen. Schon 16 Jahre alt. Ich denke einen kurzen Moment an den Tag ihrer Geburt. Innert Sekundenbruchteilen läuft mir ein Film ab. Die Freude über ihre Geburt, abgelöst durch den Schock der Mitteilung der Ärzte. Ich werde von ihrer Stimme wieder zurückgeholt in die Gegenwart. Sie geht ins Bad, richtet sich für ihren großen Tag.
In der Zwischenzeit zünde ich die Kerzen auf dem Kuchen an. Es sind wirklich 16 Kerzen. Wenn man Jessi ansieht, sieht sie höchstens aus wie 8 oder 9 Jahre, aber 16, nein das gibt man ihr nicht. Sie bläst die Kerzen aus, drei Versuche braucht sie. Ich klatsche und gratuliere ihr noch einmal. Freudig packt sie ihr Geschenk aus. Ein Buch mit Vorlesegeschichten, speziell für Mädchen. Selbst lesen kann sie ja nicht. Sie probiert ein wenig vom Geburtstagskuchen, doch die Aufregung ist zu groß, um wirklich etwas zu essen.
Die Uhr läuft und sie muss sich für die Schule parat machen. Sie hat einen selbstgebackenen Schokoladenkuchen, Eistee, Kerzen, Teller, Becher und Servietten im Gepäck. Schließlich möchte sie ja mit den Kindern in ihrer Klasse auch Geburtstag feiern. Glücklich verlässt sie die Wohnung und steigt freudestrahlend in den Schulbus ein. Ich gehe in die Küche, räume den Tisch ab und meine Gedanken gehen spazieren. Mir fallen so viele glückliche Momente der letzten 16 Jahre ein. Hin und wieder muss ich grinsen, ja manchmal sogar laut lachen. Es ist schön so tolle Erinnerungen zu haben. Der Haushalt erledigt sich fast wie von selbst. Unter der Dusche befällt mich ein seltsames Gefühl und plötzlich muss ich weinen. Ich lasse den Tränen freien Lauf, sie befreien. Doch die Gedanken an all die Ängste und Probleme der letzten 16 Jahre verscheuche ich wieder. Ich will heute nicht daran denken. Heute soll es ein Tag voller Freude sein. Geplant ist nichts Grosses, da am Sonntag ihre Konfirmation stattfindet. Dies wird ein Fest mit vielen, lieben Menschen. Wir haben einen Saal gemietet. Ich überlege kurz, was für die Vorbereitungen noch getan werden muss. Doch dann widme ich mich wieder voll und ganz dem heutigen Tag. Kurz nach Elf kommt meine Tochter nach Hause, mittwochs hat sie immer nur einen halben Tag Schule. Sie erzählt ganz aufgeregt, wie sie gefeiert haben. Leider wurde die Freude ein wenig getrübt, da die Klassenlehrerin einen schweren Unfall zwei Tage vorher hatte. Jessica vermisst ihre Lehrerin sehr. Es wird Wochen dauern, bis sie wieder zur Schule kommen kann.
Es klingelt an der Haustür. Meine Schwester kommt. Nach der üblichen Begrüßungszeremonie werden Geschenke aufgepackt. Es ist so herzig anzuschauen, wie Jessi sich freuen kann. Jedes Päckchen wird liebevoll ausgepackt und bestaunt. Die Tante wird geherzt und geküsst. Dann machen wir uns auf den Weg zum Restaurant. Ich habe einen Tisch im Lieblingslokal meiner Tochter bestellt. Wir holen noch rasch meinen Sohn vom Bahnhof ab. Vor dem Lokal warten wir auf Jessi`s Patentante und ihren kleinen Sohn. Welch Freude, es ist noch eine gute Freundin der Familie mit im Auto. Und so geht die kleine Gesellschaft lachend und plaudernd ins Restaurant. Es wird Salat, Pizza für die Einen, Cordon-bleu für die Anderen bestellt. Es mundet allen hervorragend. Ruckzuck sind 2 Std. vergangen. Man hat sich so viel zu erzählen. Wir fahren alle zu uns nach Hause, um Kaffee zu trinken. Kaum dort, klingelt es an der Tür. Eine liebe Bekannte steht davor und möchte das Geburtstagskind sprechen. Ich lade sie spontan ein, einen Kaffee mit uns zu trinken. Wir verbringen einen herrlichen Nachmittag miteinander. Das Telefon läutet immer wieder und Jessica wird verlangt. So schön, wie alle an sie denken. Niemandem fällt auf, dass sich der Vater von Jessica nicht meldet. Es ist für alle wohl schon normal. Selbst Jessica fragt nicht mehr nach ihm. Ich bin froh darüber, dass es ihr selbst nicht mehr auffällt. Letztes Jahr war es noch so.
Am Abend fällt sie total glücklich, aber auch sehr erschöpft ins Bett. Sie sagt, dass ihr der Tag sehr gefallen hat und sie sich nun ganz dolle auf Sonntag freut.
Ich sitze noch ein wenig im Wohnzimmer, lasse den Tag Revue passieren und bin froh, dass er so war, wie er war. Nämlich hell, warm, schön, lustig, friedlich. Zum ersten Mal seit Jahren hat auch das Wetter wieder mitgespielt.


©g.b.=Maya_Gähler
2007-03-29


Anmerkung von Maya_Gähler:

Ein Rückblick auf den 16. Geburtstag meiner Tochter Jessica

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Kommentare zu diesem Text


 Isaban (29.03.07)
Ein guter Text, Maya. So viele kleine liebevolle Informationen in und zwischen den Zeilen versteckt und so viel Annehmen und Optimismus in dieser Schilderung des Lebens mit einem Kind das einfach etwas anders ist. Es berührt und lässt das eigene Leben und die eigenen Einstellungen überdenken und die vielen kleinen Jammer- und Meckerattacken, denen man unterliegt.

Liebe Grüße
Sabine

 Maya_Gähler meinte dazu am 30.03.07:
Hab herzlichen Dank für die lieben Worte und das Sternchen. Ich freue mich, wenn ich etwas erzählen kann, was andere interessiert und zu einem kurzen Innehalten einlädt.
Liebe Grüße
Maya
(Antwort korrigiert am 30.03.2007)

 JohndeGraph (29.03.07)
Man braucht diese "guten Tage" um Kraft zu tanken und zu haben für die weniger guten. Ich finde es schön, dass Du Dir das alles so von der Seele schreiben kannst. Es ist wohl formuliert und absolut nachvollziehbar, der rote Faden darin erzählt fast ein ganzes Leben und das ohne langweilig zu sein. Wie könnte es das auch, es ist ja auch gelebtes Leben und das merke ich. Das ist ein schöner Text, gern gelesen und gratuliere Deiner Tochter von mir, wenn Du magst, noch im Nachhinein. Liebe Grüße J.d.G.

 Maya_Gähler antwortete darauf am 30.03.07:
Ich danke dir sehr für deine lobenden Worte. Gerne werde ich meiner Tochter von dir gratulieren. Es ist für mich eine Freude, dass diese, meine Geschichte aus dem Leben Anklang findet.
Herzliche Grüße
Maya
StefanP (58)
(29.03.07)
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 Maya_Gähler schrieb daraufhin am 30.03.07:
Es ist schön, dass man sich beim Lesen meiner Erzählung als stiller Beobachter fühlt. :o)
Danke für deine Worte und das Sternchen.
Ich grüße dich in deinen Tag
Maya

PS. Danke ;o)

 Sonnenaufgang (02.04.07)
bei so viel freude, möchte ich dir gratulieren, denn du machst deine sache als mutter sehr gut. liebe grüsse von felicitas

 Maya_Gähler äußerte darauf am 02.04.07:
Liebe Felicitas,
hab herzlichen Dank für deine freundlichen Worte, die Gratulation und die Empfehlung. Ich freue mich sehr. :o)
Grüessli von der Maya

 Rayoluna (02.04.07)
Liebe Maya, du hast uns den Geburtstag deiner Tochter bis zum kleinsten Detail nah gebracht. Man spürt, dass dir dieser Tag viel bedeutet hat und du ihn mit Liebe gestaltet hast. Danke, dass du uns an Jessicas Ehrentag, teilnehmen lässt. Deiner Tochter Jessica, wünsche ich nachträglich alles Gute zu ihrem 16. Geburtstag.
Liebe Grüße,
Franci

 Maya_Gähler ergänzte dazu am 02.04.07:
Hab herzlichen Dank, liebe Franci, für deinen Komm, die Gratulation und die Empfehlung.
Liebe Grüße
Maya
Symphonie (73)
(03.04.07)
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