Nachts bei Herrn M.

Erzählung zum Thema Frauen/ Männer

von  AndreasG

„Hallo? – Hallo? – Hallo Chef! Komm zu mir, ich kann gar nicht ausruhen und schlafen. Dieses ewige Schwertklappern macht mich noch ganz fertig. – Hallo!“
Eigentlich ist er ja ganz nett. Ich mag ihn, denn er ist viel mit mir zusammen und ich bin nicht gern alleine. Aber dann vergißt er mich an einigen Tagen, - nein Abenden, - nein es sind wohl die Nächte. Anstatt mir „Gute Nacht“ zu sagen und mich in den Schlaf fahren zu lassen, steht er einfach auf und geht. Läßt mich zurück und leise vor mich hin ballern. – Da nutzt es nichts, wenn ich laut summe, den Ventilator klappern lasse oder dieses nette Glöckchen anschlage, das ihn sonst immer ganz kribbelig werden lässt.
„Hallo! – Chef! – Du hast es gestern wieder gemacht. Ich bin noch wach!“
Vielleicht hängt es mit diesen braunen Glasdingern zusammen, die er sich abends an seinen Lautsprecher setzt. Ist so ‘ne Art Multifunktionslautsprecher, mit dem er auch pusten und blasen kann – ohne Ventilator – und mit dem er auch die verschiedensten Roms aufnimmt. Flüssige gelbe Roms mit weißem Schaum sind ihm am liebsten, aber ich kenn‘ auch die gelben CD’s, die porös wirken und ganz krumm sind. Chips nennt er die. – Na ja, für mich sehen Chips anders aus, aber bei dieser modernen Technik heutzutage ...
„Chef? – Bist Du endlich wach? – Deinem Held geht es gar nicht gut!“
An das Sicherheitsspeichern denkt er ja immer; auch wenn er von den vielen Informationen in der gelben Flüssigkeit den Festspeicher so voll hat, daß er sich nicht mehr geschmeidig bewegen kann. Aber ich sag ihm das nie. Hört sich doch so an, als wäre ich nur neidisch.
„Hallo Chef! – Dein Held ist gerade gestorben.“
Na ja. Ich bin ja auch ein bißchen neidisch. Er kann sich bewegen und ich stehe immer nur rum. Fahren soll ich angeblich, hoch und runter, aber wie das ohne Räder gehen soll, weiß ich nicht. Dazu kann er sich selber schlafen legen, völlig selbstentschieden, immer wenn er Lust hat darauf hat. Nicht einmal einen Knopf muß er dafür drücken.
„Hallo Chef! – Dein P 4 ist müde!“
Ich glaube, ich nehme mir jetzt auch ‘ne Mütze Schlaf. - Ich häng‘ mich auf!


Anmerkung von AndreasG:

Nein, ich schreibe nicht immer nur von denkenden Gegenständen. Aber mich reizt das Spiel mit der Erzählperspektive; besonders in kurzen Texten.

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Kommentare zu diesem Text

xrotbartx (50)
(11.11.04)
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 AndreasG meinte dazu am 11.11.04:
Hallo Rotbart. – Zu diesem Rohtext (den ich zugegebenerweise noch nicht gründlich überarbeitet habe) ist Einiges zu sagen. Er entstand an einem Schreibwochenende (Thema: schreibt drei Menschen (Vorname oder Anfangsbuchstabe o.ä.) aus Eurem weiteren Bekanntenkreis auf, die von Eurer Liebe zum Schreiben wissen / schreibt drei Begriffe auf, die Ihr mit jedem dieser Menschen verbindet / Euer linker Nachbar unterstreicht einen der Genannten und einen zugeordneten Begriff (ohne nähere Kenntnis) / was fällt Euch in dieser Kombination ein?). – Herr M. ist eine real existierende Person, seine Art der Frustbewältigung gegen Liebeskummer und Arbeitslosigkeit auch. Zum Zeitpunkt der Niederschrift war er auf dem Weg, diesen Teufelskreis (Bier, Fastfood, Knabberkram, Computerspiele und Zuhause-Eingraben) zu verlassen, aber er hatte noch Rückfälle. Mich bewegte das sehr, da niemand an meinen Freund heran kam. Darum versuchte ich es über die humoristische Schiene (“ernsthaft“ wäre mir zu persönlich gewesen) und ich ging sogar so weit, ihm die Geschichte am Telefon vorzulesen. Sicherlich hat der kurze Text nicht sein Leben verändert, aber Herr M. hat herzlich gelacht, und das ist doch schon mal ‘was. – Vielleicht sind es diese nostalgischen Erinnerungen, die mich bisher hindern, den Text zu überarbeiten. Vielleicht ist mir der Text auch noch nicht fremd genug. Kennen wir das nicht alle: je fremder der Text, desto leichter die Kritik. – Gruß, Andreas
The_black_Death (31)
(19.08.09)
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