Einseitiges Gespräch

Gedicht zum Thema Unverständnis

von  ViolaKunterbunt

.


Deine Stimme am Telefon -
so weit weg -
doch mir ganz nah -

HALLO, hörst Du mich?

Ich höre Deine Probleme -
bin froh, dass ich Dein Vertrauen habe -

HALLO, hörst du mich?

Du fragst, wie es mir geht -
GUT! Mir geht es immer gut.
Doch ich bin so müde.

HALLO, hörst Du mich?

Du kannst mich nicht hören -
ich schweige still -
habe Dir so viel zu sagen -
bin müde, erledigt, völlig ausgelaugt -
möchte mich fallen lassen bei Dir -
aber ich gebe Dir keine Chance
mich aufzufangen.

HALLO, hörst Du mich?

Doch Du hast schon aufgelegt,
und ich habe nichts gesagt.


.


Anmerkung von ViolaKunterbunt:

Zuerst also vielen Dank für die Kommentare. Meine Erklärung, wie ich es beim Schreiben gesehen habe folgt nun hier:

Es handelte sich von der Idee her also, wie schon in der Antwort an rheinfrau verraten, um ein reales Telefongespräch mit einer Freundin. Einer sehr guten Freundin, der ich eigentlich alles sagen kann. (Ob männlich oder weiblich ist auch eigentlich recht unwichtig, da ich davon ausgehe, dass viele diese Stimmung kennen und es einfach jeder ansonsten sehr vertraute Mensch sein könnte.)

Es handelt sich um eine Stimmung, in der es einem so mies geht, dass man sich verkriecht und vor allen versteckt, aber im tiefsten Innern danach schreit, dass jemand kommt und einen in den Arm nimmt. Da fehlt dann nur das richtige Wort oder die richtige Frage, um einen aus dem Versteck rauszulocken. Andererseits wird alles getan, um einen möglichst normalen, fröhlichen Eindruck zu machen.
Das ist ja das paranoide daran: Je mehr „auf Fröhlich“ gemacht wird, desto schwerer fällt es dem anderen, dies zu durchschauen und die richtige Frage zu stellen. Und man kann sich einreden: „Wenn dieser Mensch mir wirklich nah wäre, dann würde er das doch merken. Wenn ich ihm wirklich wichtig wäre, dann würde er doch… Aber ich bin eben nicht wichtig“, und das bestätigt sich dann durch dieses perfide Spiel.

Müdigkeit – ja, es ist dann eine Mischung aus Müdigkeit, Überarbeitung, Überforderung, Ausgelaugt sein, wenn Arbeit und Probleme einem über den Kopf wachsen - dieses Gefühl: der Körper und der Geist machen jetzt bald nicht mehr mit. Man sollte nun besser schlafen oder sich zumindest trösten lassen, weil man doch so ein ach so armes Hascherl ist. (Letzteres ist natürlich mal wieder kindisches Verhalten. Ausschlafen ist sicher die erwachsenere Variante.)
Mit dem Thema „Unverständnis“ bin ich auch nicht so ganz zufrieden. Gemeint ist auf jeden Fall dass man sich selber eigentlich nicht wirklich versteht. Diese beschriebene Stimmung ist so schrecklich ambivalent.

Vorwürfe macht man natürlich auch dem anderen (in der Situation) und sich selbst (in der Reflektion, - wenn es denn zur Reflektion kommt.)

Die Einschübe: „Hallo Hörst du mich?“ sind vielleicht jetzt verständlicher. Es ist das innere Kind (so bezeichne ich das immer für mich) oder das Unbewusste, das sich da melden möchte, aber sich nicht traut. Hin und her gerissen.

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Kommentare zu diesem Text

rheinfrau (73)
(04.11.04)
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 ViolaKunterbunt meinte dazu am 04.11.04:
Ganz herzlichen Dank für Deinen Kommentar. Ich finde es total interessant, wie Du es interpretierst. Stell Dir vor, es war gar kein Mann, mit dem ich da telefonierte, - denn natürlich gab es genau diese Situation. - Es war eine sehr gute Freundin, und ich bin überhaupt noch nicht darauf gekommen, dass es anders aufgefasst werden könnte. Liebe Grüße von viola-kunterbunt

 Traumreisende (08.05.06)
ich will es mal versuchen....

(1) Genre
(1a) formal korrekt umgesetzt
(1b) richtig gewählt (z.B. wär nicht die Kurzgeschichte besser ein Elfchen geworden)
(2) Inhalt
(2a) Was meint der Leser, was der Autor sagen will? (Man weiß ja nicht, ob's ein Leser richtig verstanden hat, wenn er nur schreibt "Du hast völlig recht, LG".)
(2b) Überzeugend ausgeführt?
2c) Thema richtig gewählt?
(3) Rechtschreibung/Grammatik/Fluß/Wortwahl
(4) Fazit und Sympathiebekundungen

zu 1: da ist die freiheit der form eines gedichtes sehr groß, also alles ist möglich, wobei deutlich eine erzählform herauskommt, die wohl eher einem momolog entspricht....

zu 2: da kommt eine welle an müdigkeit rüber, eine resignation, die schon überrollend ist... ehrlich.... ansteckend müdemachend....

mir ist noch nicht ganz klar, warum dein gegenüber seine probleme erzählt.... wenn sich da keiner meldet... das ist etwas unlogisch rein menschlich... oder au meiner sicht... ich würde mir nicht trauen zu rden, wenn der andere keinen ton von sich gibt....

was gut rauskommt, es get deinem lyrischem ich schlechter als dem an der anderen seite.


also fazit, ein ungewöhnliches format für die aussage, aber sehr intensiv in ganz normalen, überhaupt nicht überkünstelten sätzen.....

mir gefällts...
wenn ich nur nicht so müde wäre... jetzt ))
lg silvi

 ViolaKunterbunt antwortete darauf am 21.05.06:
Liebe Silvi, nun also Danke für diesen Kommentar und überhaupt für das Auslösen der ganzen Aktion.
Ausführliche Erklärung ist nun in der Anmerkung.
Und es ist also nicht so, dass einer am Telefon gar nichts sagt, sondern es wird über Belangloses geredet. Nur die Verzweiflung im Inneren bittet um Gehörtwerden.
Dein Kommentar hat mir gut gefallen, weil er mir klar machte, dass man sowas auch ganz anders verstehen kann beim Lesen.
Überhaupt hast Du alles sehr sachlich rübergebracht und natürlich freut mich besonders, dass zum Schluss noch der Satz kommt, dass es Dir gefällt.
Liebe Grüße, Viola
mueller (39)
(08.05.06)
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 ViolaKunterbunt schrieb daraufhin am 21.05.06:
Da danke ich Dir für den ausführlichen Kommentar.
Erklärung meiner Intention nun oben in der Anmerkung.
Dein Kommentar hat mir deutlich gemacht, wie anders man das verstehen kann. Fand ich sehr gut so. Danke
Liebe Grüße Dir,
Viola
Sektfrühstück (41)
(09.05.06)
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 ViolaKunterbunt äußerte darauf am 21.05.06:
Nun also vielen Dank für Deinen ausführlichen Kommentar. Die genauere Erläuterung meiner Gedanken beim Schreiben des Textes ist nun in der Anmerkung.
Du hast total gut erkannt, was ich damit gemeint habe. Deine Erklärungen gehen mit meinen in den meisten Punkten konform.
Danke Dir.
Und liebe Grüße, Viola
Seelenvogel (23)
(09.05.06)
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Sektfrühstück (41) ergänzte dazu am 10.05.06:
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 ViolaKunterbunt meinte dazu am 21.05.06:
Liebe Seelenvogel,
vielen Dank für Deinen ausführlichen und differenzierten Kommentar.
Die Erläuterung meiner Intention beim Schreiben steht jetzt in der Anmerkung.
Daran siehst Du, dass Du mit Deiner Erklärung des Inhalts genau getroffen hast. (Was ja bei nicht allen Kommentaren der Fall ist.)
Dass es Dir nicht gefällt, ist ja ok. Dafür brauchst Du Dich nicht zu entschuldigen.
Dass Du meinst, es ist nicht literarisch genug, - nun - ok und akzeptiert. Das würde natürlich wieder die Frage nach der Definition der "wahren Literatur" aufwerfen. Also ich verstehe sehr wohl, was Du damit meinst, aber ich weiß nicht, ob ich diese Verdichtung erreichen möchte. (Vielleicht kann ich es ja auch einfach nicht, und sage dann lieber: dass ich es nicht möchte. )
Jedenfalls sehr liebe Grüße und einen schönen Sonntag, Viola
Seelenvogel (23) meinte dazu am 21.05.06:
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 ViolaKunterbunt meinte dazu am 21.05.06:
Ja, jetzt habe ich es besser verstanden, was Du meinst. Danke, dass Du es noch mal erklärt hast. Das kann ich nun uneingeschränkt nachvollziehen.
Liebe Sonntagsgrüße, Viola
wupperzeit (58)
(09.05.06)
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 ViolaKunterbunt meinte dazu am 21.05.06:
Vielen Dank für Deinen ausführlichen Kommentar.
Die genaue Erläuterung meiner eigenen Gedanken dazu steht nun in der Anmerkung.
Ich finde es sehr wohltuend an Deinem Kommentar, dass Du in Deiner ganzen Art sehr deutlich zum Ausdruck bringst, dass es sich um persönliche Ansichten handelt und kein Werturteil ausdrückt.
Das ist mir auch bei anderen Deiner Kommentare aufgefallen.
Danke Dir. Liebe Grüße, Viola
Farnaby (41)
(09.05.06)
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 ViolaKunterbunt meinte dazu am 21.05.06:
Vielen Dank für Deinen Kommentar. Die genaue Erläuterung, was ich mir beim Schreiben so gedacht habe, steht nun in der Anmerkung.
Sonntägliche Grüße, Viola
Tinas_Galaxy (31)
(09.05.06)
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 ViolaKunterbunt meinte dazu am 21.05.06:
Vielen Dank für Deinen Kommentar. Die genaue Erläuterung, was ich mir beim Schreiben so gedacht habe, steht nun in der Anmerkung.
Sonntägliche Grüße, Viola
Eira (36)
(09.05.06)
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Sektfrühstück (41) meinte dazu am 10.05.06:
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LiebeElfe (24)
(09.05.06)
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Cora_Sonn (25)
(10.05.06)
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 Owald (10.05.06)
Ohne die vorangehenden Kommentare gelesen zu haben:

Zum Genre: Prosagedicht, würde ich sagen.

Inhaltlich: Das Lyrische Ich, am Telefon, möchte sich, seinen Seelenzustand oder wie man es nennen will, dem Gesprächspartner mitteilen, kommt aber nicht zu Wort, oder besser: läßt sich selbst nicht zu Wort kommen. Läßt den anderen reden, ist mehr, als dem anderen zuzuhören, damit beschäftigt, den eigenen Gefühlen und Gedanken nachzuhängen. Soweit eine hochinteressante (übrigens allenfalls subjektiv "einseitige") Gesprächskonstellation.
Interessant ist, daß das "HALLO, hörst Du mich?", das Zentrale in dieser Gesprächssituation, sich nur innerlich im Lyrischen Ich abspielt und nicht nach außen dringt, das Gespräch selber also gar nicht erreicht.

Zum Formalen: Ich finde, daß Du aus der guten Grundidee zu wenig machst. Sprachlich ist der Text einfach, fast alltagssprachlich gehalten, dazu kommen Floskeln, die man in tausend Gedichten schon gelesen hat:

"so weit weg -
doch mir ganz nah - " ;

"ich schweige still,
hab Dir so viel zu sagen" ;

"möchte mich fallen lassen bei Dir" .

Selbst das zentrale "HALLO, hörst Du mich?" hat, wie ich finde, wenig Pep. Plakativ wird es nur durch die Großschreibung und durch die Wiederholungen - allzu plakativ. Für meinen Geschmack sind die vielen Wiederholungen dieses Satzes auf so engem Raum maßlos übertrieben; einmal hätte genügt.
Das Ende schließlich ist vorhersehbar; da hätte ich mir auch eine pointierte Fassung gewünscht.

Zwei Kleinigkeiten noch:
Erstens: Welche Funktion haben die Gedankenstriche am Ende der ersten drei Verse? Die finde ich eher befremdlich.
Zweitens: In Gedichten würde ich "du" immer klein schreiben, es sei denn, das Gedicht ist einer konkreten Person gewidmet, die direkt angesprochen wird. Hier ist es aber ein "Lyrisches Du" am Telefon.

Mein Fazit: Gute Grundidee, lahme Umsetzung.



So. Nimmst Du mich nach diesem Verriß noch mit nach Artern?
Liebe Grüße,
Owald.
mica (28)
(10.05.06)
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Sektfrühstück (41) meinte dazu am 10.05.06:
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paradoxa (30)
(15.05.06)
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PraesidentDeath (24)
(09.06.06)
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