Marionetten des Ruhms!

Essay zum Thema Zwang

von  tastifix

Mein Leben lang habe ich gerne getanzt. Es begann im Teenageralter mit dem Besuch der üblichen Tanzkurse. Zunächst kam der erste Tanzkurs, es folgte der zweite, dann der dritte. Ich konnte nicht mehr aufhören. Durfte ich tanzen, ließ mich tragen von der Musik und fühlte mich leicht und schwerelos.

Alles war schön an diesen Stunden des Zusammenseins mit anderen jungen Menschen, die genauso empfanden wie ich. Wir tanzten natürlich nicht nur, sondern saßen in gemütlicher Runde beisammen, knüpften Freundschaften und hatten unseren Spaß.

Ich lebte vom Mittwoch, dem Tag des Tanzunterrichtes,Tanzstundentag, hin bis zum sonntäglichen Tanztee, während dessen ich fast fünf Stunden lang, nur wenige Pausen einschiebend, auf dem Parkett war und mich selig im Kreise drehte.

Es war mir egal, ob ich vor Anstrengung zerfloss. Es war mir egal, ob mir nach drei Stunden so langsam meine Füße schmerzten. Mehr, mehr. Es war meine Welt, die Welt der romantischen Musik!

Meine Eltern beobachteten mein diesbezügliche Begeisterung mit sehr viel Stolz, zumal sie selber ausgezeichnete Tänzer waren. Sie begleiteten mich, wenn ich auf Mittelbällen und auch Schlussbällen mit der Walzer-Formation vortanzte. Mein Vater strahlte, als eines Tages der Vorschlag von der Tanzschule kam, ich solle Turniertänzerin werden.

Auch meine Mutter strahlte. Aber es folgten keinerlei Diskussionen und/oder gar Sprüche wie:
"Das haben sie zu dir als einziger Schülerin gesagt. Willst du nicht doch ... !?"
Nein, ich war zwar stolz, aber ich hätte mich nicht getraut, weil ich von meinem Können so überzeugt denn doch nicht war. Ja, mir graute es vor dem Stress und ich befürchtete, meine Begabung würde dafür doch nicht ausreichend sein.

Ich tanzte weiter - aber nur zum Spaß! Niemals versuchten meine Eltern, mich doch noch dahin gegend zu beeinflussen. Im Gegenteil: Als sie merkten, dass ich an nichts anderes mehr dachte, verboten sie mir das Tanztraining, doch natürlich nicht das Tanzen. Unter der Aufgabe des Trainings habe ich übrigens nie sonderlich gelitten. Auch zwei Stunden konzentrierten Probens können verflixt nertötend sein. Haben Sie schon mal zwei Stunden lang ein- und denselben Schritt getanzt!!?

Diese Tage nun sah ich einen Bericht über das fast professionelle Kindertanzen in Blackpool in England. Im ersten Moment fand ich es ja noch nett anzusehen, die anmutigen kleinen Mädchen mit ihren feschen Partnern. Doch dann sah ich in die Gesichter und erschrak. Es waren Masken, die mir da entgegen sahen, dermaßen geschminkt, dass die Kinder kaum mehr zu erkennen waren. Sie waren auf erwachsenes Aussehen und Auftreten getrimmt.

Sie präsentierten sich als Marionetten der Geltungssucht überehrgeiziger Eltern, die das Wohl ihres Nachwuchses dem durch den Erfolg der Kinder bei Tanzveranstaltungen gespeisten Prestige-Denken opferten. Sie taten das ohne jegliche Gewissensbisse und teilweise mit einer unverständlichen und für mich nicht nachvollziehbaren Härte.

Den Kinder war jegliche Freizeit genommen. Freundschaften zu Gleichaltrigen und/oder Freude bei anderen Hobbys waren strengstens untersagt. Sie hatten zu tanzen, am besten vierundzwanzig Stunden am Tage.

Mit unglücklichen Gesichtern standen sie vor ihren Eltern, die die Mimik ihrer Kinder sahen und kalt übersahen und sie weiterhin in diesen überzogenen Leistungssport und der damit verbunden Isolationshaft zwingen werden, koste es, was es wolle.

Ohne Bedenken berauben sie sie ihrer Kindheit. Nur einmal im Leben gibt es diese Zeit des freien Spielens ohne wirklich schlimme Sorgen.

Diese Kinder kennen keine Kindheit. Sie werden später ihre eigenen Töchter und Söhne fragen:
"Wie ist das, Kind zu sein??"

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Kommentare zu diesem Text

mica (28)
(26.06.07)
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 tastifix meinte dazu am 27.06.07:
Ja, das stimmt.
Jedoch zählt eine solche Erfahrung zu denen, die zum Wohle der Kinder lam ehesten zu verhindern wären!!

Lieben Gruß
tastifix
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