Heiliger Bimbam!!

Kurzgeschichte zum Thema Allzu Menschliches

von  tastifix

Jeden Donnerstag frönen August und Erwin ihrem Lieblingshobby. Sie klappern sämtliche Kneipen der Düsseldorfer Altstadt ab, wobei sie darauf achten, auch ja keine auszulassen. Schließlich wollen sie jederzeit über die Auswahl an Schnaps, Likör und Bier auf dem Laufenden sein.

Heute sind sie mit dem Besuch der ersten Lokalität ausgesprochen zufrieden. Sie sind beim Testen sehr streng vorgegangen und haben doch tatsächlich trotzdem nichts auszusetzen gehabt. Erwin hat zweimal kontrolliert, erst ein Bier, dann zwei Schnäpse und August sogar noch mehr. Er ist ungefähr doppelt so dick wie sein Freund und verträgt laut eigener Aussage deswegen auch doppelt so viel. Den Beweis hat er prompt angetreten und ist ebenfalls von allem sehr angetan.

"Wohin als nächstes?", überlegt August und sieht seinen Freund ein wenig zweifelnd an.
Doch, sie können es wagen, ihre Sauftour fortzusetzen. Der wirkt noch erstaunlich fit.
"Lass uns zum Rhein marschieren!", schlägt Erwin vor.

Ihr Ziel ist eine super winzige Kneipe, fast direkt am Fluss. Dort kriegt man wirklich alles, was das Herz im Leibe und einen selber dann etwas später fröhlichst herum hüpfen lässt. Voller Vorfreude steuern die Beiden auf das kleine Lokal mit den bunten Fensterscheiben zu. Durch die knarrende Holztür betreten sie den Raum.

An der Wand gegenüber decken hohe Regale, Flasche an Flasche. Es gibt nichts, was es da nicht gibt und vor allem Killepitsch. Der ist das Markenzeichen dieses Lokals. Hier keinen Killepitsch zu trinken, kommt beinahe einer Todsünde gleich und Schluck-Todsünden unterlaufen unseren Beiden garantiert nicht.
„Zwei Killepitsch. Abaa große!“, bestellt August.
Erwin nickt zustimmend, wirft noch schnell, nach einem freien Platze fahndend, einen Blick zurück über die Schulter.

Hm, gegenüber der Theke ist an der Wand eine schmale Eckbank angebracht, vor der stehen winzige Tische und davor ein paar noch winzigere Holzschemel. Sitzt man auf denen, darf man in schöner Regelmäßigkeit den Vorteil einer Anrempel-Massage genießen und kann sich glücklich schätzen, nicht von den sich eilig durchdrängelnden Gästen vom Stuhl geschubst zu werden.

„Warum drängeln die bloß so?“
Erwin fehlt bereits ein bisschen der Durchblick. August fühlt sich verpflichtet, ihm auf die Sprünge zu helfen. Schließlich ist Erwin sein Freund.
„Na, warum wohl? Die wollen zum Klo.“
Mit einem Blick in die hinterste Ecke macht er ihm klar, wo das gewisse Örtchen zu finden wäre. So ganz unwichtig ist diese Information ja nicht ...
Die Gläser überaus vorsichtig in der Hand balancierend, auf dass ja kein Tröpfchen des köstlichen Nass überschwappe, forschen sie nach einem Sitzplatz. Da ist nichts zu machen, es ist proppevoll. Zum Glück führt eine Wendeltreppe nach oben zu einer Empore, auf der noch ein paar große Holzbänke plus ebensolcher Tische stehen. Aufatmend lassen sich Erwin und August nieder. Hach, so ist das richtig gemütlich.

„Prost, alter Junge!“, meint August, wartet Erwins Antwort erst gar nicht ab, sondern kippt den Killepitsch auf Ex hinunter. Sein Freund beobachtet dies, will in nichts nachstehen, außerdem als Fast-Profi-Killepitsch-Genießer angesehen werden und tut es ihm nach. Sofort fühlen sich die Zwei ein wenig froher. Ihr Kreislauf bedankt sich und es wird ihnen wärmer. Der graue Alltag ist kein Thema mehr. Genauso wenig noch wie die ansonsten so gepflegte Sprache.

„Is doch wohl jut?“, bemerkt August.
„Hm ... aah!“, schmatzt sein Freund.
Da es keine Probleme mehr zu geben scheint - die sie sonst allerdings in dem Ernst der Thematik angemessenem Hochdeutsch diskutieren würden, falls sie dazu jetzt überhaupt noch in der Lage wären - haben die Zwei endlich einmal Muße, sich die Lokalität von ihrem Hochsitz aus genauer anzusehen.
„Mensch, die Bilder. Sehen fast aus wie die röhrenden Hirsche über Omas Bett in geraumer Vorzeit!“, grinst August.
Natürlich ist das auch Erwins Meinung. Sowieso sind sie jetzt auffallend oft einer Meinung.

Da bleibt sein Blick an der Decke haften und löst sich nicht mehr.
„E... Erwin!“, stößt er seinen Kumpel in die Seite. „Sach` mal, soo besoffen können wa doch eigentlich ooch noch nich sein, ooder?“
„Bin ich mir bei dir nicht so s... sicher bei dem Tempo, mit dem du das Z... Zeug in dich rein s... schüttest!“, feixt der.
Aber er ist ja ein guter Freund und fragt deshalb nochmals nach:
„Wat hasse denn?“
Oh Gott, August macht ja ´nen Gesicht, als ob ihm ´ne Fata Morgana übern Weg gelaufen ist.
„Nee“, korrigiert er sich. „die sieht man ja nur, wenn man vor Durst schon halb bescheuert ist. Nur in der Wüste. – Also muss da was anderes los sein ... !“
Er lobt sich. Soviel der Logik noch nach ´nem großen Killepitsch – alle Achtung.

„Kear, glubsch` doch mal, da oben!“, zupft ihn sein Freund am Ärmel.
Diesen Hinweis noch einigermaßen korrekt auszusprechen, ist ihm irre schwer gefallen. Er sieht aus wie eine überreife Tomate und ist kurz vorm Platzen. Erwin folgt seinem entgeisterten Blick. Auch sein Blick bleibt wie festgeklebt an der Mitte der Decke haften. Auch Erwin fasst es einfach nicht.
Es soll ja alles gemütlich aussehen. Also hat man die Decke mit Malereien geschmückt. Da tanzen fröhlich lachende Buben im Bubikopf, Kniebundhosen und Wanderschuhen Ringelreihen. Das ist ja noch nett anzusehen und stimmt die Gäste ebenfalls fröhlich. Aber dann entdeckt Erwins Adlerauge den Grund für Augusts Fast-Herzschlag und er erliegt seinerseits innerhalb des Bruchteils einer Sekunde dessen augenblicklicher Gemütslage.
„H... Haben die ´nen K... Knall?“, stellt er in den Raum. Mehr in den Raum zu stellen, vor allem, sich selber dorthin zu platzieren, ist ihm leider verwehrt. Er ist dagegen heilsfroh, dass er sitzt und japst deutlichst vernehmbar nach Luft.

Die süßen Buben dort oben umtanzen nicht etwa einen Maibaum, oh nein. An einer massiven, recht langen Eisenkette schwebt ein Engel im zu seinem Glück gebührenden Abstand über der Theke. Es ist ein besonderer Engel, aber keinesfalls ein Erzengel.

So einen Engel haben unsere Beiden nun wahrlich noch nie in ihrem bisherigen Leben zu Gesichte bekommen. Das in Korkenzieherlocken dessen Antlitz umrahmende Haar passt, die ausgebreiteten Flügel erst recht, der leicht sinnende Blick in die Ferne passt auch und gleichfalls die vier Kerzenleuchter mit den brennenden Kerzen, die er in seinen schmalen Händen hält.

Aber der Rest ... !
„Also, weisse!“, weiß August da so zutreffend anzumerken, „wat is denn dat für eine Missgeburt?“
Und Erwin sammelt den Rest seinen momentanen, logischen Denkvermögens zusammen und ergänzt nicht ganz unrichtig:
„D... darf ma ja nüch sagen, sowat üba de himmlische Wesens, aber hat vieeleicht de liebe Gott da vorher ooch ´nen Killepitsch getrunken, bevor er den hier erschaffen hat?“
Wie auf Kommando schütteln die Freunde strafend ihren da nicht mehr so ganz weisen Kopf.
„Tz,tz,tz!“

Dieses scheinbare Himmelswesen konnte doch nicht wirklich aus den heiligen Gefilden dort oben stammen. Vorne war das tatsächlich ´nen geflügelter Bote, doch statt in zwei Beinen endete sein Körper eindeutig in einem Fischschwanz. Aus dessen Hinterflosse wuchs doch wirklich ein Gebilde, dass frappante Ähnlichkeit mit einem Weißkohl aufwies, einem uns sehr bekannten Gemüse. In auffallend gesund-geradem Wuchs streckte es sich der Decke entgegen.

„Duhuuh?“
August vollbrachte eine da geradezu irre Denkleistung.
„Hääh?“
Erwin hatte zunehmend diverse Schwierigkeiten, den hochintellektuellen Ausführungen seines Freundes zu folgen.
„I... ich h... hab`s!“
August strahlte über beide killepitsch-leuchtend-rote Wangen.

„Wat denn nu noch ...?“
„Pass auf: D... das is übahaupt gar kein Engel nich.
Dat is ´ne Lampe!!!“

„Heiliger Bimbam. Dat is Kitsch hoch drei!!“

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