I: Schmerz: Abschied, Suche, Aufgabe

Lyrischer Prosatext zum Thema Schmerz

von  kaltric

I: Abschied

Und da schwand sie hin... nichts als eine Erinnerung blieb an sie, für immer ausgelöscht war der Rest. Ihr Körper war vergangen und damit all die glücklichen Augenblicke zu zweit... nichts als eine Erinnerung blieb. Ihr Geist jedoch lebte weiter in uns, nichts als eine Erinnerung die blieb...
Wir nahmen sie und trugen sie fort, dorthin, wohin es sie schon immer zog. So kamen wir denn ans Meer, wo unsere Trauer obsiegte. Wir gaben ihr Ausdruck beim Totenfest und trugen sie danach an die See. Ich vermag nicht zu sagen was schlimmer war, zu wissen, dass sie nie wieder würde lachen und sich des Lebens erfreuen oder die Ungewissheit, ob ich sie je würde wiedersehen, zwar nicht in dieser aber vielleicht einer anderen Existenz.
Ich trug den anderen mein Leid vor, als ich dastand vor ihren Überresten und etwas sagen sollte. Ich sprach vom Leid zu wissen, dass es ohne sie nie wieder sein würde wie eh und mit ihr es nie war, vom Leben mit ihr und dem Gedanken ihr zu folgen, vom Leben und Sterben, vom Lauf der Dinge, von der Vergangenheit, der Zukunft und der Gegenwart, vom Schmerz und auch vom Trost, vom Lieben und dem Geliebt werden, dem Hassen und Verehren, von meinen Plänen... .
Natürlich suchten sie mich davon abzubringen, doch hätte es ihnen nie gelingen können. Und so tat ich es denn auch, ich besorgte alle nur nötigen Mittel und bereitete das Ritual vor. In einer dunklen Nacht, kurz nach dem Fest erst, stand ich wieder an dem Ort am Meer und suchte in den Fluten eine Spur von ihr, doch fand ich nichts... nur Leere und gelegentlich ein vom Wind getriebenes Blatt über den Wellen.
Als der weiße Mond am höchsten stand fing ich an. Ich rief die Mächte des Todes, der Ewigkeit, die Herren über das Leben, an, mit mäßigem Erfolg. Zwar kamen sie, tatsächlich, und lauschten meiner unwürdigen Bitte, doch entschieden sie nicht wie gehofft und fast erwartet. Sie sprachen meine Bitte frei, wieder mit ihr zusammen sein zu können, doch anders als geplant. Sie willigten in den Pakt ein, jedoch änderten die Bedingungen...
Und so wurde es Morgen am Ende der Nacht, die Sonne scheinte zum ersten Mal seit meiner Liebe Abschied, sie versuchte mich zu wärmen... . Sie versuchte mich aufzuwärmen, zu erwecken, ich sollte den neuen Tag begrüßen. Doch konnte ich schon längst nicht mehr, hatten mich die Herrscher über das Schicksal doch mit sich genommen.
Und so umspülte das warme Wasser meinen nun kühlen Körper und trug mich davon, trug mich auf den Grund des Ozeans, während mein unsteter Geist darauf vorbereitet wurde, meine verlorengeglaubte Liebe wieder zu entdecken...
Schmerz. Er umspülte mich...
Ich fand sie nicht...


II: Suche

Meine Reise führte mich durch die Gestade der Unendlichkeit, eine Ewigkeit des Leides, immer auf der Suche, jeden nur barliegenden Schatten nutzend auf dem Wege zu ihr, so hoffte ich sie doch immer noch zu finden, nach all dieser Zeit, all dieser Einsamkeit im weiten Reich des nicht endenen Schmerzes und der Trauer, verschlug es mich doch hierher in dieser mein Schicksal besiegelnden Nacht.
Meine Liebe erwartete ich hier zu finden, sofern dies dem Willen entsprach der herrschenden Mächte dieser Welt, den Vertrauten der Toten nach deren Übergang durch den Schleier des Vergessens...
Doch mich drängte noch immer die Erinnerung, zwar verblassten sie und das Bild meiner Liebe, verborgen tief in meinem Innersten, fing an heller zu werden und zu verlieren seine Schärfe, gegenteilig dazu der Schmerz, mein Körper war vergangen und dessen Wunden vergeben, doch blieb dies Schrecklichere, das Seelenleid, welchem zugrunde ich viel eher dahinsiechte.
Jahrtausende nach meinem Erwachen in den Ländern des Schattens auf der anderen Seite der Welt, so schien es mir zumal, denn Zeitmesser zu finden gab es hier nicht, noch besaß ich je ein Gespür für das Rieseln der Körner der Zeit, verstärkt noch durch die nie wechselnde Dunkelheit, ließen die Schicksalsmächte meine Hoffnung erstarken, fand ich doch, verborgen unter anderen Seelenhaufen, eine Spur, ein Hinweis auf den Weg meiner allen Schmerz vergessen lassenden Liebe.
Ich folgte ihr für ewig und weitere Jahr' und zweifelte ob meines Gelingens sie je zu finden, ja würd' ich sie überhaupt erkennen können, doch brach ich nie ab, war meine Aufgabe doch einzig das Mittel mich zu schützen vor drohendem Wahnsinn, welcher sonst jegliche einsame Seele in diesen Landen befiel.
Mir ein Leuchten zu sein in der Finsternis zwischen den Toten gebot sich mir ein Gesandter des Lichtes, der Freude, der ewig währenden Glückseligkeit, nicht der ewig währenden Verzweiflung wie sie mich umgab, erbarmte sich mir dies, das wärmende Licht, doch und versprach zu helfen, hatte es auch keine Macht zu wirken irgendetwas in diesem meinem Gefängnis der Seele.
So ward ich letztendlich wenigstens nicht mehr allein, allein auf der Wanderung durch die Dunkelheit, wofür bereits ich schon unendlich dankbar zu sein glaubte, und so suchten wir zu zweit...
Wir fanden sie nicht...


III: Ende

Ich verlasse diesen Ort des Schmerzes. Nichts Gutes hatte er mir gebracht, nur Pein. Wie konnte sie mir das antun? Ich liebe sie noch immer, habe sie mehr geliebt als je einen Menschen zuvor. Doch auch hatte mich kaum jemand jemals mehr hintergangen. Ihr Bild schwebt vor meinem geistigen Auge, ihr liebliches Antlitz. Doch der Schmerz, den sie gepflanzt hat, bohrt tief durch Herz und Eingeweide.
Ich muss es bald beenden, sonst habe ich nicht mehr die Kraft dazu.
Das Verlangen nach Neuem zog mich zu diesem Ort, doch fand ich sie. Ihr Duft, ihre Wärme, ihr – nein. Wie sieht die Welt ohne sie aus? Nicht möglich, möchte man meinen, trist und farblos. Die Wunden – es müssen mehr werden, der eine Schmerz den anderen besiegen.
Damals, als ich her kam, war ich einsam und verzweifelt. Nun bin ich es wieder. Ich legte keinen großen Wert auf mich, mein Leben, lebte schlicht selbst zerstörerisch. Doch dann fiel ihr Licht auf den Schatten meines Lebens und erhellte ihn. Ich wurde süchtig nach der Freude, die ich mit ihr erlebte, bekam nicht genug und war über jeden Tag dankbar. Heute aber nahm man sie mir, böse Mächte entrissen sie mir für immer. Falsche Freunde verrieten uns und zogen sie mit sich – ich konnte nichts tun. All die schönen Augenblicke mit ihr, all das Leben lebenswert machende – verloren, für immer.
Ich fliehe, weg von den Schmerzverursachern, sie hinter mir lassend, doch der Schmerz selber ist mein treuer Begleiter. Hier nun habe ich einen ruhigen Ort gefunden, einsam wie ich selber, dieser See wird mir den Weg weisen. Ich lege mich nieder, ziehe mich aus und lege die Messer neben mich. Dann rufe ich die Götter an, und flehe um Anhörung. Das Wasser kräuselt isch, das Abbild des Mondes verzerrt sich, ein Lüftlein weht.
Ich nehme die Messer in beide Hände und setze sie mit zittriger Hand an. Dann vollführe ich den Schnitt, auf beiden Seiten gleichzeitig. Ich schnitt zu tief, die Messer fallen mir aus der Hand. Ich stehe auf und gehe ins Wasser. Das kühle Nass umspült mich, das warme, lebensspendende Nass tropft von den Händen. Das Wasser um mich färbt sich Rot, während ich immer tiefer ins Wasser gehe. Bald umspült es meine Oberarme, doch ich gehe weiter. Meine Hände schmerzen kaum, das Wasser kühlt mich.
Dann schließt sich der See über mir.
Ich spüre, wie ich schwächer werde, wie das Leben aus mir fließt. Immer dunkler wird es, immer schwächer werde ich. Dann erkenne ich und bin glücklich: endlich ist es vollbracht, ist es vorbei.
Die Dunkelheit ist wunderbar.

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Kommentare zu diesem Text

Max (43)
(09.06.09)
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 Ginkgoblatt meinte dazu am 28.10.09:
Dem schließe ich mich an. Sehr mitreißend und berührend! KG Coline
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