Mein aller letztes Bach-Konzert!

Tagebuch zum Thema Allzu Menschliches

von  tastifix

Für die gewaltige Musik Wagners und Bachs habe ich mich noch nie begeistern können. Ich lausche lieber Mozartklängen.

Als junges Ehepaar ohne Kinder besuchten wir gerne das Theater und gingen zu Konzerten. Um meinem Mann eine Freude zu machen, hatte ich mir vorgenommen, meinen ihn in ein Bach-Konzert zu begleiten.

Damals war ich noch berufstätig und hatte einen ausnehmend anstrengenden Dienst hinter mir. Ziemlich groggy kam ich zu hause an. Kurz darauf erschien auch meine andere Hälfte und wir stellten missmutig fest, dass wir vor unserem Musikabend noch dringend zum Einkaufen fahren mussten.

Der Supermarkt war brechend voll wie die sprichwörtliche Sardinenbüchse. Außer uns hatten wohl noch ein paar Leute erschrocken die gähnende Leere in ihrem Kühlschrank registriert. Ohne auch nur einen einzigen Stopp schoben sich die Massen an den Regalen entlang.

Wer Glück hatte, schnappte sich mit ausgestrecktem Arm die begehrten Artikel. Wer Pech hatte, stellte notgedrungen die Ernährungsplanung für die nachfolgenden Tage total um. Statt des vorgesehenen Fisches wanderte Braten in den Einkaufskorb und umgekehrt.

Bestimmt eine halbe Stunde oder länger plünderten wir die verschiedenen Theken, solange, bis unser Einkaufswagen fast überquoll. Mittlerweile klitschnass geschwitzt, rollten wir den Wagen zur Kasse.

"Mensch, hoffentlich sind wir gleich schnell draußen. Ich kann nicht mehr. Die Luft hier ist ja zum Eierlegen!", stöhnte ich.
"Lass uns nochmals überlegen: Haben wir denn auch wirklich alles?", meinte da doch tatsächlich meine andere Hälfte.
In dem Moment wünschte ich ihn auf den Mond, aber bitte ohne Rückflugticket.
"Mir piepegal. bloß weg hier!", piepste ich.

Das ´Bloß-weg-hier`blieb noch eine geraume Zeit ein frommer Wunsch, denn all die lieben Mitmenschen, die uns Gesellschaft geleistet hatten, wollten ebenfalls so fix als möglich diesen Backofen verlassen und stürmten die Kassen.

Vor uns eine Schlange von mindestens acht Metern, hinter uns dasselbe noch einmal und wir mittendrin, erschossen bis zum Umfallen. Zusätzlich dröhnte uns der anhaltende und gleichbleibende Lärm ringsum die Ohren zu. Es kam zum reinsten Autobahn-Stau, wir standen uns auf ein- und derselben Stelle die Beine in den Bauch, es tat sich kaum mehr etwas.

Leider konnte ich ein Gähnen nicht mehr unterdrücken.
"Wär`doch heute kein Konzert!", dachte ich und hielt mich verzweifelt am Einkaufswagen fest.
Plötzlich schien mir der Lärm leiser geworden, alles irgendwie so fern. Da stieß mich mein Mann an:
"Was ist denn mir dir los?"
"Nichts, nichts!", antwortete ich erschöpft und im selben Moment wurde der Krach um mich wieder lauter.

Gott sei Dank kamen wir dann doch irgendwann an die Reihe, verstauten unseren Maxi-Einkauf im Wagen und düsten eilig heim. Ich sehnte mich so sehr nach einem kalten Wasserstrahl ...

Nach einer Dusche im Schnelldurchgang fühlten wir uns wieder frischer, zogen uns rasch um und fuhren zum Theater, das wir wider Erwarten sogar rechtzeitig erreichten. Wir hatten Plätze in einer der Seitenlogen umd mußten uns deshalb gottlob nicht auch noch durch die Sitzreihen schlängeln. Aufatmend sanken wir in die Sessel und harrten der Aufführung, die auch pünklich begann.

"Eine wunderbare Musik, aber nichts für mich!", stellte ich mal wieder fest und kurz darauf drifteten meine Gedanken ab. Zuerst wälzte ich Probleme, dann dachte ich an alles Mögliche. An die Vorkommnisse im Dienst, an die netten Gespräche mit meinen Kolleginnen und an noch Angenehmeres mehr.

Wie ich es zuwege brachte, trotzdem noch den Eindruck zu erwecken, ich hörte fasziniert zu, weiß ich bis heute nicht zu beantworten. Vielleicht half mir dabei, dass ab und an ein donnernder Ton meine Überlegungen durchschnitt. Was mich denn doch sehr beunruhigte, war, dass die Pausen zwischen jenen Tönen länger und länger wurden wie auch nach der Hälfte des Konzertes meine Lider zunehmend schwerer.

"Nein!", riss ich mich am Riemen. "Das nicht!"
Entschlossen klemmte ich mir geistige Streichhölzer zwischen die Lider. Dies half enorm, zumindest jeweils für ´ne Viertelstunde. Dann mußte ich sie auswechseln.

Kurz vor dem optischen Reifenwechsel schubste mich mein Mann von der Seite an. Er konnte ja nicht ahnen, wie dankbar ich ihm dafür gewesen wäre, wenn ich nicht auch schon fürs Dankbarsein zu weggetreten gewesen wäre.

Ich glaube, er hat diese peinliche Übung zweimal wiederholt. Doch beim dritten Male hatte er Pech. Er knuffte und knuffte, ich schrak kurz zusammen, schämte mich für eine Mikrosekunde, meine Lider flatterten und schlossen sich dann endgültig.

Zwanzig Minuten vor Ende des Konzertes schlief ich sanft träumend ein. Weckversuche blieben zwecklos. Wenigstens schnarchte ich nicht. Lag das vielleicht an dem super bequemen Sesselbett??

Nie wieder besuchte mein Mann mit mir ein Bach-Konzert!!

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