Zauber einer Wanderung

Beschreibung zum Thema Natur

von  tastifix

Beim Anblick des postkartenblauen, fast wolkenlosen Himmels und des güldenen Sonnenscheines hält mich nichts mehr im Haus. Mein Entschluss steht fest: Ich mache eine lange Wanderung.

Bis zum Naturschutzgebiet sind es nur mehr zehn
Minuten, zehn Minuten bis zum Vergessen des hektischen Alltags und Eintrittes in eine wahre Märchenwelt. Gelb- und rotgefärbte Baumkronen säumen den Weg. Dazwischen stehen hochgewachsene Wildkräuter mit riesigen lila,rosa und weißen Blüten, unter denen sich Butter- und Gänseblumen der Sonne entgegen strecken.

Dichte, samtgrüne Brennesselbüsche runden das Bild ab, lassen die leuchtenden Farben der Blumen und Kräuter noch mehr zur Geltung kommen. Im Hintergrund erstrecken sich ausgedehnte Felder und Äcker.Bald aber wandelt sich das Bild und ich fühle mich beinahe in einen Urwald versetzt.

Die schmalen Lücken zwischen den Büschen und dem knorrigen Unterholz geben die Sicht frei auf kleine, verwunschene Seen mit winzigen Steininseln, wahre Paradiese für alle möglichen Tiere.

Bewusst verhalte ich mich mucksmäuschenstill und sehe forschend auf die wilde Natur. Von ferne zwitschern Vögel ihr fröhliches Lied, ab und an vernehme ich das Krächzen einer Krähe. Plötzlich stutze ich: Ein Geräusch wie von einem Hammer, durchdringend und langanhaltend, hallt durch den Wald. Sicherlich arbeitet dort einer der Buntspechte, aber  leider hält er sich vor meinem Blick verborgen.

Ich setze meinen Spaziergang fort. Mini-See reiht sich an Mini-See. Das Wasser glitzert silbern im leichten Wellenschlage, verursacht von den zuströmenden Bächen, die die Seen speisen.

Hinter einer weiteren Wegbiegung bleibe ich fasziniert abrupt stehen. Rechts befindet sich ein etwas größerer See, den im Boden verankerte und weit ins Wasser ragende Äste sozusagen in kleine Zimmer unterteilt. Dies ist anscheinend auch einer Schwanenfamilie aufgefallen, die die Holzstapel wahrscheinlich als gutes Versteck ansehen für den Fall, dass zu viele Menschen des Weges ziehen. Es ist einfach wunderschön, diese stolzen Vögel im strahlenden Sonnenlicht auf dem leicht bewegten Wasser schaukeln zu sehen. Zudem ist es für mich ein ganz besonderes Wiedersehen.

Vor mehreren Monaten, als die Jungen noch im gräulichen Babykleid einher watschelten, hatte ich sie gezählt. Kein Wunder, dass die Schwaneneltern so sehr stolz ihre Hälse reckten. Es waren sieben Kleine. Bestens erzogen reagierten sie auf jeden noch so leisen Befehl und auf jede noch so geringe Bewegung ihrer Eltern. Meistens hielten sie sich damals noch eng bei der Mama. Der Papa schob derweil Wache, damit ja keiner seinem Nachwuchs zu nahe kam. Das wagte auch niemand, denn dann wurde er sehr ungehalten und auch schon mal aggressiv.

Nun also sehe ich die Winzlinge von damals als strahlendweiße Jungschwäne. Immer noch schwimmen sie eng beeinander. Aber gleich ihren Eltern präsentieren sie sich, sich nun ihrer Schönheit bewusst, schon in  königlicher Haltung. Den Kopf mit einer anmutigen Bewegung zu mir gedreht, mustern sie mich neugierig.
"Ein komischer Schwan!", mögen sie denken.

Ich genieße diesen friedlichen Anblick noch eine Zeitlang. Mit einem Lächeln auf dem Gesicht nehme ich schließlich von ihnen Abschied. Bald darauf lichtet sich dieser Märchenwald. Ich überquere eine Straße und spaziere inmitten der sattgrünen, leicht hügelligen Rheinwiesen mit dem vereinzelten Baumbestand und an Weiden vorbei, auf denen kleine Gruppen von Kühen und Pferden grasen, zum Fluss.

Wegen des herrlichen Wetters ist es hier leider mit der Einsamkeit vorbei. Ein Wagen Erholungssuchender nach dem anderen, die Fahrräder sind kaum mehr zu zählen.
"Schade!", murmele ich.

Doch am Wasser angekommen, darf ich feststellen, dass sich die Menschen auf den vielen Wanderwegen längs des Flusses verlieren. Um mich her kehrt wieder Ruhe ein. Heute, am Sonntag, sind nur wenige Schiffe unterwegs. Ein bisschen Abwechslung bietet eine Entenschar, die nahe dem Ufer entlang paddelt.

Ich marschiere noch ein Weilchen am Rhein. Auch hier gibt es sehr anheimelnde Pfade und doch ist dies mit dem Märchenwald, der hinter mir zurück geblieben ist, nicht zu vergleichen. Nach einer halben Stunde kehre ich deshalb um und marschiere im Bummeltempo zurück.

Wieder komme ich an den hübschen Pferden vorbei. Mit weit vorgestrecktem Kopf zupfen sie gerade die Grasbüschel jenseits des Zaunes ab.
"Schmeckt ja auch besser als das Gras auf der eigenen Weide!", grinse ich.

Kurz darauf erreiche ich die Kuhweiden. Schon von weitem habe ich eine Menschentraube dort bewegungslos stehen sehen.
"Wonach schauen die bloß?", frage ich mich und trete näher.
Ich ahne es noch nicht, was mir beschert sein wird.

Im ersten Moment entdecke ich nichts Ungewöhnliches. Ich sehe zwei erwachsene Kühe und zwei sehr junge Tiere. Was mir auffällt, ist, wie munter sie sind, so ganz anders, als ich es sonst von Kühen kenne. Auch wirken sie auf mich extrem gut gepflegt.

Da zupft mich ein kleines Mädchen am Arm:
"Guck`mal, dort hinten!", deutet es mit dem Finger nach vorne.
Aufmerksam folge ich dem Hinweis und werde dann ganz still. In der hnitersten Ecke der Weide steht unter einer weit ausladenden Baumkrone eine Kuh und streift immer wieder mit ihrem Maul durch das niedrige Gras.

Ein winziger Kopfhebt sich ihr entgegen. Dann steht da auf einmal auf zitternden Beinen ein Kälbchen, höchstens eine halbe Stunde alt. Es hat noch enorme Schwierigkeiten, seine Beine zu sortieren und kippt immer wieder seitlich ins Gras. Genauso oft stupst es seine Mutter sanft an:
"Komm`, steh` auf. Schaffst du doch, musst es bloß ein paarmal versuchen!"

Zärtlich schnupeprt sie an dem Kleinen herum und nimmt so den Geruch des Neugeborenen auf. Sie dreht sich um sich selber und schubst ihr Kleines dabei solange, bis es direkt unter ihrem Euter steht. Bereits nach wenigen Sekunden hat das Baby verstanden und nuckelt selig. Währenddessen nähert sich neugierig Tante/Schwester Kuh und beschnuppert ihrerseits das Baby. Damit ist es in die Gruppe aufgenommen.

Es ist ein so rührendes Bild. Bewegt stehen wir Menschen davor. Die Eltern des kleinen Mädchens, das mich auf dieses Kälbchen aufmerksam gemacht hat, unterhalten sich:
"Ich hab`dir ja gesagt, lass uns eher los gehen. Dann hätten wir jetzt vielleicht sogar die Geburt sehen können."

Ein älteres Ehepaar nähert sich auf dem Fahrrad. Auch sie steigen ab, auch sie schweigen und blicken entzückt zu dem Kälbchen. Wir kommen ins Gespräch:
"Mein Gott, wie` süß!", sagt die Frau zu mir.
Ich muss es einfach los werden:
"Ja, wenn man das so sieht, Mutter und Kind auf dieser schönen Weide beieinander ... und dann daran denkt, wie wir sonst mit diesen Tieren umspringen ... Es ist entsetzlich!!"
"Da sagen Sie etwas Wahres!", erwidern beide wie aus einem Munde.

Mir steht noch eine lange Rückwanderung bevor. Aber die ganze Zeit über habe ich das Kälbchen und dessen Mutter vor Augen. Für mich ist es ein ganz besonderes Erlebnis gewesen, das ich so schnell nicht vergessen werde

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