Leise singt der Wind

Prosagedicht zum Thema Existenz

von  RainerMScholz

Leise singt der Wind

Leise weint ein Kind. In der sturmgepeitschten Nacht, so leise. Als sei eine verlorene Katze Urheberin dieses Wimmerns und Heulens. Und nicht die Trauer und Verlassenheit eines kleinen Menschens in pechschwarzer, düsterer Nacht; in der grauenerregenden Mondlosigkeit und völligen Abkehr von allem, was licht und klar ist und hell.
Schritte hallen von fern auf nassem Asphalt, harte Schritte, Stiefelschritte. Erst leise, gedämpft, wie aus Nebel schreitend, dann klarer und lauter, bedrohlich metallisch, immer schneller; bis sie am Ende zu laufen beginnen, über nasse Pflastersteine hasten, rennen; immer schneller, immer näher kommt das Klackklack, Klackklack der genagelten Stiefel; und dann...- und dann...  entfernen sie sich, die tretenden Stiefel, hasten immer noch in kopfloser Flucht, einem unbenannten Ort zueilend, einem unbekannten Ziel. Wir waren es nicht. Laufen sie fort. Die Schritte. Hastend das Eisen auf Pflaster. Wir waren es nicht dieses Mal.
Der Wind heult durch die Ritzen und Risse in den Mauern, pfeift ein Lied, das niemand kennt, ein Lied von den Toten; den Toten, die im Moor versanken, ein Lied von den Toten, die am Grunde des Meeres, der tiefsten Stille ruhen, pfeift ein Lied von Galgen und Kreuzen, singt Vergessen, singt Namenlos. Leise singt der Wind durch Risse in Mauern von lautlosem Wahnsinn, von irrem Gelächter in ewiger Stummheit - kalt ist er , der Wind, und frostbeladen.
Nebelschleier steigen aus den Wassern empor. Feucht und schwer kriechen diffuse Schleier gestaltloser Schimären aus den Sümpfen, umhüllen ein einsames Haus, ein Gehöft, verschlucken, ersticken, zermalmen es, bis nichts zurückbleibt, nichts übrig, als die graue Wand, der Nebel. Als die Inkarnation all dessen, was der Hölle unserer Träume entspringt, die Ausgeburten totgeglaubter Geister.
Leise pfeift der Wind durch die Risse in den Mauern. Der Nebel senkt still sich auf das Land. Der Meeresgrund speit seine Toten aus. Leise. Nun. Sehr leise.


© Rainer M. Scholz

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Kommentare zu diesem Text

The_black_Death (31)
(07.11.07)
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 RainerMScholz meinte dazu am 07.11.07:
Ich hab`s eigentlich nur wegen der Anhäufung von lyrischen Topoi und den vielen blumigen Adjektiven ein Gedicht genannt. Schublade auf - Schublade zu.
Ich muß mich auch ein wenig über Deine Empfehlung in letzter Zeit, Schwarzer Tod, wundern. Kein Blut, keine Eingeweide, kein lepröser Aussatz, nur Novembermelancholie - und dennoch gefällt es Dir. Ich ziehe meinen Hut
in der Nacht
mach`s gut
R.
FranziskaGabriel (44)
(27.11.07)
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 RainerMScholz antwortete darauf am 27.11.07:
Es geht um eine abgewendete Begegnung, um das Grauen, das gerade noch vorbeigelaufen ist, um diffuses Nebelgeklacker, es geht ummmm...
Danke, Gabi, und Grüße,
R.
rickmartindalejunior (32) schrieb daraufhin am 12.12.07:
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rickmartindalejunior (32)
(12.12.07)
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 RainerMScholz äußerte darauf am 14.12.07:
Danke.
Grüße,
R.
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