Mitten im Wald

Kurzprosa zum Thema Glück

von  Ganna

Schwere Schatten bedecken den Berg. Es wird Zeit, denkt sie, bevor die Sonne sinkt will sie Essen machen. Also steht sie auf, geht hinaus in den Garten, holt die Grabegabel und hebt eine Porreestange aus dem Boden. An den Wurzeln wird ein Batzen Erde mitgezogen, den sie mit der Hacke abschlägt. Immer noch gibt es reichlich Rote Beete, von denen sie eine kräftige Knolle aussucht. Dann zieht sie Möhren heraus und bricht große Blätter vom Mangold der daneben steht.
    Schon den ganzen Tag lang heult von fern eine Motorsäge. Die Leute machen Holz. Bald wird es kalt werden.
    Mit dem Gemüse unter dem Arm und in den Händen geht sie hinunter zum Fluss und taucht es ins Wasser. Was sie nicht hält wird fortgespült. Winzige Fischlein hapsen sofort nach den lehmigen Klümpchen, die sich lösen, probieren und speien unablässig. Sie schwenkt Blätter und Wurzeln, reibt mit den Fingern daran bis alles sauber ist und ihre Hände vor Kälte schmerzen.
    Danach schüttelt sie das Wasser ab und steigt den schmalen Pfad, der von braunroten und gelben Blatttupfen bedeckt ist hinauf. Je kälter es wird, desto wärmer färben sich Wiesen und Wege, bis alles endlich unter Schnee und Eis erstarren wird.
    Nach und nach schnipselt sie das Gemüse in den großen gusseisernen Topf, entfernt winzige Nacktschnecken, die noch zwischen Blättern sitzen, achtet darauf, keine der kleinen schwarzen Fliegen zu übersehen und schält auch sorgfältig die Fraßlöcher der Wühlmäuse aus. Zu dem Gemüse gibt sie Wasser, Brühwürfel und Curry und setzt dann den schweren Deckel auf den Topf.
    Gleich wird die Sonne ihre noch wärmenden Strahlen einziehen.
Sie geht hinter die Hütte, Holz zu sammeln. Der stete seit Tagen anhaltende Wind bricht täglich toten Äste ab, die sie zu Haufen zusammenlegt, bündelt, zurückträgt und neben der Feuerstelle ablegt.
    Aus dem Regal in der Hütte holt sie ein Buch - diesmal ist es „Im Tal der Pferde“- und reißt eine Seite nach der anderen heraus, zerknüllt sie und legt sie in die Asche, feine Zweige und kleine Ästchen obenauf bis größere folgen. Alles wird mit einem Streichholz entzündet, ein Eisenrost darübergelegt und der Topf daraufgestellt.
    Sofort zerrt der Wind an den Flammen, die unbändig um sich schlagen, als wollten sie den Topf meiden, den sie doch erreichen sollen. Sie legt Holz nach immer mehr, bis alles im Feuer verschwindet und Rauch unter dem schwarzen Deckel hervorquillt.
    Nun beginnt es zu wärmen. Sie setzt sich nah daneben und hört, wie es knistert und tönt, säuselt und rauscht und lauscht in den Wald hinaus. Eine Rotte Schweine kommt den Berg herunter, raschelt, schnauft und grunzt und nimmt den gewohnten Weg.
    Bald wird die Suppe gut sein, denkt sie und beobachtet einen Baum, der inmitten des Waldes wie erstarrt verharrt, seine Äste nach allen Seiten in die Luft gestreckt, als wollten sie etwas längst Verlorenem hinterher greifen, um doch noch zu halten was nicht zu halten ist. Weiße Flechten kleben wie veralteter Bartwuchs auf seiner Haut, als sei er darunter brüchig  geworden, steif und unbeweglich. Erinnerung wird verharschen wie vergessener Schnee.
    Später wird sie hingehen und ihm von ihrer Wärme geben.

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Kommentare zu diesem Text

The_black_Death (31)
(20.11.07)
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 Ganna meinte dazu am 21.11.07:
Danke, freut mich,
lG Ganna
FranziskaGabriel (44)
(23.11.07)
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 Ganna antwortete darauf am 23.11.07:
. . . und in der der Mensch die Natur respektiert und sie fuer sich nutzt ohne ihr zu schaden.

Liebe Gabi,

Danke fuer Deinen Kommentar. Ich freue mich darueber, dass Du meinen Text magst.
liebe Gruesse
Ganna
Anders (23)
(25.11.07)
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 Tosca (26.11.07)
Hallo Ganna, Dein Nick hat mich angezogen - hab ioch vor kurzem eine Oper gleichen Namens gesehen.
Du erzählst das, als wenn Du da leben würdest, mitten in der Natur. Besonders angesprochen hat mich Deine Aussage zu dem Baum, denn ich empfinde für Bäume ebenso; Wärme, Respekt.
Ich lächele Dir zu und werde wieder bei Dir vorbeischauen.
Herzlichen Gruß Tosca

 Ganna schrieb daraufhin am 26.11.07:
Liebe Tosca,
ja, es stimmt, ich habe fast sieben Jahre in einer kleinen Huette im Wald gelebt und bin heute auch noch sehr oft dort. Es ist schoen, dass Du Baeume magst, sie sind unsere Brueder.

liebe Gruesse von Ganna

 Jorge äußerte darauf am 06.11.13:
Da ist nichts erfunden. Es ist alles erlebt. Naturverbunden und zugleich sehr entbehrungsvoll.
LG Jorge

 Ganna ergänzte dazu am 06.11.13:
.....ich sehe es nicht als Entbehrung, sondern als Geschenk...als großes Geschenk, ansonsten würde ich nicht so leben...

Danke für Dein Sternchen!

LG Ganna
outcast (44)
(03.01.08)
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 Ganna meinte dazu am 05.01.08:
Ich danke Dir!

LG Ganna

 Regina (27.02.14)
Glückwunsch zu diesem naturverbundenen Erleben. Sehr schöner Text.

 Ganna meinte dazu am 27.02.14:
Danke, Regina, es ist ein Geschenk, so leben zu können.

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 11.01.23 um 00:30:
Hallo Ganna,
du lebst in der Natur mit der Natur. Ein besseres Leben gibt es nicht.

Liebe Grüße
Ekki
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