Dezemberweh

Expressionistisches Gedicht zum Thema Augenblick

von  Isaban

Ein Warten auf den ersten Schnee.
Am Fenster dieser Himmel aus Zement,
der in der Lunge brennt, derweil
ein Motor aus Gewohnheit Atem holt.
Und hinter Lidern brodeln Laugen.

Wie Spinnennetze haften Schatten
im Labyrinth, in meinem Zimmer,
sie beten hämisch dieses Immer,
zerkratzen mit den langen Fingern
im Stillen die Tapetenstreifen,

verwischen Trautes, Kanten, Spuren.
Im Augenwinkel wölbt sich bebend
der dunkle Spiegel mir entgegen
und springt erstarrt zurück vor meinem Blick,
versteckt sich hinter Gegenaugen.

Die Zeiger kleben auf den Uhren,
beim Warten auf den ersten Schnee.

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Kommentare zu diesem Text

janna (60)
(02.12.07)
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janna (60) meinte dazu am 04.12.07:
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 Isaban antwortete darauf am 16.12.07:
Ich habe es zu deinem Projekt hinzugefügt, liebe Janna.
Danke schön, für deine Rückmeldung und deine Einladung zum Projekt.
Herzliche Grüße,
Sabine

 AZU20 (02.12.07)
Liebe Sabine, wie immer viele eindrucksvolle Bilder und Metaphern. Ist der erste Schnee so etwas wie eine Erlösung vom Weh? Dagegen spricht eigentlich, dass die Zeiger kleben. Ist es insgesamt so etwas wie Resignation? Dafür sprechen viele Wendungen in den mittleren Strophen. Klär mich auf! LG zum ersten Advent von Armin

 Isaban schrieb daraufhin am 16.12.07:
Hm. In schlechten Zeiten hangelt man sich von Ereignis zu Ereignis. Ist man zum Beispiel im Krankenhaus, so sind die Mahlzeiten das, was anzeigt, das die Zeit vergeht, das, worauf man wartet. Hat man unerträgliche Schmerzen, so ist es der Zeitpunkt der Morphiumspritze.
Sitzt man im Altenheim, so ist es das Warten auf das Besuchswochendende. An was aber kann man sich weiterhangeln, wenn man seinen Halt verloren hat? Ich glaube, da muss man dann in anderen Zeitdimensionen denken. Warten, auf den ersten Schnee, warten auf die ersten Frühlingsblumen, warten auf wärmere Temperaturen...
Warten auf etwas, das einen Zeitabschnitt kennzeichnet, auf Linderung, auf Sedativa.
Die Zeiger kleben, ticken nicht mehr den Herzschlag, die Zeit misst sich, vorbeigleitend, außerhalb, beim Blick aus dem Fenster, in dieser abgekapselten Welt.
Die andere, die optimistischere Perspektive, hat allerdings auch was für sich. Ich glaube, die endgültige Interpretation sollte jedem Leser selbst überlassen werden.

Danke, für deine Gedanken zu meinem Text, Armin und

herzliche Grüße,
Sabine

 AZU20 äußerte darauf am 16.12.07:
Liebe Sabine, vielen Dank für deinen Kommentar, der mich aufklärt und gleichzeitig die Tiefe deiner Gedankengänge verdeutlicht. Genieße noch den ausklingenden 3. Advent
angyal (44)
(02.12.07)
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 Isaban ergänzte dazu am 16.12.07:
Danke, Tine.
Hey, ich vermiss dich.

Alles Liebe,
Sabine
MarieM (55)
(02.12.07)
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 Isaban meinte dazu am 16.12.07:
Doch, Mariechen mit dem neuen Namen.
Sie schließt den Kreis, rundet LIs Gedanken und zeigt auch das Abkapseln von dem, was außerhalb des "Zimmerlabyrinths" vor sich geht, ist das, woran sich LI festhält.

Hab vielen Dank für dein Lesen und nachspüren.
Herzliche Grüße,
Sabine
Tatzen (28)
(02.12.07)
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 Isaban meinte dazu am 16.12.07:
Herzlichen Dank, Daniel,
verzeih, dass ich erst so spät auf deinen wirklich sehr schönen Kommentar antworte. Ich finde es toll, wie du dich nicht nur mit dem Inhalt, sondern auch der Form auseinander setzt und habe mich sehr über deine ausführliche Rückmeldung gefreut.

Liebe Grüße,
Sabine
rock-n-roller (58)
(02.12.07)
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 Isaban meinte dazu am 16.12.07:
Danke, lieber Stefan, für deine Auseinandersetzung mit meinem Text.
Ich hoffe, dass es dir gut geht und grüße
herzlichst nach Berlin


Sabine

 styraxx (02.12.07)
Schon der sehnsüchtige Titel sagt, mit was wir es zu tun haben. Mit einem sehr schönen Gedicht das starke Sinnbilder in sich trägt. Das Schaurige schleicht durch diese Zeilen. Stellenweise fast gespensterhaft; man könnte meinen das lyrIch ringe mit sich selber (S3 V3-5).

Besonders gefällt mir, wo es heisst: „der in der Lunge brennt„ und „ein Motor aus Gewohnheit Atem holt“. Die Verben werden den Substantiven neu zugeordnet, wodurch ein eigenwilliges und noch intensiveres Sprachbild entsteht. Eine weitere Stelle die mir auch super gefällt: In S2 V3 wir das Gebet förmlich zur Häme. Ich glaube dieses „Immer“ macht es aus. Ja, ein super Gedicht mit interessanten Wortfindungen.

Liebe Grüsse

Cornel

 Isaban meinte dazu am 16.12.07:
Danke, Cornel.
Es ist ein Warten auf etwas, das von außen kommt, gefangen im eigenen Innen. Irgendwas muss kommen, muss helfen, muss retten - und sei es auch nur der erste Schnee, das Sinnbild des Reinen, wenn es schon sonst nichts gibt, was Rettung, Linderung, Erleichterung verspricht. Schnee, der den Himmel bricht, der das Atmen so schmerzhaft macht.

Ich freue mich sehr über deinen guten, ausführlichen Kommentar, Cornel, der davon zeugt, wie sehr du dich mit meinem Text auseinander gesetzt hast.

Herzliche Grüße,

Sabine
Laurin_Almdudler (57)
(03.12.07)
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 Isaban meinte dazu am 16.12.07:
Danke, werter Herr.
Wenn dies ein Äquivalent zum 24. Törchen im Adventskalender sein soll, dann freue ich mich sehr.

Es grüßt herzlich

Isaban
Laurin_Almdudler (57) meinte dazu am 18.12.07:
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Elias† (63)
(08.12.07)
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 Isaban meinte dazu am 16.12.07:
Danke, Eberhard.
Es sind die intensiven Texte, die einen fressen, nicht wahr?
Liebe Grüße,
Sabine
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