4 de octubre

Bericht zum Thema Reisen

von  RainerMScholz

Illustration zum Text
(von RainerMScholz)
Vor einer der zahlreichen Kirchen verkauft eine Ordensfrau Zuckerwerk an einem Stand links vom Portal. Es ist schwülheiß, und die Nonne sitzt da in vollem Ornat breitbeinig hinter dem Tisch und verkauft Süßigkeiten an Kinder. Als könnten wir es nicht recht glauben, gehen wir weiter zu dem Aussichtspunkt der Stadt, an dem Hidalgo geköpft worden sein soll, Miguel Hidalgo y Costilla, einer der Führer der Revolution von 1810.
Ein altverliebtes Pärchen, das gedankenverloren Hand in Hand über die sich an die Berghänge der Sierra ausdehnende Stadt blickt, wird von uniformierten Sicherheitskräften vom Rasen vertrieben, freundlich zwar, aber doch bestimmt. Das Standbild des revolutionären Pfarrers ist hingegen von eher banaler Wucht. Betreten verboten. Unter der Sonne bekommt der Uneingeweihte nach zehn Minuten einen Hitzeschlag. Eintritt vier Pesos.

Böllerschüsse knallen durch die Nacht: einer der zahlreichen Feiertage. Zu Ehren irgendeines Heiligen. Und davon gibt es viele hier. Die Plätze und Straßen sind mit Menschen überfüllt. Fliegende Händler bieten ihre Ware feil, geröstete Maiskolben, Schweinefleisch, Tortillas, Luftballons, billiger Ramsch, Spielzeug für Kinder, Souvenirs für Touristen, Totemmasken.
Und wir trinken unser erstes Indio: dunkles hochprozentiges Bier. Bei der Aussicht auf eine leichtbekleidete Engländerin am Tisch nebenan wird mein Aschenbecher dreimal pro Glas Bier geleert. Trinkgeld für den Kellner, der nicht mich ansieht.
Wieder dieses Böllerkrachen in den Straßen, Conny erschreckt. Es ist ein Fest.
Am nächsten Tag wird uns der wenig vertrauenerweckende junge Mariachi im Überlandbus zu Tränen rühren, obschon wir aufgrund unserer beschränkten Sprachkenntnisse nahezu nichts vom Inhalt seines Vortrages zu verstehen vermögen. Doch das helldörre Gras des vorüberziehenden versteppten Landes, die tiefblauen Höhenzüge unter der Wolkensymphonie am Himmel naher Ferne und der melancholische wehmütige Gesang des Jungen, begleitet von der einsamen Gitarre, die soviel Trauer und Schmerz auszudrücken scheint, rührt uns auf unbekannte und unerhörte Weise. Der Bus galoppiert über die marode Straße. Schweigend sehen wir durch das gesplitterte Glas der Fenster hinaus in das Land.

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