Freu dich bloß nicht zu früh...

Kurzgeschichte zum Thema Zerstörung

von  apocalyptica

Einsneunundachtzig. Vielleicht mehr, keineswegs weniger. Die schwarzen, von wenigen Silberfäden durchzogenen Haare kurz geschnitten, um die störrischen Locken zu bändigen. Breite Schultern, Waschbrettbauch, süßer Knackarsch. Hautenge Jeans, Muscleshirt, Sneakers.

Charmantes Gesicht, sonnengebräunt, blitzweiße Zähne und Augen so tief wie das Meer. Insgesamt ein geiler Typ, dem die schmachtenden Blicke so mancher Frau weit und gerne folgten. Störend nur der schmale Goldreif an seiner rechten Hand.

Seit einigen Minuten saß er in dem kleinen Straßencafé mitten in der City und lächelte die Passanten an, flirtete mit der Kellnerin, die ihm den Cappuccino servierte. Äußerlich wirkte er ruhig und gelassen. Doch in seinem Inneren schlugen die Gedanken und Gefühle Purzelbäume.

Zum x-ten Male blickte er auf seine Uhr, Kaufhausmodell, nein…keine Rolex, noch nicht. Seine Frau hatte die Kohle, reichlich, aber es war alles anders gelaufen, als er es sich vorgestellt hatte. Ganz anders. Sie hielt ihn an der kurzen Leine, finanziell und überhaupt. Lachte ihn aus, erniedrigte ihn. Führte ihn vor. Behandelte ihn wie ein Stück Dreck.

War ganz schön schwierig gewesen, die Sache zu finanzieren, aber er hatte es geschafft, irgendwie. Endlich der Anruf, anonym. „Das Auto Ihrer Frau ist präpariert, alles planmäßig. Man wird nichts nachweisen können.“ Ein breites Grinsen zog über sein Gesicht…frei! Reich! Nie wieder ihr spöttischer Blick! Ihre messerscharfen Worte! Schon schade um den Maserati, natürlich, aber die Versicherung würde zahlen.

Genussvoll schlürfte er das Sahnehäubchen von seinem Kaffee. Drückte seine Kippe aus und legte ein paar Münzen auf den Tisch. Schlenderte langsam und gemächlich los. Aufreizend. Dabei hätte er vor Freude hüpfen können. Tanzen!

Er erreichte seinen alten Kombi, trat ausgelassen vor das  übel zerbeulte Nummernschild. Stieg laut lachend ein und drehte den Zündschlüssel just in dem Moment, als ein Maserati um die Ecke bog. Das Letzte, was er sah, bevor ein Ohren betäubender Knall ertönte und er mitsamt seinem Kombi in Stücke gerissen wurde, war ein spöttischer Blick.

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Kommentare zu diesem Text


 AZU20 (11.12.07)
Ja, die Grube... hübscher Text, Mitleid mit dem armen Jungen, oder? LG

 apocalyptica meinte dazu am 12.12.07:
Danke, lieber Armin, fürs Lesen und überhaupt! ;)
Dies war mein erster Versuch, mal etwas ganz anderes zu schreiben als sonst, mal etwas ohne Melancholie und zu viele Gefühle. Ich gebe zu, der Anfang der Geschichte sollte ein ganz anderes Ende finden, aber manchmal verselbstständigen sich eben die Gedanken beim Schreiben und so wurde ansatzweise ein Krimi daraus.
Schön, wenn dir der Text gefallen hat!
Ich grüße dich herzlich,
die -bea
steinkreistänzerin (46)
(11.12.07)
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 apocalyptica antwortete darauf am 12.12.07:
Liebe Annette,
ich hatte eben schon beschrieben, dass ich eigentlich gar keine "kriminalistische" Geschichte schreiben wollte, zumal ich festgestellt habe, dass das so einfach auch nicht ist...die Sache muss ja -meiner Ansicht nach- irgendwo eine Logik entwickeln und "aufgehen", also recht sachlich bleiben. Und irgendwie passt das nicht wirklich unbedingt zu meinem gefühlsbetonten Leben...hört sich jetzt etwas sinnig an, aber ich denke, du wirst verstehen.
Ich grüße dich herzlich,
die -bea
Ralf61 (48)
(19.12.07)
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 apocalyptica schrieb daraufhin am 03.01.08:
Och manno...ich kann doch nicht immer nur die liebe Bea sein, ne? Und dann kommt halt sowas dabei raus! ;) Mal ganz ohne Sentimentalität und Gefühlsduselei, aber ich merk schon, so ganz einfach ist das nicht....
Auch dir liebe Grüße und nochmals ein gutes Neues Jahr!
Herzlichen Dank für den Komm und das *,
die -bea ;)
lunamy (22)
(15.02.08)
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 apocalyptica äußerte darauf am 16.02.08:
Danke fürs Loben! ;) War mal ein Versuch von mir, etwas ganz anderes zu schreiben...
Liebe Grüße in dein Wochenende,
die -bea
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