Musik verbindet, Wichteltext für Omnahmashivaya

Kurzgeschichte zum Thema Verliebtheit

von  AZU20

Ein breites Flussbett, schilfumsäumte Ufer. Ein Sommer wie aus dem Bilderbuch. Nebelschwaden tanzen gespenstisch über die hinströmenden Fluten. Wasser gluckst behäbig unter den Planken eines schmalen Kahns. Ein junger Mann. Er sitzt im Boot und schlägt mit den Rudern unbeholfen auf und ab. Sein Fahrzeug schaukelt bedrohlich. Für drei Stunden hat er bezahlt. Beim Verleih am Bootssteg. Und nun müht er sich mit den Rudern ab wie Don Quichotte mit den Windmühlenflügeln. Schwerfällig dreht er sie hin und her. Immer und immer wieder klatschen sie aufs Wasser. Fontänen spritzen auf, durchnässen ihn.

Die Luft erwärmt sich zusehends. Leichter Wind kommt auf. Der junge Mann schwitzt und flucht und schaut unruhig auf seine Uhr.
Laut schnatternd fliegt eine Ente aus dem Schilf auf. Sie flattert aufgeregt davon. Ihre kräftigen Flügel rauschen wie Propeller im Wind.
Der junge Mann streift kurzentschlossen sein Hemd ab, wirft es in weitem Bogen auf den Boden des Boots. Es landet in einer schmutzig braunen Wasserlache.
"Das ist nicht mein Tag. " Umgang mit störrischen Rudern . Vergebliches Mühen, unstete Strömungen, zerfließende Flut, unbarmherzige Hitze. Seine Gedanken schwirren wie lästige Stechmücken. Beinahe opfert er ein Ruder dem Fluss, der nicht mit ihm im Bunde. Vergeblicher Kampf mit dem nassen Element. Der junge Mann kurz vor der Kapitulation. Das Boot tanzt unruhig auf den. Wellen. Die Ruder schlagen nach wie vor, wie von Geisterhand geführt, wild auf und ab.

Er hadert noch mit dem wilden Aufruhr der Elemente, als er überrascht aufhorcht. Aus weiter Ferne Gesangsfetzen, unzusammenhängend wie die letzten aufsteigenden Nebel-schwaden. Eine helle weibliche Stimme. Wohlklingende Harmonien. Der Gesang hebt sich wohltuend von den hässlichen Geräuschen ab, die er mit Boot und Rudern erzeugt.
Eine erlesene, klare Frauenstimme. Er lauscht angestrengt. Zauberhafte Versuchung, sirenengleiche Anziehung. Sie zwingt ihn, den ausdrucksvollen Tönen entgegen zu rudern. Noch kann er sie nicht einordnen, doch er ist berauscht von dem strahlenden, lichtfunkelnden Gesang.
Auch der aufrührerische Fluss beruhigt sich, als zwängen ihn diese Klänge wie aus einer anderen, fernen Welt zum Einlenken. Selbst die ungebärdigen Ruder geben ihren Widerstand auf. Wie von Geisterhand geführt tauchen sie lautlos in die Flut. Fast wie von selbst schwebt das Boot nun über die Wellen. Musik beflügelt. Und derart angetrieben nähert der junge Mann sich den himmlischen Klängen.
Deren Interpretin taucht mit ihrem Boot hinter einer Fluss-Biegung auf, die der junge Mann trotz aller Bemühungen, trotz der neuen Leichtigkeit des Ruderns noch nicht erreicht hat.
Die Boote treiben auf einander zu. Ein kurzer Augenblick unendlichen Glücks, dann enteilt die wundersame Sängerin wie ein geisterhaftes Phantom mit der dahin gleitenden  Strömung.
Der junge Mann leidet, denn er ist verliebt. Von einem Augenblick auf den anderen verliebt. Zunächst in die
wunderbare Stimme. Nun aber auch in das engelgleiche Geschöpf im vorbei treibenden Kahn. Wie sie ihn anstrahlte, so schmolz er unter ihrem himmlischen Feuer dahin. Und nun enteilt sie ihm einer Fata Morgana gleich. Verloren für immer.

Doch Liebe verleiht Flügel. Der junge Mann ist wie von Sinnen. Ein waghalsiges Wendemanöver. Er jagt ihr hinterher. Sie unternimmt nichts ihm zu entfliehen.
In kurzer Zeit erreicht er sein ersehntes Ziel. Mit einem Ruder hält er das fremde Boot fest. Sie treiben mit der Strömung in eine stille, von hohem Schilf umstandene Bucht. Er entert kraftvoll den Kahn der begehrenswerten Sängerin. Sie lässt es willenlos geschehen.
Ein zärtlicher Kuss, eine zarte Umarmung. Zwei Liebende sinken der Welt entrückt eng umschlungen auf den dunkel schimmernden hölzernen Boden des Boots, der warm und trocken die beiden Körper liebevoll auffängt.

Milder Windhauch treibt über die Schilfhalme hinweg. Die langen Halme wispern leise. Die Melodie schwebt über dem Schilf, streift über das ruhig dahinfließende Wasser, erhebt sich wie ein extra leichtes Gespinst in die sommerwarme Luft. Die jungen Leute vereinigen sich zu einem stürmischen Duett im schlichten Holzkahn. Das andere Boot schaukelt sanft daneben, zwei Ruder treiben heimlich davon.

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Kommentare zu diesem Text


 Maya_Gähler (15.12.07)
Hab lieben Dank für deine Teilnahme am Projekt, lieber Armin.
Ein wirklich schöner Text, den du hier für Sabine wichtelst und somit auch für uns. :o)
Wichtelige Grüsse,
Maya

 AZU20 meinte dazu am 15.12.07:
Vielen Dank für deine netten Worte und das übrige. LG zum Adventswochenende
chichi† (80)
(15.12.07)
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 AZU20 antwortete darauf am 15.12.07:
Ja, es war eine schöne Sommererfahrung, wenn auch leider nur der Kern der Geschichte so passiert ist. Freut mich, dass sie dir gefallen hat. LG zum Adventswochenende
Amphelia (37)
(15.12.07)
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 AZU20 schrieb daraufhin am 15.12.07:
Vielen Dank für alles und einen schönen Adventssonntag
Elias† (63)
(15.12.07)
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 AZU20 äußerte darauf am 15.12.07:
Lieber Eberhard, ich habe auch lange nicht mehr gewichtelt. Mein Sohn hat eine eigene CD gemacht, die mich sehr mit ihm verbindet. Auch bei der geschichte gibt es einen wahren Kern. LG zum Adventssonntag

 tulpenrot (15.12.07)
Wenn es immer so unproblematisch zuginge ... Komischerweise wird die Sängerin gar nicht um ihr Einverständnis gefragt .. oder hab ich was überlesen?? ... aber vielleicht hat sie ja bewusst die Wogen geglättet mit ihrem Gesang. Das ist schön, wenn Musik das bewirkt!

Ich erinnere mich an meinen Spaziergang im Sommer ... auch da kam wunderbarer Gesang aus einem Fenster des Dorfes, hinter dessen Gärten ich mich in der Mittagshitze aufhielt. Ob das vielleicht auch ein Text werden kann? Deine Erzählung regt mich neu dazu an.

LG
Angelika

 AZU20 ergänzte dazu am 15.12.07:
Liebe Angelika, Einverständnis ohne Worte natürlich. Dir einen schönen Adventssonntag. LG
Lena (58)
(16.12.07)
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 AZU20 meinte dazu am 16.12.07:
Liebe Arja, freut mich, dass er dir gefallen hat. Auch dir einen schönen 3. Adventssonntag

 GillSans (16.12.07)
Ich mag den auch, deinen Wichteltext. Ich hoffe Ohmah findet ihn auch bald und weiß ihn zu schätzen ))
Gern gelesen und super geschrieben.
Gill

 AZU20 meinte dazu am 17.12.07:
Ich danke dir sehr für alles. Der Wichtel hat sich vielleicht doch zu leise angeschlichen. LG

 Omnahmashivaya (17.12.07)
Hallo, eine wirklich schöne Kurzgeschichte. Tolle Idee und tolle Bilder. Habe den Text heute erst entdeckt, weil ich die letzten Tage nicht bei den Projekten hineingeschaut habe. Lg Sabine

 Omnahmashivaya meinte dazu am 17.12.07:
Die Bilder, von denen du erzählst und die ich sehe, erinnern mich an gemalte Bilder, weil alles ein wenig zauberhaft dargestellt ist. So eine Ausgeglichenheit (also als er auf die Frau trifft) und Ruhe.

 AZU20 meinte dazu am 17.12.07:
Es freut mich sehr, dass dir die Geschichte gefallen hat. Sie enthält sogar ein Körnchen Wahrheit. Ich war tatsächlich an einem solchen Tag mit einem Boot auf der Lahn bei Limburg unterwegs.... Danke für alles und adventliche Grüße an dich von Armin

 Dieter_Rotmund meinte dazu am 07.08.09:
Mein später Kommentar:

"Die Luft erwärmt sich zusehends"

Wie sieht man denn, dass sich Luft erwärmt? Infrarotblick?

 FrankReich meinte dazu am 28.04.21:
Nervige Kommentare liegen immer auch in ihrer Art begründet, wenn Du schon Korinthen kackst, Dieter, würde ein Verbesserungsvorschlag, wie z. B. "bemerkbar" Deine arschnasigen Fragen spürbar entschärfen. 😂

Ciao, Frank

 Dieter_Rotmund meinte dazu am 28.04.21:
Ansage: Auf Pöbel-Kommentare reagiere ich zukünftig nicht (mehr). AZU ist intelligent genug, für eine bessere Lösung zu sorgen.
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