Kapitel 1

Kurzprosa zum Thema Esoterik

von  DanceWith1Life

Süßlicher Dampf kroch den Raga entlang, wie eine unbekannte Tonleiter, jeden dritten Takt eine Welle aus Tönen über den Ohren brechend, fast als wäre dort ein unsichtbares Gewässer, in dem ihre Füße baumelten. Kleine Fische sprangen an denselben empor, schillernde Melodie aus Farbe und Nässe, bevor sie mit einem Salto zurücktauchten, dann begann der Gesang.
Djannas day,
drrtakedin
sway swing sway
my light, keuchte Madame Knatsch, was haben die nur für seltsame Musik in diesen Kneipen.
eine rauchige Frauenstimme begann ihre Geschichte zu erzählen, untermalt von den sehnsüchtigen Klängen der Veena.
Who will candle my dark dreams,
have I not any Love to give You.
Who will handle my means
Do I not believe in logic
to be true
drrtakedin
An der Wand hing ein Poster einer Gopi, wie sie sinnend die Kühe heimführt und ihr Herz ausschüttet vor den Steinen ihres Wegs.
Bei jedem Schritt drängen die Blütenblätter dichter in ihr offenes Haar, als wollten sie ihr Schutz gewähren, vor der Glut ihrer Sehnsucht.
Verwandelte sich doch jeder ihrer Gedanken in ein loderndes Geständnis ihres unnachahmlichen Verlangens nach der Berührung ihres Geliebten.
Jeden Morgen beobachtete sie, wie er sein Haus verließ und jeden Abend kehrte er müde und zermürbt heim, als fräße etwas in seiner Brust, von dem niemand Kunde hatte, und keine Medizin bekannt war.
Madame Knatsch grinste, diese Narren der Liebe, My Light, und sie meinte damit ihre Katze, die wie immer in einiger Entfernung hinter ihr her schlich, du weißt nicht, was für seltsame Geschöpfe wir Menschen sind.
Mewau, melancholierte die Katze beschwichtigend, als würde sie nicht wagen zu widersprechen, obwohl sie das sehr wohl wußte, auf ihre eigene Art natürlich, und die nützt uns nicht viel.
Wie die Musik mit jedem ihrer Schritte immer leiser wurde, und sich im Abenddunkel verlief, wie ein streunender Hund, mal im Rhythmus der Tabla verweilend, dann in den Klängen der Veena sich verlierend, wie er die Witterung der Sehnsucht in sich aufsaugte an jeder neuen Fundstelle, dann eckig weitertrollte und plötzlich im Bodennebel verklang.
So suchte auch Madame Knatsch ihr Zuhause, unwillkürlich den Klängen ihrer Erinnerung folgend, die sich nicht direkt in die Karten schauen ließ, als wär' es ein Spiel, und der Einsatz ein wenig Gefühl.
Polternd rasselte ein Lieferwagen an ihr vorbei, das war überhaupt nichts besonderes, auch um diese Uhrzeit nicht. Aber auf dem Werbeaufdruck der viel zu bunten Reklame starrte sie in das selbe Gesicht, das vorher noch im Gewand einer Gopi die Kühe gehütet hatte, nun als Zigeunerin verkleidet, und mit strahlendem Lächeln einen etwas seltsamen Text flüstern, "Bereiten sie sich etwas Abwechslung, Quasselinas Kaffeetassenorakel mit Gebrauchsanweisung."
Madame Knatsch stapfte verärgert nach Hause, hatte sie sich doch gerade heute Mittag ein solches Spielzeug geleistet und gehofft der puren Kinderei von Sehern und ihren Gläubigern einen Streich zu spielen, als ihr alter Freund Kaifash daherkam und behaupte, das Ding funktioniere tatsächlich.
Sie beschloss es bis zum Morgen unangetastet zu lassen.
Plötzlich stand sie vor ihrer Haustüre, sie wußte zwar nicht wie sie dort hingelangt war, aber so war es immer. Sie putzte sich die Zähne und legte sich schlafen.
Madame Knatsch hatte gerade ihr Frühstücksbrötchen mitsamt diesem neu erworbenem Kaffeeorakel zum kleinen runden Tisch auf die Veranda gestolpert, als die Katze mit einem gurrendem Geräusch neben ihr auf dem Stuhl landete.
Na du, "Möchtegern-Tiger" , mewau, kannst nicht warten bis ich zu Ende frühstücke, musst immer schneller sein als ich, mewau, my light, seufzte Quandera, so hatte ihre Großmutter sie genannt, Quandera Palästine Knatsch.
Sie stand also nochmals auf, gab der Katze ihr Restchen Billigfutter und widmete sich wieder der Bedienungsanleitung des Kaffeeorakels.
Dieses war eigentlich ein Scherzartikel aus einem Spielzeugladen, ein befreundeter Seher hatte ihr allerdings verraten, dass es durchaus zu mehr nütze war.

Die eigentliche Kunst des Zeichendeutens.
Lautete die Überschrift der etwas lächerlich umrandeten Einleitung, die auf diesem Heftchen, immerhin bronzefarbene Mageritenblüten andeutete.
Die eigentliche Kunst des Zeichedeutens, wiederholte die erste Zeile die Überschrift, besteht nicht etwa darin alles zu sehen, was die Figuren, Farben und Formen des Orakels beinhalten, sondern, darin, alles, was man gerne darin sehen möchte, wegzulassen, dann spricht das Orakel eine klare einfache Sprache.
So ein Schlaumeier, dachte Quandera, die schon einige Erfahrung im Orakeln hatte, und setze ihre Lesebrille auf, um entspannter weiterlesen zu können.
Um ihre eigenen Wünsche nicht ständig in jede kleine Zufälligkeit ihrer Umgebung hinein zu interpretieren, braucht es allerdings eine gewisse Gelassenheit, die es ihnen ermöglicht, anhand der überall klar gezeichneten Hintergründe, die Absicht eines Orakels wahrzunehmen.
Es gibt drei Gruppen von Orakeln.
Die metamorphorischen Konsequenzen, also jene Einblicke, die ihnen erlauben die Weiterentwicklung einer Angelegenheit wahrzunehmen und vorauszuahnen.
Die Zukunftsvisionen, also Gedankenblitzlichter mit speziellen Informationen, nicht in der Entwicklung vorgesehener Tatbestände.
Und die persönlichen Karmakurven, also all jene Ereignisse, die aus ihren eigenen Taten ganz gleich welcher Entwicklungsepoche resultieren.
Bitte beachten sie, dass der Einblick, den ihnen das Orakel beschert, keinerlei Konsequenzen auf ihr Handeln hat, ausser sie verändern es, wobei sie auch die Gültigkeit des Orakels verändern, dann also die Wahrscheinlichkeit besteht, dass jedes, einmal offenbarte Orakel, bereits nicht mehr aktuell ist.
Das ist doch..., dachte Madame Knatsch, Kamillentee und Himbeerkompott, diese grüngesichtigen Blattläuse der Theorie, immer glauben sie ihrem eigenen Dünkel.
Die Struktur der Zukunft
Prof.Dr.Xander Wetterstein war so nett uns seine wissenschaftlichen Arbeiten für dieses Heftchen zu leihen, sie können das Gesamtwerk in jeder gut ausgestatteten Bibliothek ausleihen, aber davon raten wir ab, denn es umfasst die gesamten Zweifel dieses altehrwürdigen Wissenschaftlers und nur wenige Antworten, die unser Thema betreffen.
Die Zukunft ist einfach unglaublich, solange sie noch nicht eingetroffen ist, wenn dann aber alles passiert ist, haben wissbegierige Menschen schon seit langer Zeit versucht die im Nachhinein feststellbaren Ähnlichkeiten zusammenzufassen, und darin eine Struktur gesucht.
Beides, also die Unglaublichkeit der Zukunft und ihre im Nachhinein gesuchte Struktur entspringen jedoch derselben Unwissenheit über das Leben und seine Naturgesetze.
Darum haben die Seher aus alter Zeit ihrem eigenen Verständnis entsprechende Anzeichen gesucht und sind dabei auf eine immer zahlreicher werdende Ansammlung von Hinweisen gestoßen, die diesem Zweck sehr dienlich war, sie nannten es: das Orakel.
Quandera prustete ihren Kaffee zurück in die Tasse, das stimmt doch gar nicht, kreischte sie entsetzt, in das dünne Heftchen.
Hast ja recht, antwortete das Heftchen, aber das ist so unwichtig, und es dauert ewig die Wahrheit zu erklären, und die unterscheidet sich für Normaldenkende nur minimal, dass man es genauso gut so sagen könnte.
Qunadera legte langsam das Heftchen auf das Tischchen und nahm ihr Tässchen und ging mit vorsichtigen Schrittchen in ihre Küche, um sich neuen Orakelkaffee zu holen, sie wollte sicher gehen, dass ihr erster Versuch nicht durch diese Ungeschicklichkeit beeinträchtigt werden könnte.
Wieder zurück las sie weiter:
Die wohl bekanntesten Orakel waren die viel zitierten Prophezeiungen einiger auserwählter Personen, die diese anhand von Traumbildern festhielten.
Keiner kann heute mit Gewissheit sagen, ob diese Traumbilder eine exakte Wiedergabe des Erlebnisses der Person waren, oder ob sie ihre Erlebnisse in diesen Bilder versteckten, damit sie nur von Personen verstanden werden kann, die eine gewisse Form von seelischer Reife haben, also eine Art Code den nur Eingeweihte entschlüsseln können.
Quandera nahm einen Schluck Kaffee, durchsuchte mit den Augen ihre nähere Umgebung und entdeckte einen im Gebüsch versteckten Spektakularis.



My Light, rief sie nach ihrer Katze, hast du keine Augen im Kopf, siehst du nicht, was für ein falscher Falter da im Gebüsch sitzt und auf seine Bestimmung wartet.
Die angesprochene hob verschlafen ihren Kopf und blickte in die angedeutete Richtung.
Als sie das beschriebene Objekt erblickte öffneten sich dieselben überraschend zu einer Anspannung die einem unkundigen Beobachter Sekundenbruchteile vorher noch unmöglich erschienen wäre.
Quandera kannte ihre Katze, und wußte, diese hatte noch keinen Entschluss gefasst.
Der Falter blieb regungslos sitzen, ihre Katze auch.
Das Schillern des Falters veränderte nicht die Spur einer Farbe, die Augen ihrer Katze taten es ihm erstaunlich gleich und so passierte was passieren musste, nämlich rein gar nichts, das heißt die einzigen aufregenden Aktionen waren die rhythmischen Wanderungen ihrer eigenen Augen, die angestrengt versuchten keinen von beiden länger als eine Sekunde unbeobachtet zu lassen.
Als diese ihr dann langsam zu schmerzen begannen wegen des ungewohnten Bewegungstrainings, und weder die Katze noch der Falter Anstalten machten von einander Notiz zu nehmen, entspannte sie sich, nahm das Heftchen wieder zur Hand und las weiter.

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