Die Weihnachtsgeschichte nach den Uni-Apokryphen

Absurdes Theaterstück zum Thema Weihnachtsgeschichte

von  JoBo72

Wir alle kennen die Weihnachtsgeschichte. Die Weihnachtsgeschichte ist unrealistisch: Ich meine, es kommen drei Weise und bringen Geschenke. Aus dem Osten. Und die wollen noch nicht mal eine Quittung. Und die jammern den Heiland auch nicht voll, wie gut alles war – „vor der Wende“. Und dann waren da, in der Weihnachtsgeschichte jetzt, Hirten, zu denen der Engel des Herrn gesprochen hat. Hirten! Das stimmt auch nicht, das waren Studenten, die als Hirten gejobbt haben. Das ist ja wohl ein Unterschied!

Woher ich das weiß? Uni-Apokryphen. Gruppe im Studi-Vz.

Ja, und weil das so war, musste sich der Engel des Herrn bei der Verkündigung der Botschaft einiges einfallen lassen. Er muss die Studenten ja irgendwie kommunikativ erreichen, er musste mit ihnen auf eine Ebene kommen. Und dabei kommt es nun ganz darauf an, von welcher Fakultät wir sprechen. Das wusste der Engel des Herrn natürlich....

1. Sozialpädagogikstudenten:

„Halloooooooo! Ähm, ich fänd’s irgendwie total schön, wenn ihr kurz zuhört, es ist echt wichtig. Denn ich verkünde euch große Freude (Pause), oder so. Euch ist heute ein ganz lieber Retter geboren, irgendwie. Also, ihr werdet ein Kind finden, das in diese Mehrweg-Windeln gewickelt ist, die ökologisch abbaubar sind. Es liegt in einer Krippe, da in diesem selbstverwalteten Stall. Das ist so’n Projekt für mehr Autonomie der palästinensischen Kleinfamilie, oder so (Pause) irgendwie… (Pause) Weihrauch gibt’s auch, zum Kiffen. Halloooooo.... (Pause) habt ihr zugehört? Nein? Dann sag’ ich’s jetzt noch mal, obwohl ich’s echt nich’ gut find, Duuuu...“

2. Sportstudenten:

(im Stil eines Fußballtrainers, der seine Mannschaft zusammenschreit) „Ey, Hirten... Ihr geht jetzt zum Stall, ihr geht da rein, dann wir dreimal gehuldigt. Wenn ich einen seh’, der da nicht mitkommt, kann er seine Sachen packen. Is dat klar?! Also! Und ab.“

3. Juristen:

(schnell) „Die M befindet sich mit J in einem handelsüblichen Stall S mittlerer Art und Güte in B, weil ihr Angebot zum Abschluss eines Mietvertrags über Wohnraum auf Zeit in der Herberge H mit dem Hinweis auf Auslastung nach § 23 Römisches Besatzungsstatut abgelehnt worden ist. Ihr Aufenthaltsort B ergibt sich konkludent aus Verordnung drei Ziffer sechs aus 0, gezeichnet Augustus, in Vertretung Cyrenius, Statthalter von Syrien, nach der sich alle einschreiben müssen, und zwar dort, wo ihr Vater geboren wurde. Hinsichtlich des J. aus N. in G., selbständig, ledig, Staatsangehörigkeit ungeklärt, erging Verfügung vom 20.12.00 nach B zu gehen und sich einschreiben zu lassen mit der M, welche gemäß beigefügtem Gutachten schwanger ist. Insoweit liegen zwingende Gründe vor, der M und dem J nach B zu folgen, um dem Kind K der M zu huldigen. Diese Aufforderung ist ohne Gloria gültig. Gegen sie kann Widerspruch nur eingelegt werden, wenn hinreichende Widerspruchsgründe vorliegen. Wer das jetzt doof findet, ist eben kein Jurist. Beschlossen und verlesen. Gezeichnet, Engel des Herrn. Nach Diktat verreist.“

4. Lehramtskandidaten:

(hektisch mit den Händen fuchtelnd) Ruhe, bitte. Ruhe! Nein, wir gehen alle zusammen. Die Messer könnt ihr hier lassen, die brauchen wir jetzt nicht ... Was hab ich denn grade gesagt?! Nach Bethlehem. Also, los geht’s. (laut) Zusammenbleiben!“

5. Informatiker:

(Stakkato) „Weihnachten starten. Suche: Kind in Krippe im Stall zu Bethlehem. Wenn ,liebliches Kind liegt im Stall’, dann Programm ,Huldigung’ starten.“

6. Mediziner:

„Ihr werdet ein Kind finden. Ein gesundes Kind, keine Angst. In Bethlehem. Gleich da unten, neben dem Golfplatz. Das Kind
a) liegt in einem Stall,
b) liegt in einer Krippe,
c) ist unser Retter und Heiland,
d) Antworten a) und b) sind richtig,
e) Antworten a), b) und c) sind richtig.“

7. BWLer:

„So eine Huldigung, das macht sich sehr gut im Lebenslauf, glaubt mir. Außerdem verfügt der menschgewordene Gott über ein großes Netzwerk, das Euch bei der Karriere von Vorteil ist. Das ist eine echte geldwerte Leistung, die ihr akquiriert, das sag (betont) ich euch.“

8. Maschinenbauer, Physiker, Chemiker und Ingenieurwissenschaftler im allgemeinen:

(feierlich) „Fürchtet Euch nicht.“ (Pause, dann leise und beiläufig) „Ich bin doch nur der Engel des Herrn (Pause), keine Frau.“

9. Theologie, evangelische:

„Heute ist uns der Heiland geboren, was eigentlich, historisch-kritisch betrachtet, gar nicht sein kann (vgl. Bultmann, Rudolf, Theologie des Neuen Testaments, Tübingen 1953). Außerdem ist es (betont) sehr fraglich, ob Bethlehem wirklich der Ort des Geschehens gewesen ist und auch die Existenz von Hirten darf (betont) stark bezweifelt werden. Hallo? Ist da jemand... (zu sich) Hat sich alles in Luft aufgelöst... (erleichtert) Ah, da sind ja noch die Kollegen von der...

10. Philosophie, Schwerpunkt ontologische Fundamentalhermeneutik:

(monoton) „Wenn das Sein sich im Seienden so entäußert, dass es mit ihm wesensgleich ist, dann ist es eines Wesens mit ihm. Das Wesen west in der heiligen Nacht in einem Stall. Das Wesen des Heils ist in der Gefasstheit der Nacht gefasst wie die Nacht im Fass geheilt ist. Was fastet, was nachtet, was heilt? In der Fassnacht fastet die Nacht in ihrem heiligen Wesen. Deswegen sprechen wir von Weihnacht.“
Oh, weih! Unfassbar!

Ende.


Anmerkung von JoBo72:

Uraufführung:
Nikolausfeier der Kath. Studierendengemeinde Edith Stein Berlin, 05.12.2007

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Kommentare zu diesem Text


 BrigitteG (30.12.07)
Ich habe mich sehr amüsiert beim Lesen - besonders Punkt 8, mit den Maschinenbauern *g*. Herzlich Willkommen bei kV und Grüße von Brigitte.
Caterina (46)
(13.12.08)
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Skandia (43)
(21.12.09)
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Graeculus (69)
(21.11.16)
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